Die Liebesgeschichte von Claude und Isabel Wiseler Chamber-Präsident Claude Wiseler und Europaparla

Jan 12, 2025 18:25

Die Liebesgeschichte von Claude und Isabel Wiseler

Chamber-Präsident Claude Wiseler und Europaparlament-Abgeordnete Isabel Santos Lima sind seit über 40 Jahren verheiratet. Dies ist ihre Lovestory.

Es ist eine universelle Wahrheit, die fast so alt ist wie die Menschheit selbst: Wir erkennen oft erst dann, was uns ein Mensch bedeutet, wenn das Leben uns von ihm trennt. Es ist, als bräuchten wir die Entbehrung, um zu erkennen, dass die Distanz nicht nur schmerzhaft, sondern auch unhaltbar ist.

Genauso gibt es Menschen, die sich ein ganzes Leben lang fragen, was gewesen wäre, hätten sie sich damals getraut, ihre Gefühle zu offenbaren. Besser versuchen als zweifeln, besser scheitern als es nicht versuchen, dachte ein junger Luxemburger, der das Leben besser aus Büchern als aus eigener Erfahrung kannte, so auch die „Condition humaine" des französischen Schriftstellers André Malraux, eines der Autoren, die ihn am meisten geprägt haben.

Claude Wiseler war 18 Jahre alt und schlug sich mit zahlreichen Zweifeln herum sowie der Gewissheit, dass er sich in einem dieser Momente befand, in denen sich das Schicksal unversehens wenden kann. Sie wohnten im selben Viertel, gingen in dieselbe Schule, sie hatte seine Mutter als Lehrerin, und er das Gefühl, ihr schon einmal begegnet zu sein, wenn auch nur auf dem Schulweg. Seine und Isabels Familie lebten im Stadtteil Belair in der Hauptstadt des Großherzogtums, nur durch ein paar Häuser voneinander getrennt, aber irgendwie war es, als lebten sie in verschiedenen Welten, die sich jeden Tag überschnitten. Isabel war die Tochter portugiesischer Einwanderer, Claude der Sohn zweier Luxemburger.

Isabels Beziehung zu ihren Eltern basierte von klein an auf Offenheit und Kommunikation. Einige Jahre später sollte dies den beiden jungen Liebenden sehr helfen.

An einem seltsam ungenauen Tag im Jahr 1964 erklärt Isabels Vater ihr, dass er gehen muss. Im Zuge der großen Migrantenwelle der 1960er-Jahre sucht er zunächst in Frankreich nach dem sprichwörtlichen „besseren Leben“. Er hatte eine Adresse in Thionville, in der Nähe von Luxemburg, und ein leeres Arbeitsversprechen. Doch bei seiner Ankunft wird ihm gesagt, dass die Arbeit rar sei und in keinem Verhältnis zu der Anzahl der Menschen stehe, die nach einer Stelle suchten. Vielleicht sei es besser, sein Glück anderswo zu versuchen. Und so führt das Schicksal den Maler nach Luxemburg.

Er zögert nicht lange (neun Monate), um seine Frau und seine Tochter zu sich ins Großherzogtum zu holen. Der erste Wohnsitz der Familie Santos Lima in Luxemburg befindet sich in Zessingen, wo Isabel zu einem jungen Mädchen heranwächst, während sich ihre Mutter um den Haushalt kümmert.

In diesem Haus „feierte ich meinen vierten Geburtstag, den ersten Geburtstag, den ich in Luxemburg feierte, praktisch ein Jahr nach meiner Ankunft hier“, erinnert sich Isabel. „Wenn ich mich recht entsinne, habe ich Taschentücher aus Portugal bekommen. Die konnten nur von meinen Großeltern oder Paten kommen. Zu Ostern schickte mir meine Großmutter immer Mandeln. Es war so eine Freude, diese Geschenke mit der Post zu erhalten.“

Kurze Zeit später musste ihre Großmutter die Mandeln jedoch an eine andere Adresse schicken. Die Familie zog nach Belair, einen anderen Stadtteil von Luxemburg-Stadt. „Wir führten ein sehr friedliches und ruhiges Leben dort. Ich hatte das Glück, eine sehr glückliche Jugend zu haben“, erinnert sie sich.

Claude, der zwei Jahre älter als Isabel ist, erinnert sich vage daran, dass er sie als kleines Mädchen vorbeigehen sah. Sein Vater war Lehrer für Naturwissenschaften (Chemie) und später Direktor für Berufsbildung im luxemburgischen Bildungsministerium. Seine Mutter war Lehrerin. Eine Zeit lang sogar die von Isabel.

Die Tatsache, dass er der Sohn zweier Lehrer war, blieb nicht ohne Folgen: „Die Schule war immer der Mittelpunkt unserer Gespräche zu Hause. Ich hatte keine andere Wahl, als ein guter Schüler zu sein", amüsiert sich Claude Wiseler.

Damals war der Junge das einzige Kind in einer „ziemlich traditionellen" Familie, die im katholischen Sinne konservativ war, in der aber auch die Politik oft in den Familiengesprächen eine Rolle spielte. „Mein Großvater und mein Urgroßvater waren Gemeindevorsitzende von Walferdingen, es gab also eine politische Tradition in unserer Familie. In der Politik wird aber nicht alles vererbt. Sie waren beide bei den Liberalen, also habe ich ein wenig mit der Familientradition gebrochen. Ich habe mich für die CSV entschieden, als sie zwischen 1974 und 1979 in der Opposition war.“

„Ich kompensierte das Einzelkindsein, indem ich viele Freunde fand und in zahlreichen Vereinen mitmachte, wie bei den Pfadfindern und der JEC (Katholische Studentenjugend). Einsame Momente füllte ich mit Lesen aus. In meiner Jugend habe ich viel gelesen. Diese Angewohnheit habe ich bis heute beibehalten. Ich habe fast immer ein Buch bei mir und lese, wann immer ich einen freien Moment habe. Das ist eine meiner großen Freuden.“ Eine andere ist das Reisen, das er in seiner Jugend entdeckte, ohne zu wissen, dass die schwierigste Reise seines Lebens nicht lange auf ihn warten sollte. Claude war 18 Jahre alt, Isabel 16.

Keiner der beiden erinnert sich an den genauen Zeitpunkt, aber sie wissen noch, dass es einen Moment gab, in dem sie sich nicht mehr wie Kinder ansahen, die am selben Ort aufgewachsen waren, sondern wie Mann und Frau. „Wir trafen uns als Teenager im Kolléisch (Athénée). Am ersten Tag unseres gemeinsamen Abenteuers teilte sie mir mit, dass sie und ihre Eltern eine Woche später Luxemburg endgültig verlassen würden, um nach Lissabon zurückzukehren“, erinnert sich Claude.

Isabel ergänzt: „Wir waren in der gleichen Grundschule, aber ohne es zu wissen. Wir kannten uns nicht. Wir sind uns ein paar Jahre vor diesem Moment begegnet. Aber unsere Geschichte begann erst eine Woche vor meiner Abreise nach Portugal. Wir haben beschlossen, zusammenzubleiben."

Isabel nahm die Nachricht von ihrer Rückkehr nach Portugal mit einer Mischung aus Freude und Traurigkeit auf. „Ich bin hier aufgewachsen. Die Realität, die ich kannte, waren die Ferien in Portugal. Ich fuhr gerne in den Urlaub, aber ich kam auch gerne zurück. Nach der Revolution war ich froh, nach Portugal zurückkehren zu können. Vor dem 25. April sprach niemand davon, nach Portugal zurückzukehren, niemand. Danach gab es aber nur wenige Familien, die nicht darüber nachgedacht haben.“

„Ich war verzweifelt", erinnert sich Claude. „Und ich beschloss, dass ich mir mein Glück nicht nehmen lassen würde.“ Nach einem aufschlussreichen Gespräch mit seinen Eltern packte er seinen Rucksack und stieg in den Zug nach Lissabon. Zwei Wochen war es her, dass Isabel mit ihren Eltern nach Portugal aufgebrochen war. „Zwei Tage im Zug, ohne Schlaf und in völliger Unwissenheit darüber, was Portugal war, was mich erwartete, ängstlich darüber, wie ich empfangen werden würde.“

„In meinen Augen gab es in Lissabon, einer geschichtsträchtigen Stadt, so viel zu entdecken.“ Auf dem Weg vom Bahnhof bis zum Senhor Roubado stellte Claude jedoch fest, dass „die Lebensbedingungen rund um die Hauptstadt schwierig waren, in einer fast ländlichen Umgebung. Ich war sehr überrascht über den Unterschied zwischen der Stadt Lissabon und ihrer Umgebung".

Endlich angekommen, klingelt er an der Tür. Auf der anderen Seite hört Isabel zwar das Klingeln, öffnet aber nicht, da sie nichts von diesem Besuch weiß.

Isabels Eltern hingegen gehen zur Tür und entdecken einen Jungen mit einem Rucksack auf dem Rücken, der vage vertraut aussieht. Claude erinnert sich an diesen Moment, als wäre es gestern gewesen: „Ich war einfach nur glücklich. Aber da Isabel nicht wusste, ob und wann ich komme, hatte sie ihren Eltern nichts gesagt. Ich konnte die Ungläubigkeit in den Augen der Eltern sehen, als sie sahen, wie ein junger Mann, den sie nie zuvor gesehen hatten, an der Tür klingelte, unerwartet hereinstürmte und verkündete, dass er der Freund ihrer Tochter sei."

„Isabel war ein Einzelkind und ihre Eltern sehr beschützend. Und wenn sie schon überrascht war, können Sie sich die Reaktion ihrer Eltern vorstellen. Ich fühlte deutlich, dass sie sich fragten: ,Wer ist dieser Typ? Was will der denn? Er sieht überhaupt nicht portugiesisch aus, er spricht kein Portugiesisch‘." Es versteht sich von selbst, dass Isabel ihnen diese heikle Situation erklären musste. „Nach einer langen Erklärung wurde ihnen klar, dass sie keine andere Wahl hatten, als mich bei sich aufzunehmen."

„Claude sagte mir, dass er mich in Portugal treffen würde, aber ich wusste nicht, ob er wirklich kommen würde und schon gar nicht wann“, erinnert sich Isabel mit einem Lächeln. Doch wenn Claude hoffte, dass die Dinge von diesem Zeitpunkt an einfach sein würden, so war das nicht der Fall. Auf ihn warteten ein paar Gläser Wein - und ein riesiger Familienclan.

Nach einer langen Erklärung wurde ihnen klar, dass sie keine andere Wahl hatten, als mich bei sich aufzunehmen.

„Allein väterlicherseits gab es sieben Geschwister, die alle in der Nähe wohnten“, erzählt Isabel. In diesen drei Wochen hat Claude viel gelernt: „Innerhalb einer Woche habe ich die ganze Familie kennengelernt. Ich nahm ein paar Kilo zu und lernte meine ersten Worte Portugiesisch.“ Da es viele Cousins gab, die alle im gleichen Alter waren, waren die Verbindungen trotz der schwierigen Sprache schnell geknüpft. Und nachdem er vom Rest der Familie akzeptiert worden war, hatten Isabels Eltern keine große Wahl mehr. Claude fühlte sich schließlich wie zu Hause, was ihm auch heute noch, mehr als vierzig Jahre später, passiert, wenn er nach Portugal reist.

Die Entscheidung des Paares ist einstimmig, und dieses Mal mehr aus Wunsch als aus Notwendigkeit: Sie wollen beide nach Luxemburg zurückkehren. Diesmal gibt es keine versteckten Tränen. Isabel bleibt noch ein paar Monate länger in Portugal, um ihre Sekundarschulbildung abzuschließen. Zu dieser Zeit schreibt sich das Liebespaar viel. Und sie verabreden sich nicht in Luxemburg, sondern in Paris, wo Claude Wiseler mittlerweile an der Sorbonne Literatur studiert.

„Ein Jahr später kam Isabel zu mir, um ihr Literaturstudium - Lettres modernes - an der Sorbonne Nouvelle Paris III zu beginnen. Wir hatten alles, um glücklich zu sein“, so Claude.

Zurück in Luxemburg „heirateten wir, bekamen unser erstes Kind und ich begann sofort zu unterrichten", erklärt Isabel Wiseler-Santos Lima. Claude Wiseler kehrte derweil an den Ort ihrer (zumindest offiziellen) Begegnung zurück, ebenfalls um zu unterrichten.

Er blieb bis 1988 Sprachlehrer, war aber bereits als Berater der luxemburgischen Regierung für Bildungsfragen tätig, eine Funktion, die er bis 1999 ausübte, als er in den Gemeinderat in Luxemburg-Stadt und 2004 in die Abgeordnetenkammer gewählt wurde, wo er von seiner langjährigen Partei, der CSV, wiedergewählt wurde, zu deren Generalsekretär er 1995 avancierte und deren Vorsitz er zwischen 2021 und 2023 innehaben sollte.

Anschließend bekleidete er verschiedene Ministerposten, beide in der Regierung von Jean Claude-Juncker. Im November 2023 wurde er zum Präsidenten der Abgeordnetenkammer gewählt, ein Amt, das er bis heute innehat. Er ist ein diskreter Freund des portugiesischen Staatspräsidenten Marcelo Rebelo de Sousa, den er bei jedem seiner Besuche in Portugal trifft.

Und es vergeht kein Jahr, in dem er nicht dorthin reist, nicht zuletzt, weil das Paar ein Haus in Sintra besitzt. „Ich habe den jetzigen Staatspräsidenten in den 1990er-Jahren kennengelernt, als er Vorsitzender der PSD und ich Generalsekretär der CSV war. Wir halfen der PSD dabei, der Europäischen Volkspartei beizutreten, unterzeichneten ein Kooperationsabkommen zwischen unseren beiden Parteien und organisierten damals gemeinsame Wahlkampfveranstaltungen. Danach blieben wir in Kontakt und ich freue mich immer, wenn ich die Ehre habe, ihn wieder zu treffen.“

Isabel Wiseler-Santos Lima war viele Jahre lang, von 1990 bis 2019, Französischlehrerin am privaten Gymnasium Fieldgen. Zuvor hatte sie sich jedoch ebenfalls den Reihen der CSV angeschlossen. Wie sie sich erinnert „war das politische Bewusstsein in mir fast von Geburt an vorhanden". Die reine Politik „kam aber erst später, im Gemeinderat von Luxemburg-Stadt“. Diese Wahl erfüllte sie mit Stolz, als Portugiesin und Luxemburgerin. „Das ist eine Frage des Vertrauens. Und etwas ganz Besonderes. Aber auch ins Europaparlament gewählt worden zu sein, ist ein wahr gewordener Traum, der zuvor unmöglich schien.“

Isabel und Claude haben drei Kinder und drei Enkelkinder, die über die ganze Welt verstreut sind: „Marc arbeitet in Dublin für Adobe. Er ist mit einer Irin verheiratet und seine Tochter heißt Sadie. Cathy ist Diplomatin und arbeitet derzeit in der ständigen Vertretung Luxemburgs in Straßburg. Frank arbeitet in Washington DC für Amazon. Er ist mit einer Kanadierin verheiratet und hat zwei Kinder, Luca und Ella."

Dieser Artikel erschien zuerst in einer längeren Fassung bei Contacto. Bearbeitung: Nathalie Roden.

Luxemburger Wort 12.1.2025

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