PG-16
Christoph sah ungläubig auf.
Er schüttelte vorsichtshalber ein paar Mal den Kopf, um sich zu vergewissern, dass seine Augen auch ja keine Späße mit ihm trieben.
Da war ein Rockzipfel. Da war doch tatsächlich ein Rockzipfel in der Badezimmertür erschienen. Dann noch ein bisschen mehr. Ein paar Rüschen. Stickmuster wurden sichtbar.
Er stemmte sich aus seiner bequemen Position und legte sich vorsichtshalber ein Hotelkissen hinter den Kopf.
Das konnte nur schief gehen.
„Tada!“ und da kam schon Lewis ins Zimmer gehüpft, jung und fröhlich wie ein bayrisches Bauernmädchen aus den Fünfzigern. Er stämmte die Hände in die für das Dirndl ein wenig zu breiten Hüfte und grinste provokant in Christophs Richtung.
„Aha.“ Mehr konnte der dazu wirklich nicht sagen. Zuerst musste er sich wundern, wie Lewis es überhaupt geschafft hatte, ohne jegliche Hilfe in das Kleidchen rein zu kommen. Dann kam natürlich noch die Frage, warum er es überhaupt getan hatte.
„Ich dachte, du freust dich, dass du’s nicht anziehen musst...“ Christoph räusperte sich laut. Angesichts der Tatsache, dass der Mainzer bei der Nachricht, nicht die schöne Magd zum Abendessen spielen zu müssen, wie ein Irrer gejubelt hatte, war die Situation wirklich bedenklich.
„Ach, nicht vor der ganzen Mannschaft.“ Lewis kam etwas näher gestapft und hob leicht den Rock an. „Aber jetzt...“
Christoph musste schlucken. „Was bringen sie dir in Mainz bloß bei...“ Er musterte Lewis und stellte teils bestürzt, teils fasziniert fest, dass der nun seine Schultern wieder aus dem Kleidungsstück befreit hatte.
„Zu eng.“ Brummte der und setzte sich zu Christoph aufs Bett. „Na? Was denkst du?“
Gar nichts, wäre jetzt die richtige Antwort gewesen, aber Christoph blieb die Spucke weg und er hielt zeitweilig den Mund. Das durfte doch nicht wahr sein! Das war... grotesk, ja, richtig abartig wie dieses eindeutig weibliche Kleidungsstück auf dem eindeutig männlichen Lewis ihn anmachte.
„Also, ich find die Farbe nicht ganz so ansprechend.“ Lewis fing an, ganz unbefangen hinter seinem Rücken mit der hübschen Schleife herum zu fummeln. „Hilfst du mir mal?“ Sein Lächeln hatte etwas leicht verspieltes, das Christoph nun entgültig den Rest gab.
„Ey, du spinnst doch!“ sagte er und schubste Lewis unsaft in die horizontale Lage. „Wie hast du das Teil überhaupt bekommen, man?“ Dann zog er die Schleife locker und knöpfte alles, was an so einem Dirndl aufzuknöpfen war, auf.
„Hmm, war ganz leicht. Die andern haben alles unten gelassen.“ Lewis grinste diebisch und zerrte nun selber ungeduldig an Christophs Trainingskleidung. „Halbe Stunde, dann gehen wir zu André zocken.“
Christoph hielt kurz inne und zog die Augenbrauen hoch. Erst im wahrsten Sinne des Wortes mit dem Kleid antanzen und dann auch noch ein Zeitlimit setzen? Das war ja fast schon ein bisschen unverschämt.
„Na, Chris, nicht gleich eifersüchtig werden.“ Lewis gelang es tatsächlich noch, trocken zu klingen. „Ich glaub das ist doch schon Liebesbeweis genug, oder?“
„Pfff.“ Murmelte Christoph und schob Lewis’ Rock am Saum gleicht samt Schürze hoch. Zufrieden hörte er, wie der andere aufjapste. Na, das hatte er nun davon! Hatte keiner ihn gezwungen, dieses blöde Trachtenkleid anzuziehen.
„Hmm... André steht eher auf Dirndl... mit Brüsten... wenn du verstehst, was ich meine.“ Keuchte Lewis halbherzig. „Kein Grund zur Panik. Ich bin dem eh nicht weiblich genug für irgendwas...“
„Oh, schönes Fräulein, zieren Sie sich nicht, machen sie schnell die Beine breit!“ spottete Christoph und erntete tatsächlich ein Glucksen von Lewis Seite.
„Aber, aber, mein junger Herr. Sie sind so stürmisch heute. Liegts an dem neuen Outfit?“
„Bestimmt nicht.“ Brummte der Angesprochene und pflanzte einen sanften Kuss hinter Lewis’ Ohr. „Aber veruschs mal mit Flugbegleiterin, vielleicht wirkt’s dann...“
„Wusste ich doch, dass du denen immer nachguckst.“ Lewis hielt kurz inne und strich Christoph durch die wieder länger gewordenen Haare. „Meinst du das jetzt ernst?“
„Jein.“ Nuschelte Christoph gegen sein Ohr. „Aber du kannst mich ja zum Karneval einladen. Ich komme als argloser Fluggast.“
„Gute Idee.“ Lewis grinste. „Mein geehrter Herr Moritz, ich kann Ihre Latte in meinem Unterrock spüren.“
Christoph lachte leise: „Gut so.“