Tadao Ando Campus: Dieses spektakuläre Architektur-Projekt wird Düsseldorfs neue grüne Oase Er soll

Dec 27, 2022 12:06

Tadao Ando Campus: Dieses spektakuläre Architektur-Projekt wird Düsseldorfs neue grüne Oase

Er soll dem projektierten Tadao Ando Campus in Düsseldorf Atem einhauchen. Wenn das jemand schafft, dann der Landschaftsplaner Enzo Enea.

Von Reinhard Krause

Enzo Enea kreiert in Düsseldorf ein spektakuläres Architektur-Projekt.

Die Anbindung ist optimal, einerseits. Die S-Bahn hält gleich ums Eck, zwei Bundesstraßen und mehrere Verkehrsadern kreuzen sich quasi vor der Haustür. Und das ist, andererseits, auch das gewaltige Problem: Das Mörsenbroicher Ei nördlich der Düsseldorfer Innenstadt gilt als verlässlicher Kandidat, wenn es um horrende Staumeldungen geht. Selbst an den Wochenenden fließt der Verkehr hier enervierend zäh; keinem Expert:innenteam ist es in den vergangenen Jahrzehnten gelungen, diesen gordischen Knoten der Düsseldorfer Verkehrsplanung zu durchschlagen. Doch nun soll, wenn es nach der Vision eines Investors geht, der Euro Atlantic AG, alles besser werden am - oder zumindest mitten im - Ei. Ein bislang vor allem als Parkplatz genutztes Areal soll neu bebaut werden, ein „Campus“ mit Restaurants, Cafés und einem Museum entstehen, dazu sollen ein Ärztehaus, Co-Working-Spaces und nicht zuletzt ein „Hyatt Place“-Hotel mit 300 Zimmern einziehen. Die unwirtliche Problembrache könnte so zu einem Schmuckstück aufgewertet werden - dank eines echten Dreamteams aus Architekt und Landschaftsplaner: Tadao Ando und Enzo Enea.

Natürlich war es ein Coup, Tadao Ando für die Planungen zu gewinnen. Japans Stararchitekt, der noch nie ein Hochhaus geplant hatte, tat nun genau dies: Er entwarf einen lang gestreckten, aus der Vogelperspektive fast schiffsartigen Baukörper, der auf der Nordseite im 125 Meter hohen Ando Tower seine Krönung finden soll. Einzigartig wird der Wolkenkratzer durch ein leicht diagonal ins Gebäude eingestecktes mehrgeschossiges Glasprisma, das in luftiger Höhe aus den Längsseiten auskragt. Eine spektakuläre Geste der Durchlässigkeit an einem Ort, an dem sonst so vieles stockt, der Verkehr wie die Atemluft. Als vielleicht noch wichtiger für das Gelingen des Großprojekts könnte sich am Ende aber erweisen, dass Enzo Enea hinzugezogen wurde. Dem Schweizer Gartenmagier aus Rapperswil-Jona, der auch Büros in Zürich, Brooklyn und Miami unterhält, kommt die Herkulesaufgabe zu, das allseitig vom Verkehr umtoste Areal in eine grüne Insel zu verwandeln. Bislang gibt es vor allem Renderings, doch die lassen sich tatsächlich als Signal für eine Wende lesen. Es hat den Anschein, als sei als Ausgleich für jeden überbauten Quadratmeter dieselbe Fläche Dachgarten geplant. Oder anders formuliert: als wären die Bauten im Grunde überdimensionierte Pflanztöpfe für Bäume und duftende Sträucher. Das fängt ebenerdig in der unmittelbaren Umgebung an, wo lange Eiben-Reihen einen schützenden Sauerstoffgürtel um die Blockbebauung legen. Beide Riegel der Neubauten sollen, höhenmäßig gestaffelt, Dachgärten erhalten, die große Aufenthaltsqualität versprechen. Angedacht sind neben Hecken und Wäldchen auch ein Seerosenbecken, ein Kräuterbeet und, ungewöhnlich in solch urbanem Kontext, ein Gemüsegarten.

Selbst das Rooftop in schwindelerregenden 125 Metern Höhe soll begrünt werden. Und das alles mit heimischen Pflanzen oder solchen, die mit den geänderten klimatischen Bedingungen hierzulande besonders gut klarkommen. Wie auch mit böiger Höhenluft. Die Rede ist von mehr als 275 Bäumen, angefangen bei immergrünen Pinien über Magnolien bis hin zu Linden, ja selbst Eichen - und vom ersten CO2-neutralen Bürokomplex der Welt. Bienen, Schmetterlinge und Vögel sollen ebenso den Weg über die vielspurigen Trassen finden wie, unterm Strich, die Menschen. Wagemutige Projekte zur Begrünung von Mammutgebäuden gibt es derzeit reichlich (etwa der Hochbunker an der Feldstraße in Hamburg oder das ehemalige Fernmeldehochhaus in Bielefeld), doch während manche Planung nach Wolkenkuckucksheim klingt, könnte der Tadao Ando Campus und Tower der schwierigen Ausgangslage zum Trotz grüne Wurzeln treiben - immerhin bringt Enzo Enea fast 30 Jahre Berufserfahrung mit (zuletzt gestaltete er die Gärten des „Mandarin Oriental“ in Beverly Hills). Und ein Team von 200 klugen Köpfen.

„Tiefgaragen sind praktisch - für Autos. Aber sie nehmen den Bäumen den Boden. Ein Baum ist ein Investment in etwas, das man nicht kaufen kann: Zeit!“

Enzo Enea

Enzo Enea im Interview mit AD

AD: Herr Enea, wie ist es, mit Tadao Ando zu arbeiten? Wie früh und intensiv wurden Sie in die Planungen eingebunden?
Enzo Enea: Der Entwurf von Tadao Ando wurde uns erstmals von den Bauherr:innen präsentiert. Wir sahen einen strengen, klassischen Garten im französischen Stil. Diese sehr formale Gestaltung war aber nicht das, was wir für das Projekt im Sinn hatten. Also haben wir einen Gegenvorschlag erarbeitet. Der überzeugte die Verantwortlichen und steht nun zur Ausführung bereit.

Das Mörsenbroicher Ei liegt citynah, ist verkehrsplanerisch aber ein gordischer Knoten, der nie durchschlagen wurde. Wie können Sie auf diese im Grunde lebensfeindliche Herausforderung mit Grün reagieren? Braucht es z.B. einen grünen Wall um das Areal?
Der Knoten ist für uns nicht zuletzt deshalb gordisch, weil sehr viele Kubikmeter verbaut wurden. Das Gebäude beansprucht viel Raum, der vermeintlich nicht als Grünfläche genutzt werden kann. Keine Grünfläche heißt: kein Sauerstoff. Darum dachten wir an einen Lebensraum, der uns wie kein anderer mit Sauerstoff versorgt - den Wald. So schaffen wir einen Gegenpol. Aber nicht nur in der Horizontalen! Durch die zusätzliche Nutzung der vertikalen Flächen als Waldboden können wir Lebensraum zurückerobern, an den der Mensch anknüpfen kann. Zu Ihrer Frage nach dem Wall: Ein Wall korrespondiert nicht mit unserem integrativen Anspruch. Wir möchten einbeziehen und die Lebensqualität verbessern. Darum haben wir uns für einen grünen Gürtel entschieden, der als Filter wirkt und das Stadt- und Mikroklima beeinflusst. Der grüne Gürtel wirkt positiv, wenn wir ihn durch die Fenster erblicken, allein schon der Farbe wegen, denn der Blick ins Grüne beruhigt nachweislich.

Hohe, begrünte Bauprojekte sind derzeit geradezu eine Mode. Wie kommen Gehölze überhaupt mit den klimatischen Bedingungen, in Sonderheit dem Wind klar? Haben Sie den Eindruck, dass bei solchen Projekten immer genügend Sachverstand am Werk ist?
Wir gehen immer vom Genius Loci aus. Die Vorgaben und Charaktereigenschaften eines Ortes bestimmen unsere Arbeit von der Gestaltung über die Planung bis zum Bau. In Ingenieursstudien erheben wir Daten zu Schattenwürfen, Sonnenständen, Windverhältnissen, Temperaturen, Gebäudeschatten, Niederschlagsmengen und Sonnenscheindauer. Diese Daten sammeln wir über Monate, zu verschiedenen Tageszeiten, in jeder Jahreszeit. So bekommen wir eine wissenschaftliche Analyse des Ortes, die unsere nächsten Schritte bestimmt. Alles mit dem Ziel, den geplanten Wald prosperieren zu sehen und über die Zeit immer schöner und größer werden zu lassen. Die erhobenen Daten sind wahre Augenöffner. In den USA messen wir auch die Abstrahlungstemperatur des Asphalts und der Glasfassaden. Dort sehen wir Werte bis 78,8 Grad Celsius. Dennoch, oder gerade hier, müssen wir Lösungen finden: Pflanzen wählen, die diese Extreme aushalten. Und bei allen Entscheidungen müssen wir uns immer schon die Zukunft vorstellen. Der Anspruch ist stets, ein Paradies zu erschaffen.

Auch das Licht ist ein wichtiger Faktor bei solchen Großbauten. Das verlangt nach einer frühen Einbeziehung der Gartenplaner:innen. Ist das Bewusstsein hierfür Ihrer Wahrnehmung nach in den letzten Jahren gestiegen?
Licht ist wichtig, aber auch das Wasser. Licht und Wasser gehören zusammen. Beide sind in der Konzeption von Großbauten zu berücksichtigen. Wir können mit unserer Arbeit, mit unserem Wissen und unserer Pflanzenwahl Wasser filtern und so weit säubern, dass in den Flüssen wieder gefischt werden kann. Genau darum geht es - die Ausgaben, die dafür aufgebracht werden, sind keine Kosten, es sind Investitionen, weil der Wert der Liegenschaft über die Zeit steigt. Ein Effekt, der sich schon mehrfach als Marketinginstrument für die Immobilienbewertung bewährt hat. Über die Jahre ist das Bewusstsein für die Einbeziehung der Landschaftsgestalter:innen gestiegen - aber wir stehen noch am Anfang. Angekommen sind wir erst, wenn alle beteiligten Branchen den Perimeter als Einheit verstehen, lesen und gestalten. Erst dann wird es zum Standardprozess gehören, die Landschaftsgestaltung von Anfang an miteinzubeziehen. Schlussendlich profitieren die Menschen vor Ort und das Mikroklima.

Auch Blickbeziehungen spielen eine Rolle. Inwieweit brauchen Sie und Ihre Mitarbeiter:innen architektonisches Know-how?
Ein:e Landschaftsarchitekt:in arbeitet zuallererst wie ein:e Künstler:in, der:die ein Landschaftsgemälde erstellt. Was die Architektur betrifft, ist unser Ziel, die Architektur zu umarmen, sie in die Landschaft zu integrieren. Dafür müssen wir die Architektur verstehen. Wie ist ihre Nutzung, welches sind ihre Funktionen, wie soll sie gelebt werden? Wie fühlt es sich an, auf sie zu, durch sie hindurch und aus ihr heraus in den Garten zu gehen? Wie ist es, sich in ihr aufzuhalten? Dieses Gefühl wollen wir mit dem Ort verbinden. Wir erheben den Anspruch, Tiefen aufzubauen und Mikroklimata zu integrieren. Um diese Aufgabe zu erfüllen, brauchen wir die passenden Aufbauten. Diese zu erkennen erfordert das Verständnis von Architektur. Nur so bringen wir Vitamine, Sauerstoff und Mikroklima ins Gelände. Tiefgaragen sind praktisch - für Autos. Aber sie nehmen den Bäumen den Boden. Auf den ersten Blick ist an Orten mit wenig Aufbauhöhe nicht mehr als eine Terrassenbepflanzung möglich. Versteht man jedoch die Architektur und die Statik, wissen wir, wie viel Erde wir zusätzlich auftragen können, um auch größeren Pflanzen und Bäumen genug Halt und somit eine Zukunft geben zu können.

Wie viel Meter Erdreich braucht denn ein durchschnittlicher Baum? Und wie kompliziert ist es, einen gebauten Untergrund nachhaltig gegen Wasserschäden abzusichern?
Im Schnitt zwischen einem und 1,50 Meter Erdvolumen. Zwingend ist, unverdichtete Böden zu schaffen. Ist zum Beispiel bei einer Tiefgarage weniger Volumen vorhanden, müsste man die gesamte Fläche aufbauen oder Parkplätze opfern. Genau hier stellen wir leider oft Kurzsichtigkeit der Investor:innen fest. Weniger Parkplätze - weniger Geld, lautet der erste Reflex. Ein Baum jedoch ist ein Investment in etwas, das man nicht kaufen kann: die Zeit. Was so ein Baum der ganzen Überbauung geben kann, ist unbezahlbar. Wie vermittelt ein:e Investor:in die Botschaft, dass er:sie Verantwortung gegenüber der Gesellschaft übernimmt? Mit… Parkplätzen?

Angeblich sollen am Tadao Ando Campus auch Nutzgärten entstehen. Inwieweit fällt das auch in Ihr Kerngebiet?
Nutzgärten sind für uns ein wichtiges Element, das wir in vielen Privatgärten einbauen. Aber nicht nur wir freuen uns über sie, auch die Tierwelt. Mit Rüben kann man Schmetterlinge anziehen, mit Brennnesseln Taubenschwänzchen. So entsteht genau die Biodiversität, die viele wollen und fordern. Nutzgärten sind ein cleverer Grundstein für mehr biologische Vielfalt - für uns und für kommende Generationen.

Als Alleinstellungsmerkmal des auf 125 Meter geplanten Ando Towers dient ein durch den Baukörper gesteckter gläserner Kubus. Gibt es dazu auf gartengestalterischer Seite ein grünes Gegengewicht?
Mit dem Architekt:innenteam wurde eine Lösung erarbeitet, die es ermöglicht, den Turm vertikal zu begrünen. Der Trick ist, Tröge etagenweise in die Fassade zu integrieren und mit einem ausgeklügelten Berankungssystem zu verbinden. Eine Lösung, die auf der Feldforschung der Hochschule Weihenstephan basiert.

Im langen, heißen Sommer war viel die Rede davon, dass die Städte sich auf den Klimawandel und die selteneren, aber umso heftigeren Regenfälle einstellen müssen. Inwieweit können Sie als Landschaftsplaner an der Seite von Architekt:innen an solchen Konzepten mitwirken?
Entscheidend fürs gute Stadtklima ist, Flächen zu schaffen, die viel Wasser aufnehmen können. Darum ist das Dach des Towers grün. Das Erdreich nimmt Wasser auf, das verdunstet. So entlastet man die Kanalisation bei Starkregen. Die Herausforderungen der Trockenperioden kann man mit der Pflanzenwahl meistern, die resistent sind und mit wenig Wasser auskommen. Der Eisenholzbaum ist so ein Baum. Er war unser Vertreter als Baum der Zukunft in der Landschaftsinstallation Isle of Trees auf der diesjährigen Art Basel.

Wie wichtig ist es, bei der Fertigstellung eines Projekts bereits einen „eingewachsenen“ Eindruck zu vermitteln?
Unser Anspruch ist es, Architektur und Landschaftsarchitektur zu verbinden. Treffen wir zum Beispiel auf große Glasfassaden, können wir ein Mikroklima aufbauen - aber nur mit angemessenen Bäumen, die entsprechend Schatten spenden. Die weitere Fläche kann jünger bepflanzt werden, ihr kann man mehr Zeit geben. Die wichtigen Punkte müssen jedoch definiert sein.

Viele Bauherr:innen wollen möglichst schnell einen fertigen Garten haben, schrecken aber davor zurück, entsprechend in ältere Pflanzen zu investieren. Sehen Sie irgendwo einen Kompromiss oder raten Sie einfach zu Geduld?
Der Kompromiss ist, gewisse Bäume größer zu pflanzen als andere. Unter den großen Bäumen kann man essen, schlafen, ein Buch lesen. Sie spenden sofort genügend Schatten. Andere Bäume können in Ruhe über 20 Jahre wachsen. Noch stärker ist dieser Effekt auf Terrassen. Dort ist die Sonnenein- und -abstrahlung intensiver und der Mehrwert eines größeren Baumes noch größer. Der Kompromiss bietet sich auch an, weil man, wie schon gesagt, eines nie kaufen kann: Zeit.

AD 23. Dezember 2022

architektur, öko, nrw, nentwig

Previous post Next post
Up