Mistgabel gegen Republik Im Herbst 1798 packte die Bauern im Ösling die Wut. Mit Flinten, Heugabeln

Oct 28, 2018 16:27

Mistgabel gegen Republik
Im Herbst 1798 packte die Bauern im Ösling die Wut. Mit Flinten, Heugabeln, Stöcken und Knüppeln stellten sie sich gegen die französische Besatzung und zogen in Richtung der Festung Luxemburg. Ein Aufstand, der zum Scheitern verurteilt war.
Von Maximilian Richard

Um 16 Uhr öffnet sich die Tür der Todeszelle auf dem Fischmarkt. Michel Pint wird abgeholt. Ein letztes Mal führt ihn sein Weg durch die Gassen der Festung Luxemburg und durch die Porte-Neuve. Auf dem Glacis wartet bereits Peter Spirckel, der Henker - und mit ihm die Guillotine. Am 20. Mai 1799 um 16.45 Uhr durchtrennt das Fallbeil ein Leben. Michel Pint, der Schäfer von Asselborn, stirbt im Alter von 25 Jahren.

Pint war der letzte von 30 Klöppelmännern, die für ihre Teilnahme an dem Bauernaufstand im Herbst 1798 hingerichtet wurden. Die Bauern hatten vor 220 Jahren gemeinsam mit etwa 3 000 anderen Aufständischen im Ösling zu den Waffen gegriffen und sich gegen die französische Herrschaft erhoben.

Nach Jahren des Krieges fielen 1795 die Österreichischen Niederlande und mit ihnen das Herzogtum Luxemburg in die Hände der neu deklarierten Republik Frankreich. Die Luxemburger Bevölkerung war allerdings mit ihren neuen Herrschern unzufrieden, obwohl der Machtwechsel nicht nur negative Veränderung mit sich brachte.

So setzten die Franzosen auch die Prinzipien der Revolution von 1789 - Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit - um. Der emanzipatorische Charakter der Maßnahmen, die unter anderem den Adel abschafften, fand jedoch in Luxemburg weniger Anklang als in anderen Regionen.

Ein Edikt aus dem Jahr 1752 der österreichischen Fürstin Maria Theresia hatte die Bauern bereits weitgehend von herrschaftlicher Willkür abgesichert. Und auch eine gewisse Steuergleichheit, die die Franzosen einführten, gab es in Luxemburg bereits 20 Jahre vor der Revolution. Nach dem Machtwechsel musste die Bevölkerung sogar mehr Steuern zahlen.

Vor allem die Landbevölkerung lehnte die Franzosen als Fremde ab. Dafür waren aber nicht Sprachprobleme verantwortlich. Vielmehr betrieben die neuen Herren eine Politik, die der Bevölkerung unannehmbar schien. Nicht nur überforderten die Einführung des metrischen Systems und eines neuen Kalenders die Bevölkerung, auch die Religionsfreiheit war den tiefgläubigen Bürgern ein Dorn im Auge. Sie verbannte die Ausübung des Kultes aus der Öffentlichkeit, Geistliche mussten einen Eid auf die Republik schwören. Ansonsten drohten Verfolgung und Deportationen.

Als dann am 5. September 1798 der Militärdienst eingeführt wurde und alle Männer zwischen 20 und 25 Jahren eingezogen wurden, kochte die Stimmung hoch. Brandbriefe, die zum Widerstand gegen die Franzosen aufriefen, wurden verteilt. Es kam zu ersten Kundgebungen.

Am 26. Oktober 1798 in der Kantonalhauptstadt Clerf greifen die ersten Bauern zu den Waffen. Mit Flinten, Heugabeln, Stöcken und Knüppeln bewaffnet versammelten sich einige Hundert Aufständische vor dem Gebäude der Kantonalverwaltung. Die Ortsverantwortlichen waren mit der Situation überfordert. Sie ergaben sich und wurden mit mehreren Gendarmen gefangen genommen und nach Hosingen gebracht. Dort diente ein kleines Klostergebäude als Arrestlokal und als Hauptquartier für die Rebellen.

In den kommenden Tagen brodelte es in den umliegenden Dörfern des Öslings und über die Kantonsgrenzen hinaus. Unter anderem in Leidenborn, Wiltz und in Reuland (B) kam es zu ähnlichen Ausschreitungen. Die Klöppelmänner stießen nur auf geringen Widerstand. Denn die französische Gendarmerie war unterbesetzt. Pro Kanton gab es jeweils nur eine Brigade, die aus fünf Mann bestand. Zudem befanden sich keine Militäreinheiten in der Region.

Ungestraft konnten die Bauern die Republik und deren Diener verhöhnen und somit verbreitete sich ein gefährliches Gefühl der Stärke. Ein tollkühner Feldzugplan wurde ausgeheckt. Die Bauern teilten sich in zwei Kolonnen auf. Eine sollte nach Norden marschieren, um sich dort mit weiteren aufständischen Bauern in Flandern zu vereinigen. Die zweite richtete ihren Blick allerdings nach Süden - auf die Festung Luxemburg. Wie sich der schlecht bewaffnete Bauernhaufen ohne Kampferfahrung die Einnahme der Festung Luxemburg vorstellte, ist nicht überliefert. Allerdings sollten die Rebellen die Festungsmauern nie erreichen.

Denn in der Festung hatte man inzwischen von dem Aufstand erfahren. Die militärischen Befehlshaber beschlossen schnell und hart durchzugreifen. Am Abend des 28. Oktober verließen Infanterie-, Kavallerie- und Gendarmerie-Einheiten die Festung in Richtung Norden. Auch in Echternach wurden Truppen mobilisiert. In einer Zangenbewegung sollten sie die Rebellen einkesseln.

Derweil sammelten sich die in Richtung Festung marschierenden Bauern bei Hoscheid. Einer Handvoll Gendarmen gelang es dort, den Vormarsch aufzuhalten. In der Abenddämmerung täuschten sie den Bauern unter anderem durch gezielte Kanonenschüsse eine größere Truppenstärke vor und die unerfahrenen Rebellen zogen sich panisch zurück.

Der Traum der Bauern sollte nicht lange währen. Am 30. Oktober beendeten mehrere blutige Auseinandersetzungen die Pläne der Klöppelmänner. Soldaten, die aus der Festung Luxemburg ausgerückt waren, trafen in Clerf auf mehrere Hundert Rebellen. Die Bauern hatten sich in Böschungen verschanzt und griffen die im Tal befindlichen Franzosen an - allerdings vergeblich. Die Revolutionstruppen erlitten kaum Verluste. Für die Bauern endete das Gefecht blutig. Die Rebellen wurden auseinandergetrieben und ergriffen die Flucht.

Zwei kurze Gefechte besiegeln das Schicksal des Bauernaufstands. Zwei Tage nachdem die Bauern in Richtung Luxemburg marschiert waren, war der Aufstand fast vollkommen zusammengebrochen. Klicken Sie auf die roten Punkte, um mehr Informationen zu erhalten.

Auch in Arzfeld (D), in der Eifel, kam es zu einer entscheidenden Auseinandersetzung. Dort trafen die aus Echternach ausgerückten Soldaten auf mehrere Hundert Aufständische. Die zahlenmäßig unterlegenen Franzosen gewannen auch hier aufgrund ihrer besseren Ausbildung und Ausrüstung schnell die Oberhand. Zahlreiche Bauern wurden bei dem Gefecht getötet, während die Franzosen keine nennenswerten Verluste erlitten.

Damit hatte der Klëppelkrich bereits sein Ende gefunden. Zwei Tage nachdem die Bauern in Richtung Luxemburg marschiert waren, war der Aufstand fast vollkommen zusammengebrochen. Auch die Rebellen, die Richtung Norden marschiert waren, wurden in den kommenden Stunden von den Franzosen gestellt. Am 1. November verkündete der militärische Befehlshaber der Festung Luxemburg den Niederschlag des Aufstands. Seine Bilanz: Insgesamt 280 Brigands, wie die Franzosen die Rebellen nannten, seien getötet, 90 verletzt oder gefangen genommen worden.

Auf Milde konnten die Aufständischen nicht hoffen. Denn an ihnen sollte ein Exempel statuiert werden. 78 Angeklagte wurden zwischen Dezember 1798 und Mai 1799 einem Militärgericht in Luxemburg vorgeführt. 35 von ihnen wurden zum Tode verurteilt, fünf in Abwesenheitsverfahren. Sie wurden auf dem Glacis erschossen oder als Kapitalverbrecher durch die Guillotine hingerichtet. 24 Aufständische erhielten Gefängnisstrafen und 19 wurden freigesprochen.

In den ersten Jahrzehnten nach dem Aufstand wurde die fehlgeschlagene Revolte weitgehend aus dem öffentlichen Gedächtnis verdrängt. Dies sollte sich aber Mitte des 19. Jahrhunderts grundlegend ändern. Historiker schrieben dem Aufstand ein nationales Anliegen zu.

Und so erhielten die Ereignisse in den ersten Jahren der Unabhängigkeit Luxemburgs eine neue Bedeutung. Auch in populär-historischen Werken wurden die Taten der Bauern thematisiert und ausgemalt. Die Rebellen wurden gar als Vorreiter eines luxemburgischen Nationalgefühls dargestellt.

Die Forschung hat diese Narrative heute als Mythos entlarvt. Denn der einzige Massenaufstand in der Geschichte Luxemburgs war kein glorreicher Widerstand eines Volkes gegen ein Unrechtsregime. Vielmehr war der Klëppelkrich eine spontane, schlecht durchgeführte Bauernrevolte, die von Anfang an zum Scheitern verurteilt war.

Ein Mann sticht aus der anonymen Masse der Aufständischen des Klöppelkriegs hervor: Michel Pint. Nach dem Gefecht bei Clerf, bei dem die Rebellen eindeutig verloren hatten, zog Pint sich gemeinsam mit anderen Bauern nach Asselborn zurück. Dort wurden am 31. Oktober 1798 zwei Gendarmen bei einem Angriff getötet.

Pint wurde gemeinsam mit fünf weiteren Angeklagten vor einem Militärgericht wegen dieses Vorfalls der Prozess gemacht. Als Einziger wurde er in der Asselborner Affäre zum Tod verurteilt. Aus dem damals 25-jährigen Schäfer machten Historiker und Autoren ab der Mitte des 19. Jahrhunderts eine Heldenfigur.

Als Schäfer von Asselborn wurde er zum Symbol des Klöppelkriegs, zum Mann, des „Mir kennen net léien“, der vor Gericht aufrichtig zu seiner Tat stand. Wie viel Wahrheit im Mythos Schéifermisch steckt, lässt sich heute nicht mehr vollends ermitteln. Die Prozessakten bleiben verschollen, und die Linien zwischen Legende und Wahrheit sind längst verschwommen.

Quellen
- Dollar, Jacques (1981), La démystification du Klöppelkrich. Luxemburg: Saint-Paul.

- Trausch, Gilbert (1988), Vom Selbstbewusstsein zur Nation. Beiträge zur Geschichte Luxemburgs vom Ende des „Ancien Régime“ bis zum Zweiten Weltkieg. Luxemburg: Saint-Paul.

- Atten, Alain, Scheidweiler, Marcel (1998) Der Klöppelkrieg in Bildern. Arzfeld, Weiswampach: Islek ohne Grenzen.

- Atten, Alain (2002). Bei Schéifermisch doheem. In: Islek oni Grenzen (hrsg.), Klëppelkrich 1798. Erinnerungen einer Landschaft. Arzfeld, Weiswampach, Islek ohne Grenzen, S. 97-174.

Luxemburger Wort Online 28.10.2018

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