Star-Regisseur Thomas Jolly, ein Peter Pan für die Abschlussfeier Den Louvre im Blick, die Académie

Aug 10, 2024 17:13

Star-Regisseur Thomas Jolly, ein Peter Pan für die Abschlussfeier

Den Louvre im Blick, die Académie Française im Rücken - so tanzte sich Aya Nakamura bei der olympischen Eröffnungsfeier in die Herzen von einer Milliarde Fernsehzuschauer. Die weltweit bekannteste französische Sängerin präsentierte in Begleitung der republikanischen Garde ein Medley eigener Songs und der Lieder des Chansonniers Charles Aznavour. Die Idee zu dieser genialen Verbindung zwischen Alt und Neu hatte Thomas Jolly, der künstlerische Leiter der Zeremonie. Der 42-Jährige hatte nicht nur mit Nakamura, sondern mit dem gesamten dreieinhalbstündigen Spektakel auf der Seine viel gewagt und viel gewonnen. 86 Prozent seiner Landsleute fanden die kreative, freche Feier rund um die Geschichte Frankreichs gelungen.

„Frankreich ist Diversität“, hatte Jolly im Vorfeld gesagt. Diese Verschiedenartigkeit zelebrierte er nicht nur mit Nakamura, sondern auch mit Axelle Saint-Cirel, einer schwarzen Sängerin, die im blau-weiß-roten Kleid vom Dach des Grand Palais die Nationalhymne sang. Oder mit den Dragqueens und queeren Menschen, die auf der Fußgängerbrücke Passerelle Debilly ein Festmahl nachstellten. „Ich wollte etwas sehr theaterhaftes machen, eine Hommage an das Marionettentheater mit viel Schminke und Übertreibungen“, erklärte Jolly hinterher im Fernsehen.

Für sein gewagtes Konzept musste der Theatermacher und Schauspieler allerdings auch heftige Kritik einstecken, hauptsächlich von rechtsextremen Kreisen und der katholischen Kirche, die in der Szene auf der Passerelle Debilly eine Verunglimpfung des letzten Abendmahls sah. Dabei wollte Jolly ein griechisches Bankett zeigen mit Dionysos, dem Gott der Feste, im Mittelpunkt. „Man wird bei mir nie einen Wunsch finden, andere lächerlich zu machen oder sie herabzusetzen. Ich wollte eine Zeremonie, die repariert, die versöhnt und die die Werte unserer Republik unterstreicht“, erwiderte er die Kritik.

In den Tagen nach der Eröffnungsfeier erhielt der Star-Regisseur Hassbotschaften und Morddrohungen in den sozialen Netzwerken. Präsident Emmanuel Macron zeigte sich „schockiert und traurig“ über die Angriffe. Jolly reagiert sensibel auf solche Attacken, seit er als Jugendlicher wegen seiner Homosexualität verhöhnt wurde. Jeden Tag sei er mit einem mulmigen Gefühl in die Schule gegangen, erinnerte er sich in einem Interview. Erst in der sechsten Klasse eröffnete ihm die Theater-Gruppe eine andere Welt. Das Theater ließ den Sohn eines Druckers und einer Krankenschwester, der in einem kleinen Dorf in der Normandie aufwuchs, seither nicht mehr los.

Jolly reagiert sensibel auf die Morddrohungen. Als Jugendlicher wurde er wegen seiner Homosexualität verhöhnt.

Nach dem Studium begann er beim staatlichen Theater der Bretagne, wo sich der damalige Leiter François Le Pillouër an ihn erinnert: „Er hatte etwas von Peter Pan. Die Liebe zum Theater leuchtete aus seiner Persönlichkeit und er schaffte es, die anderen mitzureißen“, sagte Le Pillouër der Zeitung „Le Monde“. Er wolle das Theater für möglichst viele Menschen zugänglich machen, wiederholt Jolly unermüdlich. Bei der Eröffnungsfeier der Olympischen Spiele hatte er das größtmögliche Publikum: 320.000 Zuschauerinnen und Zuschauer entlang der Seine.

Wie in einen Zauberkasten griff der jungenhaft wirkende Theatermann dabei zu vielen ungewöhnlichen Mitteln: Musik, Spezialeffekte, Lichtshows und Kostüme. Die Ausstattung der Sängerinnen geriet so spektakulär, dass die Kleider von Nakamura, Saint-Cirel und Céline Dion, die auf dem Eiffelturm Edith Piafs „Hymne à l’amour“ sang, nun im Dior-Museum ausgestellt werden.

Jolly, der 2022 den Auftrag bekommen hatte, bei allen Zeremonien der Olympischen Spiele Regie zu führen, präsentiert noch drei weitere Spektakel: Die Schlussfeier am Sonntag sowie Eröffnung und Abschluss der Paralympischen Spiele. Für Sonntag berichtet die französische Presse von einem Stunt des US-Schauspielers Tom Cruise an der Fassade des Stadions Stade de France. Eine spektakuläre Szene, die an Hollywood erinnern soll, jenen weltberühmten Stadtteil von Los Angeles, wo die nächsten Olympischen Spiele stattfinden.

Christine Longin, Luxemburger Wort 10.8.2024

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