Tempel im Schlick Archäologen finden Reste einer zerstörten Stadt am Nil Zunächst bebte die Erde,

Sep 01, 2019 11:16

Tempel im Schlick

Archäologen finden Reste einer zerstörten Stadt am Nil

Zunächst bebte die Erde, dann folgte ein gewaltiger Erdrutsch, der wiederum eine meterhohe Flutwelle auslöste. Diese drei katastrophalen Ereignisse trafen Thonis-Herakleion vor rund 2200 Jahren mit voller Wucht und zerstörten in kurzer Zeit große Teile der Stadt an der damaligen Nilmündung. Der Erdstoß setzte vor allem den mächtigen Bauten der Stadt zu, den Tempeln und Verwaltungsgebäuden. Die Stadt rutschte durchschnittlich fast sechs Meter tief ins Meer. Nur einige kleine Inseln blieben übrig.

Schriftliche Quellen zu diesem Naturereignis gibt es nicht, aber soeben haben Franck Goddio und sein Team vom Europäischen Institut für Unterwasserarchäologie neue Belege für die Vorgänge in der Bucht von Abukir gefunden, also dort, wo in der Antike der Nil ins Mittelmeer mündete. Unter einer dicken Schlammschicht, rund 3,5 Meter unter dem heutigen Meeresboden, fanden die Unterwasserforscher nach eigenen Angaben Bruchstücke zweier wichtiger Tempel, eines großen ägyptischen und eines kleineren griechischen.

Demnach lagen gut erhaltene Mauerteile, Statuen und rituelle Gegenstände eines zentralen Tempels, der der obersten Gottheit Amun-gereb geweiht war, in einem ehemaligen Kanal. Dieser war regelrecht aufgefüllt mit Steinbrocken des Tempels. Der südlich der Wasserrinne stehende Tempel war vermutlich durch das Erdbeben komplett eingestürzt. Nilschlamm hatte die Überreste jahrhundertelang überspült und perfekt konserviert. Zur Blütezeit der Stadt fuhren auf dem weit verzweigten Kanalsystem flache schwere Barken mit Waren aus der griechischen Welt ins Landesinnere. In früheren Grabungen hatte Goddio entsprechende Schiffe entdeckt. Jetzt gibt es einen weiteren Schnappschuss aus der Zeit des Untergangs.

Westlich der ersten Fundstelle stießen die Taucher auf Säulen eines griechischen Rundtempels sowie auf griechische Keramiken und Gegenstände aus Silber und Bronze, die vermutlich bei religiösen Zeremonien Verwendung fanden. Thonis-Herakleion war mit seinen zahlreichen Tempeln ein religiöses Zentrum im Pharaonenreich. Beide Bauwerke stammen aus dem Beginn des 4. Jahrhunderts vor Christus, damals regierten die Ptolemäer in Ägypten. Thonis-Herakleion war nördlicher Grenzposten des Königreichs und gleichzeitig das wichtigste Tor zum Mittelmeer und zur griechischen Welt. Hier mussten sich alle Schiffe, die Handel mit Griechenland treiben wollten, registrieren lassen.

Unweit von Thonis-Herakleion lag mit Kanopus eine zweite Stadt, die beim Erdbeben ebenfalls nahezu ausgelöscht wurde. Bekannt sind auch von dort verschiedene Tempel und ein christliches Kloster. Bei der aktuellen Ausgrabung stieß Goddio nun auf römische Gebäude, ein Wasserleitungssystem und ein Badehaus. Gleichzeitig entdeckten die Taucher im Sediment unter dem Meeresboden islamische und byzantinische Goldmünzen sowie einen goldenen byzantinischen Ohranhänger mit grünlichen Steinen. Münzen und Schmuck ließen sich auf das 8. Jahrhundert nach Christus datieren. Spätere Spuren gibt es weder in Kanopus noch in Thonis-Herakleion. Die Forscher vermuten, dass eine zweite Naturkatastrophe die letzten, auf Inseln verbliebenen Siedlungsreste in die Tiefe riss.

Hubert filser, Süddeutsche 26.8.2019

geschichte, ägypten

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