Aug 26, 2013 09:58
Klatten kauft ein
Quandt-Erbin spezialisiert sich auf Wiedervertwertbares
Frankfurt - Sie hat geerbt, ihr Geld ziemlich klug investiert, und nun mischt sie sich zunehmend ein, gestaltet oder kontrolliert: Susanne Klatten, Großaktionärin von BMW, will nachhaltige Produkte und Verfahren vorantreiben. Gerade hat sie wieder eine Firma gefunden, die in dieses Schema passt. Es handelt sich um die Envirochemie im hessischen Rossdorf, die Anlagen zur Wasseraufbereitung baut und bisher der Stadt Darmstadt gehört.
Die 51-jährige, in München lebende Klatten ist die Tochter des Industriellen Herbert Quandt. Nach dessen Tod erhielt sie vor allem Beteiligungen an BMW und Altana. Sie verkaufte die Pharmasparte von Altana und erlöste 2,4 Milliarden Euro. Dieses Geld steckte sie in eine strategische Beteiligungsgesellschaft, die mit ihren Initialen anfängt und Skion heißt. Firmensitz ist das Günther-Quandt-Haus in Bad Homburg bei Frankfurt, praktisch die Wiege der Quandt-Dynastie.
Den Bereich Spezialchemie von Altana nahm Klatten von der Börse und führt das Unternehmen inzwischen über die Holding Skion. Weit mehr Aufsehen erregte sie mit ihrem Engagement beim Autozulieferer SGL Carbon, dessen Aufsichtsrat sie seit kurzem leitet. Dem leichten Werkstoff Carbon wird eine große Zukunft bei Autos, Flugzeugen und Windanlagen zugetraut. Klatten und BMW halten inzwischen 44Prozent an SGL. Die Rivalen VW und Voith sind mit einem Anteil von 17Prozent ebenfalls mit von der Partie. Es soll unter der SGL-Belegschaft die Befürchtung gegeben haben, man werde zu einem Anhängsel von BMW. Und es gab Ängste, SGL könnte zerschlagen werden, wie einst Altana. Klatten bemüht sich, diese Bedenken zu zerstreuen. Weil sie nicht nur den Aufsichtsrat von SGL führt, sondern auch im Kontrollgremium von BMW sitzt, wurde bei SGL ein spezieller Kontrollausschuss eingerichtet, der über mögliche Interessenkonflikte wacht.
Bei Skion reihen sich inzwischen kleinere Engagements hintereinander auf wie eine Perlenkette von Startups und Recycling-Juwelen. Dazu gehört Nordex mit Expertise bei Windanlagen, Avista Oil, ein Pionier für Gebrauchtöl-Upcycling, Gemalto, ein Spezialist für digitale Sicherheit sowie Paques, eine Firma für biologische Abwasser- und Gasreinigungsverfahren, also ein Art Wettbewerber für Envirochemie.
Klatten selbst redet von einem langfristigen Investmentansatz, den sie nur im Fall von Altana über Bord warf. Skion-Sprecher Jörg Appelhans sagt: 'Im Investmentfokus der Skion stehen innovative Rohstoffkreisläufe und industrielle Anwendungen'. Es gehe um Produkte und Verfahren, die Ressourcen schonen, sich an Werten orientieren und auf Dauer angelegt sind. 'Wir wollen kein Quick Flip', fügt er hinzu. Quick Flip bedeutet schnelles Überfliegen, wird bei Computern auch für ein Überschneiden von Bildern und Text benutzt.
Die Philosophie der BMW-Erbin erinnert an die Ideen des Öko-Visionärs Michael Braungart. 'Cradle to Cradle' heißt sein Prinzip, das man Wiedergeburt nennen könnte. Er propagiert, alle Produkte so herzustellen, dass sie vollkommen kompostierbar sind oder in wiederverwertbare Teile zerlegt werden können.
Die Bad Homburger Skion beschäftigt nur wenige Leute, versteht sich aber nicht als typische Beteiligungsgesellschaft. Vielmehr gehe es um rein industrielle Investitionen. Klatten mischt sich - wie die Beispiele Altana und SGL zeigen - zunehmend selbst ein und übernimmt Verantwortung. Zum Teil arbeitet sie auch Seite an Seite mit ihrem Ehemann Jan Klatten und seiner Firma Momentum. Das gesamte Vermögen von Klatten wird auf zehn Milliarden Euro geschätzt. Zusammen mit ihrem Bruder Stefan und ihrer Mutter Johanna kontrolliert sie fast die Hälfte des BMW-Konzerns.
Bei Envirochemie, einer Firma mit 370 Mitarbeitern, soll das Management an Bord bleiben und auch seine bisherige Beteiligung von 25 Prozent behalten. Die Kartellbehörden und die politischen Gremien der Stadt Darmstadt müssen dem Deal noch zustimmen.
Helga Einecke, Süddeutsche Zeitung, Donnerstag, den 22. August 2013, Seite 19
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