„2022 wollen wir den ersten Flug zum Mars machen“ Hans Koenigsmann, einer der führenden Manager des

Sep 24, 2019 21:56

„2022 wollen wir den ersten Flug zum Mars machen“

Hans Koenigsmann, einer der führenden Manager des US-Konzerns Space-X, über wiederverwendbare Raumkapseln, den ersten zahlenden Gast und die Arbeit mit dem illustren Firmengründer Elon Musk

Interview: Dieter Sürig
und Hans von der Hagen

München - Das US-Raumfahrtunternehmen Space-X hat ehrgeizige Pläne: Bald will es einen Touristen den Mond umrunden lassen. In wenigen Jahren soll es zum Mars gehen - mit einem Raumschiff, dessen Form verblüfft. Zunächst will die Firma von Elon Musk aber als erste private Firma Astronauten zur Raumstation ISS bringen. Ein Gespräch mit Hans Koenigsmann, der seit 2004 als Vizepräsident für Musk arbeitet und das Konzept der wiederverwendbaren Raketen entwickelt hat.

Herr Koenigsmann, Sie wollen einen zahlenden Passagier bis zum Mond fliegen, wann ist es so weit?

Hans Koenigsmann: Wir haben einen Kunden, der den Mond umrunden will, Yusaku Maezawa …

… den japanischen Milliardär …

… genau. Der Flug ist für 2023 angesetzt.

Was kostet ihn die Fahrkarte?

Das kann ich leider nicht verraten.

Bislang ist Space-X noch nicht zum Mond geflogen - wie bereiten Sie den Flug vor?

Es wird natürlich einen Testflug mit dem neuen Raumschiff Starship geben, ob der aber zum Mond oder nur in den Erdorbit geht, ist relativ egal.

Ist Herr Maezawa der einzige Gast, oder brauchen Sie noch weitere Passagiere, die einen Sitzplatz kaufen?

Nein, er hat sozusagen mehrere Sitze gebucht.

Das reicht, um den Flug für Space-X wirtschaftlich zu machen?

Ja, weil Starship komplett wiederverwendbar sein wird. Darum beschränken sich die Kosten auf den Treibstoff und die Arbeiten am Boden, mit denen Starship für den nächsten Start hergerichtet wird.

Komplett wiederverwendbar - nach der Landung also nur mal volltanken und schon geht es weiter?

Ziel ist es, dass nach dem Flug das Raumschiff nicht wie bisher runderneuert werden muss, sondern einfach nur inspiziert wird. Damit sinken die Kosten drastisch.

Aber wann wird Starship im Einsatz sein? Bislang hat ja nur ein kleiner Prototyp ein paar Hüpfer auf dem Boden gemacht …

20 und 150 Meter auf dem Startplatz in Boca Chica in Texas. Geplant ist nun ein Flug auf 20 Kilometer Höhe, danach wollen wir mit Starship in den Orbit - möglichst noch in diesem Jahr.

Auf Bildern sieht Starship aus wie eine Rakete aus dem „Tim & Struppi“-Comic. Und glänzt silberfarben. Verwenden Sie tatsächlich Stahl für Starship?

Ja.

Aber der Werkstoff gilt doch als viel zu schwer für den Raketenbau. Wie lang hat Elon Musk gebraucht, um seine Mitarbeiter zu überzeugen?

Ich weiß nicht, ob er jemanden überzeugen musste. Elon hat oft den richtigen Riecher, wenn es um so große Entscheidungen geht. Und Stahl ist nicht so abwegig, wie es erscheint. Die Wände sind eben entsprechend dünner ausgelegt.

Der Trend geht aber in der Branche zu leichten Baustoffen …

Stahl ist billig, einfach zu bekommen und zu formen. Leichteres Aluminium hat andere Vorteile, ist aber hitzeempfindlich und schwierig zu verarbeiten. Man muss also immer irgendwelche Kompromisse eingehen.

Könnte Starship auch auf dem Mond landen, oder würde dann noch eine Fähre zum Mond gebraucht?

Starship kann auf dem Mond und übrigens auch auf dem Mars landen und auch von beiden Orten wieder wegfliegen.

Werden Sie dann öfter Touristen um den Mond fliegen? Ist das ein Geschäftsmodell für Space-X?

Soweit ich weiß, ist der Flug mit Herrn Maezawa der einzige bezahlte Touristenflug, aber ich fände es natürlich prima, wenn das ein Geschäftsmodell werden würde. Viele Leute wollen in den Weltraum fliegen, ich selber würde es auch ganz gerne machen.

Zum Mond?

Nein, nur für ein paar Tage um die Erde herum, das würde mich schon reizen. Aber das hängt natürlich vom Preis ab.

Sie bekommen doch sicher Mitarbeiterrabatt!

Weiß ich nicht. Aber der Mond ist im Moment leider ziemlich unerreichbar für mich.

Wie kommt es eigentlich, dass sich Space-X plötzlich auch für den Mond interessiert?

Zum einen bietet die Nasa derzeit die Gelegenheit, da mitzuarbeiten. Außerdem ist der Mond auf dem Weg zum Mars ein ziemlich wichtiger Schritt, einfach um Sachen zu testen.

Sie wollen bald mit Ihrer Falcon-Rakete zum ersten Mal zwei Astronauten zur ISS bringen. Vor ein paar Wochen explodierte ihnen allerdings die „Dragon“-Raumkapsel, die im März noch testweise an die ISS andockte. Hat das Ihre Planung zurückgeworfen?

Ein bisschen schon, andererseits war es nicht so tragisch, weil wir mehrere Kapseln in Arbeit haben.

Was lief schief?

Das war während eines Bodentests, unbemannt natürlich. Ein fehlerhaftes Ventil hatte flüssigen Treibstoff in das Gasdrucksystem gelassen. Die Flüssigkeit wurde dann dermaßen beschleunigt, dass sie ein anderes Ventil beschädigte und sich dabei entzündete. Daraus haben wir gelernt und Änderungen an der Kapsel vorgenommen, die so etwas verhindern.

Wie geht es nun weiter?

Bis Anfang November müssen wir das Rettungssystem testen, bei dem die Astronautenkapsel „Crew Dragon“ kurz nach dem Start von der Rakete abgesprengt wird. Dann müssen wir mit der Nasa noch die Zertifizierung abschließen, also zum Beispiel die ganzen Tests dokumentieren. Die Kapsel wird höchstwahrscheinlich Ende des Jahres startbereit sein. Sicherheit ist aber wichtiger, als unbedingt noch in diesem Jahr zu starten.

Dann könnten die Amerikaner zum ersten Mal seit dem Ende des Space Shuttle 2011 wieder von Florida aus ins All fliegen und nicht mit der russischen Sojus. Ist das für die Nasa auch günstiger?

Der Platz für einen Flug zur ISS kostet etwa 60 Millionen Dollar, also ungefähr 20 Millionen weniger als bei den Russen.

Wie viele Starts mit Astronauten planen Sie für kommendes Jahr?

Ich hoffe, dass wir zwei Crew-Flüge machen können, dazu kommen die üblichen vier Frachtflüge zur Raumstation.

Haben Sie die Crews selbst ausgewählt?

Nein, wir fliegen ja im Auftrag der Nasa, das sind alles deren Astronauten. Wir haben derzeit keine eigenen Astronauten.

Ein weiteres Projekt ist Ihr Starlink-System für weltweites Internet - da geht es nur um Satelliten. Anfang September wäre es fast zu einer Kollision Ihres Satelliten mit einem der Raumfahrtagentur Esa gekommen. Ein Eingreifen der Europäer verhinderte Schlimmeres. Ist Ihnen da die Kontrolle entglitten?

Eine Woche vor dem Beinaheunfall wurde die Kollisionsgefahr beider Satelliten weit unterhalb der Wahrscheinlichkeit eingestuft, bei der wir handeln müssen. Das Risiko hat sich dann aber erhöht, doch diese Meldung tauchte nicht in unserem System auf. Deswegen hatten wir keinen Handlungsbedarf gesehen, sonst hätten wir natürlich gehandelt. Diesen Fehler haben wir beseitigt. Wir haben selber das größte Interesse daran, dass wir Kollisionen verhindern, wir haben ja viele Satelliten im Orbit. Deswegen haben wir ja ein automatisches System entwickelt, das notfalls eine Ausweichaktion vornimmt.

Sie haben die ersten 60 Starlink-Satelliten gestartet, im nächsten Jahr sind 24 Starts geplant. Wie viele werden es am Ende sein?

Wir könnten auf bis zu 15 000 Satelliten gehen, werden aber zunächst 700 Satelliten im All haben, damit das Internet am Boden überhaupt mal funktioniert.

Das klingt auch nach einer Menge Weltraumschrott für die Zukunft!

Nein, die Satelliten fliegen tief genug, um nach ein paar Jahren in der Atmosphäre zu verglühen - selbst wenn wir die Kontrolle darüber verlieren sollten. Jeder Satellit hat Triebwerke, um ihn bewegen zu können.

Wer profitiert von dem Starlink-Internet?

Vor allem Gebiete, die bis jetzt eine schlechte oder keine Internetversorgung haben - vorwiegend außerhalb der Städte. Wir wollen das zunächst einmal in den USA anbieten.

Wäre das auch eine Lösung für Deutschland, wo die Internetabdeckung erstaunliche Lücken aufweist?

Das hoffe ich doch sehr.

Wann wäre das auch hierzulande einsetzbar?

Das ist in den nächsten zwei, drei Jahren denkbar.

Um Geld zu verdienen, will Space-X künftig auch monatlich Mitfluggelegenheiten für kleine Satelliten bieten, sogenannte Rideshare-Flüge. Startet damit eine Art Linien-Raumflugbetrieb?

Wir haben ja durchaus vor, die gesamte Raumfahrt wie die Luftfahrt aufzuziehen: Also Wiederverwendbarkeit und regelmäßige Starts. Die Mitfluggelegenheiten, also das Rideshare-Angebot ist tatsächlich ein bisschen mit Linienflügen vergleichbar. Wir haben bisher auch schon viele Kleinsatelliten mitgenommen, wenn auf der Falcon noch Platz war. Aber der Bedarf steigt.

Was muss dann beispielsweise eine Hochschule zahlen, wenn sie etwas ins All bringen will?

Es gibt dann einen Festpreis von einer Million Dollar je 200 Kilogramm.

Aber diese ganzen Geschäfte dienen letztlich nur dazu, um zum Mars zu kommen?

Das ist ja der Hauptgrund, warum es Space-X überhaupt gibt: Wir wollen den Mars besiedeln. Dahinter steckt die Idee von der interplanetary humanity, die Menschheit soll sich nicht mehr nur auf diesen einen Planeten beschränken.

Warum?

Wir sollten einen zweiten als Back-up haben. Ich weiß, dass sich das für deutsche Ohren drastisch anhört, aber es kann Asteroideneinschläge geben, einen verheerenden Vulkanausbruch oder schwere Erdbeben. Und ich finde es wirklich erstaunlich, dass sich die Raumfahrt in den vergangenen 20, 30 Jahren so weiterentwickelt hat, dass man zumindest nicht völlig verrückt ist, wenn man darüber nachdenkt.

Die Nasa kam jetzt in einer Studie zu dem Schluss, dass ein bemannter Flug zum Mars frühestens Ende der Dreißigerjahre möglich wäre …

… so spät?

Ja. Haben Sie mittlerweile auch Ihre Zeitpläne revidiert?

Wir haben ehrgeizigere. Aber um fair zu bleiben: Manchmal ist es schwierig für uns, sie einzuhalten. Doch wir müssen kürzer denken: 2022 wollen wir den ersten Flug zum Mars machen und 2024 bemannt fliegen.

Haben Sie schon die Astronauten dafür? Oder kommen die auch von der Nasa?

Ich glaube, darüber wurde bei Space-X noch nicht gesprochen.

Wie präsent ist Elon Musk im Alltagsgeschäft?

Er ist oft im Unternehmen. Er ist der Visionär, der hinter allem steht und bestimmt, wo es langgeht.

Wie oft sprechen Sie mit ihm?

Ich sehe ihn typischerweise einmal die Woche.

Und worum geht es dann? Klinkt er sich auch bei den technischen Details ein?

Elon hat eine relativ große Bandbreite, um sowohl über Details als auch das große Ganze zu sprechen. Aber meistens ist es das große Ganze.

Süddeutsche 25.9.2019

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