Jan 03, 2010 18:23
"Es ist nötig, zu lernen, unserem Denken nicht zu glauben, einfach weil es unser Denken ist. Es ist im Gegenteil nötig, es im Zaum zu halten und es mit größtem Misstrauen zu behandeln, einfach weil es _unser_ Denken ist." (Paul Valéry)
Unsere Meinungen, unsere Überzeugungen und unsere Glaubenssätze stammen nicht wirklich von uns selbst: Wir wiederholen die Dinge, die wir gehört haben. Wir hängen ihnen aus Gründen an, die dem, was wirklich Sache ist, völlig äußerlich sind. Diese Meinungen bilden eine Art Schirm gegenüber einem Denken - gegenüber einem Leben - das wirklich unseres wäre. Dennoch ist es uns genehm: Wir werden vom Denken anderer in die Pflicht genommen und darin bestärkt, wie jedermann zu sein. Es ist gestattet, so zu tun, als hätte man keine Freiheit und folglich die Verantwortung zu denken oder einfach zu existieren.
Aus dieser freiwilligen Knechtschaft, aus dieser gewählten Sklaverei reißt uns die Philosophie heraus. Das ist schmerzhaft: man ist dabei in Gefahr ein paar Federn zu lassen - doch gewinnt man sich selbst. Das ist letztlich die Belohnung für die Übung.
Zu philosophieren zu beginnen, besteht in einem ersten Schritt darin, sich seiner Meinungen zu entledigen. D.h. das Risiko einzugehen, vom Bekannten, das uns das Nachdenken erspart, zum Unbekannten zurückzugehen, das uns zum Denken einlädt.
"Als Philosoph nachzudenken, bedeutet, vom Bekannten zum Fremden zurückzugehen, und im Fremden dem Realen zu begegnen." (Paul Valéry)