Jan 30, 2024 11:21
Dialog der Generationen Soziologe Heinz Bude: „Boomer“ haben gelernt, mit unklaren Situationen umzugehen
Jüngere Generationen werfen den sogenannten Boomern, also den Menschen mit Jahrgängen zwischen 1955 und 1970 vor, ihr verschwenderischer Lebensstil habe zu den aktuellen Problemen wie Klimawandel, Ressourcenknappheit, Vermüllung geführt. Der emeritierte Soziologe Heinz Bude rät in seinem Buch „Abschied von den Boomern“ zu einem differenzierten Blick auf das Erbe der Boomer.
Die Zeit, in der die die Boomer pauschal kritisiert wurden, ist nach Ansicht von Heinz Bude schon wieder vorbei. Denn die Jüngeren merkten, dass die Boomer noch gebraucht werden: Im Gesundheitssystem, als Anwälte, Lehrer. „Man trauert den Boomern noch ein wenig nach“, meint der Soziologe über den Stand des Generationen-Dialogs.
Die Befindlichkeit der Boomer bezeichnet Bude, selbst Jahrgang 1954, als gespalten: Einerseits seien sie froh, nichts mehr mit dem 2. Weltkrieg zu tun zu haben: Sie wüssten, dass das Schlimmste hinter ihnen liege, spitzt Bude das Gefühl zu. Andererseits wüssten sie, dass es zu viele ihresgleichen in ihrer Alterskohorte gebe.
Auch sei dieser Generation klar, dass sie von der Beschleunigung der Lebensverhältnisse in den 1950ern und 1960ern profitiert hätten. „Sie sind natürlich eine Generation, die Ressourcen in großem Umfang vernutzt hat“, bestätigt Bude die Kritik an der „Vernutzung“ von Ressourcen.
Das „Contra“ der Kinder und Enkel habe in der Boomer-Generation nicht zuletzt eine Selbstreflexion angestoßen: „Sie weiß, dass sie ihren Kindern nicht auf der Tasche liegen kann“, so Heinz Bude. Der gemeinsame Nenner aus seiner Sicht: „Verantwortung wird großgeschrieben.“
Der Generationendialog zeige aber, dass umgekehrt auch die Jüngeren sich dafür interessieren, von den Boomern zu lernen. Konkret, so Bude mit Hinweis auf Katastrophen wie Tschernobyl oder 9/11: „Dass plötzlich etwas hereinbrechen kann, was Lebensformen verändert.“
Das Paradox sei, dass dies nicht das Ende der Welt bedeute, sondern dass es trotzdem weitergehen könne. Prägnant zugespitzt könne man die generationelle Erfahrung der Boomer auf den Nenner bringen: „Sie sind geschult, mit einer unklaren Situation umzugehen.“
Abschied von den Boomern
Autor: Prof. Heinz Bude
Verlag: Hanser Literaturverlage
Erscheinungsdatum: 29. Januar 2024
ISBN: 978-3-446-27986-5
Professor Heinz Bude wurde 1954 in Wuppertal als Sohn eines Schreiners geboren und sieht sich selbst als Bildungsaufsteiger. Er studierte zunächst Katholische Theologie, dann Philosophie, Soziologie und Psychologie in Tübingen und Berlin. Von 2000 bis 2023 war Bude Professor für Makrosoziologie an der Universität Kassel. Er hat zahlreiche Bücher veröffentlicht, darunter „Deutsche Karrieren“ (1987), „Gesellschaft der Angst“ (2014), „Solidarität“ (2019).
SWR 2 29.1.2024
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