Frankenkönig Dagobert I. Er kannte nicht einmal alle Namen seiner Konkubinen Als der Merowinger Dag

Jan 23, 2024 16:42

Frankenkönig Dagobert I. Er kannte nicht einmal alle Namen seiner Konkubinen

Als der Merowinger Dagobert I. König der Franken wurde, beseitigte er zunächst einige Familienmitglieder. Später verlor er sich in „Luxuria“ und starb im Januar 639. Dennoch ging er als „guter König“ in die Geschichte ein.

Von Florian Stark

Dagobert I., König der Franken (608/10-639), war vielleicht 30 Jahre alt, als er am 19. Januar 639 in Épinay-sur-Seine unweit Paris starb. Das Datum wurde zum Ausgangspunkt für zwei bemerkenswerte Karrieren. Zum einen gelang es von da an dem Clan der Pippiniden, sich das Amt des Hausmeiers, der vom Verwalter des königlichen Haushalts zum Regierungschefs wurde, fast ununterbrochen zu sichern und damit die Grundlagen einer neuen Königsdynastie zu legen, der Karolinger. Zum anderen wurde Dagobert der Inbegriff des „guten Königs“.

Das war er zu Lebzeiten gewiss nicht gewesen. Der Sohn Chlothars II. war zwischen 15 und 20 Jahre alt gewesen, als er 629/30 die Hälfte von dessen Königreich erbte. Die andere Hälfte war seinem jüngeren Bruder Charibert (II.) zugedacht. Umgehend machte sich Dagobert daran, dieses Vermächtnis zu seinem Vorteil zu revidieren. Zunächst speiste er seinen Bruder, der als „simplex“ (einfältig) galt, mit dem Unterkönigtum für Aquitanien ab. Dann ereilte seinen Onkel Brodulf, der sich auf die Seite Chariberts geschlagen hatte, ein gewaltsamer Tod. Und schließlich sprang auch Chariberts kleiner Sohn über die Klinge. Das hatte durchaus Tradition. Auf diese Weise löste man in der Familie der Merowinger Erbstreitigkeiten.

So gelang es Dagobert in kurzer Zeit, die Herrschaft über das gesamte Frankenreich an sich zu reißen. Das reichte damals von den Pyrenäen bis an den Rhein und gliederte sich in die drei großen Teilreiche Neustrien im Nordwesten, Austrien oder Austrasien am Rhein und Burgund, denen die Aquitanier, Thüringer und Alamannen in wechselnden Konstellationen untergeordnet waren. Dieses Großreich ging auf die Eroberungen Chlodwigs (466-511) zurück, war aber unter seinen Nachfolgern nach dem fränkischen Erbrecht wiederholt geteilt worden.

Energisch setzte Dagobert deutliche Zeichen, dass er mit der Herrschaft über das Gesamtreich ernst machte. Auf einem großen Umritt ließ er sich vom Adel Neustriens und Burgunds huldigen. In Austrien, dass schon früher gern ein Eigenleben geführt hatte, drängte der Adel jedoch darauf, wieder einen eigenen Unterkönig zu erhalten. Es sagt einiges über die Machtverhältnisse und die Möglichkeiten des Frankenkönigs aus, dass Dagobert dem stattgab und seinen 630 geborenen Sohn Sigebert mit der Krone betraute.

Dass Dagobert seine Residenz von Rouen nach Paris verlegte, könnte als Absage an die Politik seines Vaters verstanden werden. Von geradezu historischer Bedeutung wurde die Entscheidung, in Saint-Denis nördlich von Paris eine Kathedrale zu errichten, die dem Heiligen Dionysius geweiht war, dem Schutzpatron von Paris. Sie sollte nicht nur Dagoberts Grab aufnehmen, sondern wurde ab dem 10. Jahrhundert zum Bestattungsort fast aller französischen Könige.

Dagobert unternahm zunächst große Anstrengungen, die Macht des Königtums zu stärken, indem er versuchte, neue Einkommensquellen zu erschließen. Auch als Gesetzgeber setzte er Zeichen, indem er „viele Übeltäter mit dem Schwert hinrichten“ ließ, heißt es in einer Quelle. Mit der Entmachtung seines mächtigen Hausmeiers Pippin musste dessen Klan zunächst einen empfindlichen Rückschlag hinnehmen. Aber der Widerstand des Adels versteifte sich. Mit Chlodwig musste er einen weiteren Sohn zum Unterkönig für Neustrien und Burgund einsetzen.

Ein Feldzug gegen das Reich des Samo in Mähren geriet darüber hinaus zum Fiasko. Bei einem noch nicht lokalisierten Ort namens Wogastisburg musten die Franken eine vernichtende Niederlage hinnehmen. Daraufhin erhoben sich die Sorben, sodass zahlreiche Eroberungen im Osten verloren gingen.

Auf die Autoren der sogenannten Chronik des Fredegar geht die ungünstige Charakterisierung Dagoberts zurück, der sich nach seinen forschen Anfängen zunehmend in die „Luxuria“ zurückgezogen habe, den Müßiggang. Mit mehreren Ehefrauen und zahlreichen Konkubinen - von einigen soll er nicht einmal den Namen gekannt haben - habe er sich wilden Ausschweifungen hingegeben, heißt es. Ob das zu seinem frühen Tod beitrug, muss Spekulation bleiben.

Dagoberts Tod ermöglichte Pippin ein glänzendes Comeback, indem er das Amt des Hausmeiers für Sigibert übernahmen. Da in der Folgezeit vor allem merowingische Kindkönige die Krone trugen, konnten die (später sogenannten) Karolinger ihre Machtpositionen weiter ausbauen und faktisch zu Herrschern hinter dem Thron werden. Karl Matells Sohn Pippin der Jüngere setzte schließlich 751 den letzten Merowinger ab und etablierte die zweite Dynastie im Frankenreich, das unter Karl dem Großen zum Imperium aufstieg.

Im Wissen um diese Entwicklung machte Dagobert in der Rückschau eine erstaunliche Wandlung durch. Weil er der letzte Herrscher gewesen war, der die Macht des Königtums im gesamten Reich einigermaßen durchgesetzt hatte, wurde er zum „guten König“, der beispielhaft für seine Untertanen gesorgt hatte und dem Land Wohlstand und Frieden bescherte. Dieses Bild nahm das Lied „Le bon roi Dagobert“ auf, mit dem während der Französischen Revolution Königtum und Adel verspottet wurden.

Dieser Artikel wurde erstmals im Januar 2022 veröffentlicht.

Welt 23.1.2024

pfalz, franken, geschichte, frankreich

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