Schmähkritik Was man aus dem Rainhard-Fendrich-Musical „I am from Austria“ über Österreich lernen ka

Sep 19, 2017 09:39

Schmähkritik
Was man aus dem Rainhard-Fendrich-Musical „I am from Austria“ über Österreich lernen kann

Bei Heimspielen der österreichischen Fußballnationalmannschaft singen die Fans vor der offiziellen Bundeshymne noch die inoffizielle: den Austropop-Klassiker „I am from Austria“ von Rainhard Fendrich. Das Lied beginnt mit einer kritischen Analyse („Dei hohe Zeit is lang vorüber / vom Ruhm und Glanz ist wenig über“), löst sich aber bald in schulterzuckende Resignation auf: „Da kann ma machen, was ma will / da bin i her, da g’hör i hin.“ Es ist kein Wunder, dass das Lied auch auf Wahlkampfveranstaltungen der rechtspopulistischen FPÖ gern eingesetzt wird.

Eigentlich war „I am from Austria“ aber einmal ganz anders gemeint, wie der Künstler beteuert. Als das Lied 1989 herauskam, hatte Österreich in Kurt Waldheim gerade einen wegen seiner SA-Vergangenheit international geächteten Bundespräsidenten, und in „I am from Austria“ wollte Fendrich die widersprüchlichen Gefühle eines Österreichers ausdrücken, der trotz allem an seiner Heimat hängt. Wer Textzeilen wie „I bin dei Apfel, du mei Stamm“ dichtet, darf sich allerdings nicht wundern, wenn er als Mia-san-mia-Patriot missverstanden wird. Auch die süßlich-larmoyante Musik unterläuft den kritischen Ansatz des Lieds so wirkungsvoll, dass man es eigentlich gar nicht richtig verstehen kann.

Eines jedenfalls hat Rainhard Fendrich erkennen müssen: Gegen Applaus von der falschen Seite kann man sich schlecht wehren. Vielleicht ist er ja deshalb der Premiere von „I am from Austria“ im Wiener Raimundtheater ferngeblieben, einem dieser Jukebox-Musicals, in denen die Hits eines Musikers oder einer Band in eine mehr oder weniger plausible Rahmenhandlung verpackt werden. Die Autoren von „I am from Austria“, Titus Hoffmann und Christian Struppeck, setzen auf eine klassische Liebesgeschichte: In einem altmodischen Wiener Viereinhalbsternehotel entwickelt sich zwischen der Hollywoodschauspielerin Emma Carter (Iréna Flury) und dem Juniorchef des Hotels (Lukas Perman) eine Romanze, die nach Überwindung der üblichen Hindernisse schließlich auf dem Opernball - wo sonst? - in das unvermeidliche Happy End mündet.

Das Bühnenbild (Stephan Prattes) ist wie eine riesige Torte aufgebaut und bildet so den passenden Rahmen für eine picksüße Story, randvoll mit Klischeefiguren und haarsträubend konstruierten Plotwendungen. Nach der Pause hilft irgendwann nur noch Hubschraubereinsatz: Das Liebespaar flieht mit einem von der Protagonistin gesteuerten Helikopter in die Alpen, und aus der Versenkung wächst ein Berg samt Gipfelkreuz und Steinbock.

Und wozu der ganze Aufwand? Nach knapp zwei Stunden ist endlich Zeit für den Titelsong, und da braucht es die passende Kulisse. Emma Carter, die eigentlich Adele Waldvogel heißt und aus Österreich stammt, steht also mitten in einer Postkartenidylle und singt ebenso inbrünstig wie ironiefrei „I am from Austria“.

Unter den berühmten Wiener Liedermachern ist Rainhard Fendrich der Luftikus. Er war nie so zornig wie Wolfgang Ambros, nie so morbid wie Ludwig Hirsch und nie so poetisch wie Georg Danzer. Seine Hits leben mehr vom Schmäh als von der Melodie. 21 Fendrich-Lieder werden in „I am from Austria“ gesungen, und den Härtetest, den so ein Musical für Popsongs immer darstellt, bestehen nur wenige davon wirklich unbeschadet.

Die satirischen Nummern - von „Schickeria“ bis „Macho Macho“, von „Blond“ bis „Tango Korrupti“ - werden meist in Form von musicaltypisch arrangierten Gruppenszenen (Choreografie: Kim Duddy) dargebracht, sind aber höchstens halb lustig. Manche Balladen wiederum passen so nahtlos in die hanebüchene Handlung, dass der saure Kitsch („Nur die Liebe zählt“) und die schiefe Metaphorik („Weusd a Herz hast wie a Bergwerk“) dieser Texte überdeutlich wird.

Die besten Momente hat der Abend immer dann, wenn die Lieder irgendwie gebrochen werden. Wenn etwa Andreas Steppan, ein langgedienter Mann aus dem B-Team der Wiener Unterhaltungsbranche, sich mit „Strada del Sole“ an einen Italienurlaub erinnert, in dem ihn seine spätere Ehefrau kurzzeitig für einen Urlaubsflirt verlassen hatte, bekommt der Gassenhauer etwas erstaunlich Anrührendes. Und wenn ausgerechnet die 70-jährige, sehr schmächtige Kabarettistin Dolores Schmidinger „Es lebe der Sport“ singt, dann hat das den leicht schrägen Witz, der dem Abend sonst fehlt.

Das Raimundtheater ist eine von zwei städtischen Bühnen, auf denen in Wien Musicals aufgeführt werden. Weil diese Bühnen für einen kommerziellen Betrieb zu klein dimensioniert sind, müssen sie subventioniert werden, was die Stadt hauptsächlich mit touristischen Argumenten rechtfertigt. Schöne alte Musicaltheater, heißt es, würden die kulturelle Infrastruktur der Stadt aufwerten. Man könnte jetzt kritisieren, dass den Touristen mit Stücken wie diesem ein absurd verfälschtes Bild von Wien und Österreich vermittelt wird.

Andererseits ist es vielleicht ja stimmiger, als man denkt. Auch mit dem Lied „I am from Austria“ können sich die meisten Österreicherinnen und Österreicher ja sehr gut identifizieren. Am Ende des Musicals wird die heimliche Nationalhymne übrigens nochmals angestimmt. Wenn das Liebespaar schließlich doch noch zusammenkommt, schmachtet sie ihn allen Ernstes mit den Worten „I bin dei Apfel, du mei Stamm“ an. Das kommt überraschend, macht aber nur deutlich, dass es sich bei „I am from Austria“ eben nicht um ein kritisches Heimatlied, sondern um eine glühende Liebeserklärung handelt. Da kann ma machen, was ma will. Wolfgang Kralicek

Süddeutsche Zeitung, Dienstag, den 19. September 2017, Seite 9

pop, österreich, heimat

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