Mar 13, 2019 12:06
Ansage aus der Botschaft
Die Drohung von Trump-Intimus Richard Grenell wegen des chinesischen Konzerns Huawei bringt Berlin in die Zwickmühle. Und deutsche Konzerne fragen sich schon, wen die Rache Pekings treffen könnte
Von Christoph Giesen
und Georg Mascolo
Peking/Berlin - Bis Ende vergangener Woche durfte die Bundesregierung hoffen, eine der wichtigsten Entscheidungen dieser Legislaturperiode alleine zu fällen: Dürfen chinesische Firmen wie der Netzwerkausrüster Huawei am Bau des neuen Mobilfunknetzes 5G beteiligt werden oder lieber nicht? Seit Monaten diskutieren hohe und höchste Regierungsstellen darüber, es geht um Investitionen, Geschäftsinteressen, Außenpolitik und die Frage technologischer Souveränität.
Dann ging im Wirtschaftsministerium ein Brief ein, datiert auf den vergangenen Freitag. Absender: US-Botschafter Richard Grenell. Wegen seines ruppigen Vorgehens nennen ihn manche in Berlin nur noch den „kleinen Trump“. Und das Schreiben hat das Potenzial, diesen Ruf noch zu festigen. Grenell kam schnell zur Sache: Sollte im deutschen 5G-Netz chinesische Technik zum Einsatz kommen, werde Washington die nachrichtendienstliche Kooperation einschränken - weniger Informationen der amerikanischen Dienste also.
Eine solche unumwundene Drohung hatte man in Berlin nicht erwartet. Zwar hatten US-Politiker und Geheimdienstler in vielen Gesprächen ihre massiven Zweifel an Huawei deutlich gemacht, aber man musste das nicht als Ultimatum verstehen. Für manchen klangen sie eher wie die Anmerkungen eines besorgten Freundes. Zudem war in der Bundesregierung in den vergangenen Jahren mit Erleichterung registriert worden, dass US-Präsident Donald Trump mit allem Möglichen drohte: niemals aber mit einer Einschränkung der Zusammenarbeit der Geheimdienste. Damit ist es nun vorbei. Die Bundesregierung ist eingeklemmt zwischen ihrem wichtigsten Verbündeten und dem wichtigsten Handelspartner: den Vereinigten Staaten und China. Der wohl größte Konflikt dieser Tage hat Deutschland erreicht.
Als ehemaliger Chef des Bundeskanzleramts, der stets für die Nachrichtendienste verantwortlich ist, ist Grenell-Adressat Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) einer jener Politiker, die wissen, was nun auf dem Spiel steht. Ohne die Amerikaner sei man „taub und blind“, hat der ehemalige Innenminister Thomas de Maizière (CDU) einmal gesagt. Und die Kanzlerin Angela Merkel (CDU) erklärte jüngst bei der Eröffnung der neuen BND-Zentrale die Zusammenarbeit für „lebensnotwendig“.
Der BND kooperiert mit mehr als 450 Diensten in aller Welt, die US-Kollegen gehören jedoch mit Abstand zu den wichtigsten. Vor allem in zwei Bereichen ist Deutschland auf die USA angewiesen: bei der Terror-Abwehr und bei Cyber-Gefahren. Die entscheidenden Hinweise auf mögliche Anschläge - zuletzt der Versuch, eine biologische Bombe in Köln zu bauen - kamen aus den USA. So war es schon bei einem mutmaßlichen Anschlag auf den Berliner Flughafen Berlin-Tegel. Oder was deutsche IS-Mitglieder in Syrien und im Irak taten - auch das stammt oft aus den USA.
Ähnlich ist das Bild im Cyber-Bereich. Mal sind es Hinweise auf geplante oder erfolgte Attacken, dann liefern die Amerikaner Namen und IP-Adressen von Hintermännern. Der enorme US-Geheimdienstapparat fischt Sachen ab, von denen die Deutschen noch nie gehört haben. Mancher in der Szene vergleicht das Verhältnis mit dem zwischen der Bundeswehr und der US-Army; auch was die Größe und den Etat angeht. So war es aus deutscher Sicht nur folgerichtig, dass man trotz NSA-Affäre und der Enttarnung eines CIA-Spions im BND schnell wieder zur Tagesordnung überging. Seit Trump im Weißen Haus sitzt, ist das deutsch-amerikanische Verhältnis jedoch so anspannt, wie noch nie: Es geht um Zölle, Verteidigungsausgaben und den umstrittenen Bau der Russland-Pipeline Nordstream 2. Mit Erleichterung wurde im Kanzleramt registriert, dass die Geheimdienst-Kooperation unbeschadet blieb - alles wie immer, keine Probleme, meldeten Verfassungsschutz und BND unisono.
In Berlin wird als sicher erachtet, dass Grenell seinen Brief in enger Abstimmung mit dem Weißen Haus geschrieben hat. Ausgerechnet in jenem Moment, in dem die Bundesregierung ihre Linie für den Umgang mit Huawei gefunden zu haben schien. Am vergangenen Donnerstag hatte die Bundesnetzagentur einen Katalog von Sicherheitsanforderungen vorgelegt, der für alle Anbieter gilt - europäische genauso wie chinesische Unternehmen. Gleichzeitig geben die Klauseln Spielraum: Wer als nicht „vertrauenswürdig“ eingestuft wird, kann ausgeschlossen werden.
Grenell schreibt in seinem Brief, dass chinesische Gesetze Hersteller aus der Volksrepublik zu einer umfassenden Kooperation mit dem Staat zwingen können, ohne dass unabhängige Gerichte dies überprüfen dürften. So sieht es auch die Bundesregierung: Der Artikel 14 des chinesischen Nachrichtendienstgesetzes wird in Washington und Berlin auf die gleiche Art und Weise verstanden.
Und doch sollte das Arrangement mit dem Katalog es ermöglichen, China nicht öffentlich zu brüskieren. Mindestens im sogenannten Kernnetz hätte man dann auf chinesische Bauteile verzichten können. Der Brief von Grenell macht dies nun schwerer. „Wie immer unsere Entscheidung jetzt am Ende auch aussieht, die Chinesen werden sagen, ihr handelt auf US-Druck“, sagt ein mit den 5G-Diskussionen vertrauter Beamter. „Es sieht dann aus wie ein Kniefall.“
Entsprechend groß sind die Sorgen in den Zentralen vieler deutscher Konzerne seit Bekanntwerden des Grenell-Briefs. Kommt es zur Entscheidung gegen Huawei, wen wird Pekings Rache dann treffen? Die Autokonzerne? Volkswagen stellt inzwischen jeden zweiten VW in China her. Siemens? Der Münchner Konzern erhofft sich ein Milliardengeschäft mit Gasturbinen. Oder der deutsche Mittelstand? Nirgendwo sonst werden mehr Werkzeugmaschinen verkauft als in China.
In Berlin wird gerätselt, was dieser Brief eigentlich sollte. Die Überlegungen der Bundesregierung zu 5G kennen die USA im Detail, die Amerikaner werden regelmäßig unterrichtet. Und weil die US-Spionage im Regierungsviertel nie endete, weiß Washington wahrscheinlich auch, was sie nicht wissen sollen. Ist ihnen die deutsche Linie nicht hart genug? Wollen sie einen öffentlichkeitswirksamen Ausschluss erreichen? Seit dem Brief vom Freitag ist für die Berliner Politik jedenfalls eines klar: Das Tabu, mit einer Einschränkung der Geheimdienst-Zusammenarbeit zu drohen, gibt es nicht mehr.
Süddeutsche 13.3.2019
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