Wandelbares Luxemburg: Hier entstanden unvergessliche Filmszenen Im Film ist alles möglich - selbs

Jun 27, 2024 14:48

Wandelbares Luxemburg: Hier entstanden unvergessliche Filmszenen

Im Film ist alles möglich - selbst der spektakuläre Sturz eines Autos in die Tiefen des Stausees. Staunenswerte Filmdrehs im Großherzogtum auf einen Blick.

Venedig-Filmszenen, die in Esch/Alzette gedreht worden sind, Christopher Lee, der als Sherlock Holmes im Großherzogtum ermittelte, und die Mosel-Stadt Remich, die für kurze Zeit als Markt in Tel Aviv fungierte: Wer glaubt, dass ausschließlich in Luxemburg spielende Produktionen wie die Erfolgsserie „Capitani“ (Samsa Film) hierzulande entstanden sind, der täuscht sich.

Denn kaum ein anderes Medium als der Film weiß sein Publikum derart in neue Realitäten zu entführen und Illusionen zu schaffen. Bis heute dient das Großherzogtum regelmäßig als Kulisse und Drehort für internationale Koproduktionen - auch wenn der Ansturm größerer Filmgesellschaften aus den USA und dem UK sich in den vergangenen Jahren etwas gelegt hat.

Wie Illusionen im Film entstehen und wie entscheidend der Einfluss des Dekors ist, erklärt der Historiker und Filmexperte Paul Lesch dem „Luxemburger Wort“. Ein Blick auf Luxemburgs außergewöhnlichste Schauplätze in der Filmkunst:

Sechs Jahre verfügte das Großherzogtum über sein eigenes, kleines Venedig: Von 2001 bis 2007 ragte aus dem „Rout Lëns“-Gelände in Esch ein imposanter Nachbau eines Viertels der italienischen Lagunenstadt hervor - mitsamt einem Kanal. Die berüchtigte Kulisse wurde für Ademir Kenovics „Secret Passage“ (2004), der von der ehemaligen Luxemburger Filmgesellschaft Delux Productions koproduziert wurde, angefertigt.

Später diente das sogenannte „Venise-sur-Alzette“, das, wie Paul Lesch präzisiert, ein „mittelalterliches Venedig“ darstellte, für weitere Produktionen wie Michael Radfords „The Merchant of Venice“ (2004) mit Al Pacino in der Hauptrolle. Doch nicht nur der „Godfather“-Darsteller drehte in Luxemburgs Südmetropole, auch Scarlett Johansson stattete dem Großherzogtum in den frühen 2000er-Jahren einen Besuch ab.

Für ihre Rolle als Griet in Peter Webbers „Girl with a Pearl Earring“ (2004) reiste die US-amerikanisch-dänische Schauspielerin gemeinsam mit Oscar-Preisträger Colin Firth nach Esch - denn die Venedig-Kulisse kam ebenfalls für die Koproduktion zwischen Luxemburg, Frankreich, Belgien, den USA und den UK zum Einsatz. Diesmal diente das Dekor mit 22.000 Quadratmeter Fläche als die niederländische Kanalstadt Delft. Paul Lesch konkretisiert: „Hierfür hat es gereicht, einige Fassaden neu zu bekleiden - und schon hatte man die Kulisse, die gebraucht wurde.“

Denn kaum ein anderes Medium als der Film weiß sein Publikum derart in neue Realitäten zu entführen, und Illusionen zu schaffen.

Ebenfalls „De-Lovely“ (2004) von Irwin Winkler machte sich „Venise-sur-Alzette“ zu eigen. Mit den Jahren setzte das Wetter der Kulisse allerdings stark zu: Unter anderem die Fassaden begannen zu bröckeln. Doch genau das war es, was der Luxemburger Künstler und Regisseur Antoine Prum für sein Filmprojekt „Mondo Venezinao - High Noon in the Sinking City“, das er 2005 auf der Kunstbiennale in Venedig präsentierte, benötigt hat.

Zwar hat es hierzulande seitdem keinen derartig monumentalen Kulissenbau im Freien mehr gegeben. Dennoch stellt sich die Frage, wieso Filmcrews für solche Produktionen nicht in der Lagunenstadt selbst drehen. „Weil es einfacher war, die Szenen in Luxemburg aufzunehmen“, erklärt der ehemalige CNA-Direktor Lesch. „Selbstverständlich kann man in Venedig drehen, dort entstehen auch regelmäßig Filmaufnahmen. Doch es ist enorm kompliziert: Das ganze Material muss auf Booten transportiert werden und jeden Tag strömen Millionen Touristen durch die Stadt.“

Weniger aufwendig als der Nachbau Venedigs, aber mit ebenso trügerischer und mächtiger Wirkung, sind die Szenen, die an bestimmten Orten Luxemburgs gedreht wurden, die im Film jedoch in weit entfernten Städten wie Tel Aviv oder New York spielen. Das Kino trickst eben, wo es kann und erzeugt somit Illusionen, die durch bestimmte Techniken noch verstärkt werden. Dazu trage etwa die Montage bei, wie Paul Lesch betont.

John Glens „The Point Men“ (2001), der von der heute nicht mehr existierenden luxemburgischen Filmgesellschaft Carousel Picture Company mitproduziert wurde, zeigt in einer Szene beispielsweise den Pausenhof des Lycée des Arts et Métiers in Limpertsberg, spielt allerdings in New York.

„Zuerst blendet der Film die typischen gelben New Yorker Taxis ein, während im Hintergrund Hip-Hop zu hören ist. Diese Tonspur geht dann in die nächste Szene über, die wiederum hier in Limpertsberg gedreht wurde. Musik und Geräusche kurbeln die Illusionen im Film maßgeblich weiter an“, so der Filmhistoriker Lesch.

Für denselben Actionfilm mit Christopher Lambert und Kerry Fox in den Hauptrollen fungierten verschiedene Schauplätze Luxemburgs ebenfalls als die israelische Millionenstadt Tel Aviv: In Remich wurden etwa Szenen auf einem orientalischen Markt gedreht und die Entbindungsstation des Centre Hospitalier de Luxembourg verwandelte sich in die Zentrale des israelischen Geheimdienstes.

Für diesen Film habe man laut Paul Lesch stets einige Palmen aufgestellt, um die passende Atmosphäre zu schaffen. „Solche Accessoires kommen recht oft zum Einsatz. Wenn sich Elemente im Bild befinden, die die raumzeitliche Logik stören, werden diese entweder mit Teilen des Dekors überdeckt oder die Bildeinstellung wird angepasst. Die Kameraperspektive kann auch Elemente verstecken. Genauso die Beleuchtung.“ Gelegentlich reiche es allerdings auch, sowie in „The Point Men“ kleine Details einzufügen: Und schon wird der Luxemburger Bahnhof nach Zürich verlegt.

Dass manche Orte oder bestimmte Straßen im Großherzogtum wie aus der Zeit gefallen wirken, spielt einigen Filmemachern ebenfalls in die Karten. So entstand in der Rue Pasteur in Esch die Eröffnungsszene für Peter Sasdys „Sherlock Holmes and the Leading Lady“ (1991) und stellt Wien 1910 dar.

Auch die Avenue de la Liberté in Luxemburg-Stadt benutzte man gerne als Paris - so auch in Anthony Wallers Horrorkomödie „American Werewolf in Paris“ (1997). „Heute wäre so etwas nicht mehr möglich“, bedauert Paul Lesch. Die Tram würde die Illusion, der Filme spiele sich tatsächlich in Paris ab, rauben. „Wenn man Glück hat, findet man Außenschauplätze, die mehr oder weniger an das rankommen, was die Zuschauer als Realität wahrnehmen.“

Natürliche Schauplätze wie der Luxemburger Stausee erkennen wachsame Augen ebenfalls in einigen Produktionen wieder - etwa in Geoff Murphys Sci-Fi-Thriller „Fortress 2“ (2000). Für die Koproduktion zwischen Luxemburg und den Vereinigten Staaten wurde eine Flucht mit dem Hubschrauber über dem größten See Luxemburgs gedreht.

Eindruck hinterlassen hat sicherlich auch die Unfall-Szene auf der Autobrücke oberhalb von Lultzhausen: Für „The Way to Dusty Death“ (1995) mit „Terminator“-Darstellerin Linda Hamilton und Désirée Nosbusch, die derzeit als Regisseurin ihr Spielfilmdebüt beim Filmfestival in München gibt, ließ man ein Fahrzeug in die Tiefen des Stausees stürzen. „Das Auto hatte man damals ganz entkernt“, erinnert sich Paul Lesch.

Vor rund zehn Jahren war „Harry Potter“-Star Emma Watson für Dreharbeiten im Müllerthal zu Besuch. Der von der Luxemburger Filmgesellschaft Iris Productions koproduzierte Film „Colonia“ (2015), in dem Vicky Krieps ebenfalls mitwirkte, wurde unter anderem beim Wasserfall Schiessentümpel aufgenommen.

Nur kurze Zeit später, im Jahr 2014, entstanden dort zudem Aufnahmen mit Moritz Bleibtreu und Jürgen Prochnow, die hier für Stephan Ricks „Die dunkle Seite des Mondes“ (2016) vor der Kamera standen. Der Film basiert auf Martin Suters gleichnamigem Roman aus dem Jahr 2000.

Nicht nur historische Filme sind in der Produktion besonders aufwendig - hier muss genaustens auf jedes Detail geachtet werden -, auch Fantasyfilme, die gerne in historisch behafteten Stätten angesiedelt werden, benötigen adäquate Dekors und Kostüme. Das Schloss in Vianden, das zu den bedeutendsten Denkmälern Europas zählt, diente in den frühen 2000er-Jahren gleich mehrfach als Drehort für internationale Koproduktionen. Peter Hyams’ Abenteuerfilm „The Musketeer“ (2001) mit Catherine Deneuve, Justin Chambers und Tim Roth entstand in Teilen in dem prestigeträchtigen Schloss.

Regisseur und Drehbuchautor Tom Reeve machte sich für „George and the Dragon“ (2004), für den auch Stausee-Aufnahmen gebraucht wurden, ebenfalls das Viandener Schloss als Drehort zunutze. „Dirty Dancing“-Schauspieler Patrick Swayze verkörpert in dem Fantasyfilm, der fast durchgängig in Luxemburg aufgenommen wurde, den Ritter Garth. Auch die kanadisch-amerikanische Fernsehserie „Dracula“ (1990) wurde in Vianden gedreht.

Doch nicht nur das Schloss Vianden, sondern auch das Schloss respektive die Burg Brandenburg, von dem heute in erster Linie Ruinen übriggeblieben sind, wurde um die Jahrtausendwende zur Kulisse für „Shadow of the Vampire“ (2000). Für das Werk schlüpfte Willem Dafoe, der ab kommender Woche in Giorgos Lanthimos’ „Kinds of Kindness“ auf der großen Leinwand zu sehen ist, in die Rolle eines Vampirs. John Malkovich spielt den deutschen Regisseur Friedrich Wilhelm Murnau - auf dessen Filmdreh von „Nosferatu - Eine Symphonie des Grauens“ (1922) referiert „Shadow of the Vampire“.

Während Studioaufnahmen in Luxemburg immer üblicher werden, gehen Filmdrehs großer internationaler Koproduktionen hierzulande allmählich zurück. Die damaligen Filmgesellschaften zog es damals unter anderem wegen steuerlicher Vorteile, aber auch wegen der Landschaft und Architektur nach Luxemburg. Das sei, so Paul Lesch, auf das damalige Tax-Shelter-Gesetz, das heute nicht mehr gilt, zurückzuführen.

Dennoch bleibt das Großherzogtum weiterhin ein beliebter Drehort; denn auch hochmoderne, nüchterne Bauten, wie die in Kirchberg, dienen in Produktionen wie „Bad Banks“ (2017) als ideale Kulisse. Und auch in den 2020er-Jahren entstehen in Luxemburg immer noch Filme, wie der von Amour Fou koproduzierte „Der Passfälscher“ (2022), der unter anderem auf dem „Arcelor Mittal“-Gelände in Esch gedreht wurde, und in Deutschland 1942 spielt.

Nora Schloesser, Luxemburger Wort 26.6.2024

film, steichen, luxembourg, wort

Previous post Next post
Up