May 19, 2022 15:37
Desertec-Projekt Warten auf den Wüstenstrom
Es waren große Pläne: Solarkraftwerke in der Sahara, die Europa mit Energie beliefern. Die Kraftwerke werden gebaut, doch bislang kommt kein Wüstenstrom dort an. Ist das Desertec-Projekt gescheitert?
Von Thomas Bormann, ARD-Studio Kairo
Skaka, ein Ort im Süden Saudi-Arabiens, wo die Sonne heiß vom Himmel brennt. Der saudische Energieminister Prinz Abdelaziz bin Salman eröffnet das neue Solarkraftwerk. Sonnenkollektoren - so weit das Auge reicht. Sie bedecken eine Fläche von zwei mal drei Kilometern. Hier soll genug Strom produziert werden für 75.000 Haushalte. Und das Kraftwerk Skaka ist nur eines von vielen: Sieben weitere Kraftwerke, die mit erneuerbarer Energie betrieben werden, sollen bald im Königreich Saudi-Arabien eröffnet werden, kündigt der Minister stolz an.
Energie aus Sonne und Wind ist groß im Kommen - überall im Nahen Osten und in Nordafrika, von Marokko bis in den Oman. "Da explodieren die Projekte", sagt Paul van Son, Aufsichtsratsvorsitzender der Firma DII Desert Energy, die von München und Dubai aus an der Energiewende im Nahen Osten und Nordafrika arbeitet. "Erneuerbare Energien sind eindeutig die Zukunft für diese Region."
Der holländische Energie-Manager war von Anfang an bei Desertec dabei. Er sieht das Projekt nicht als gescheitert an. Desertec habe aber damals, im Jahr 2008, so eine Art Geburtsfehler gehabt, sagt er: "Vor 14 Jahren etwa war man zu viel fokussiert auf Strom für uns in Europa oder in Deutschland."
In Ländern wie Marokko oder Ägypten kam die Idee nicht gut an - nämlich quasi vor der eigenen Haustür riesige Solarkraftwerke zu bauen, sie aber nicht selbst nutzen zu können. Denn der gewonnene Strom sollte ja nach Europa geschickt werden, während im eigenen Land, in Marokko oder in Ägypten, wegen der schlechten Energieversorgung dauernd der Strom ausfällt. Desertec wirkte für manche Kritiker wie ein Projekt aus der Kolonialzeit.
Die Desertec-Idee soll nun mit einer neuen Strategie umgesetzt werden. "Man kann nicht aus einem Gebiet exportieren, das noch nicht dafür fertig ist", so Paul van Son. "Man muss erst dafür sorgen, dass die lokale Stromversorgung funktioniert, dass auch der Energie-Mix hauptsächlich emissionsfrei ist. Und bald ist es so weit, dass man sagen kann: Wir haben auch Überschüsse, und die Region kann exportieren."
Marokko, Algerien, Ägypten - überall gehen Sonnenkraftwerke und Windkraftanlagen ans Netz. Die Firma Desert Energy tritt dabei nicht selbst als Investor auf. Sie berät, sie sieht sich als "Möglichmacher". "Wir schieben da Projekte an oder wir bewegen auch Regierungen dazu, dass die die ganze Energiewende beschleunigen", sagt van Son.
Längst sind die Emirate wie Dubai oder Abu Dhabi im Wettstreit mit Saudi-Arabien, wer die Nummer Eins ist bei erneuerbaren Energien in der arabischen Welt. Öl ist endlich, die Sonne nicht. Und Sonnenenergie lässt sich in der Wüste besonders günstig gewinnen, zu extrem niedrigen Preisen. Der saudische Energieminister Prinz Abdelaziz spricht sogar von einem Weltrekord: "Es kostet in diesem Solarkraftwerk lediglich 1,04 US-Cent, um eine Kilowattstunde Strom zu produzieren. Meine Kollegen hier im Energie-Sektor und ich - wir sagen der Welt: Wir sind der günstigste, der fähigste und der effizienteste Energie-Standort weltweit."
Das klingt selbstbewusst. "Saudi-Arabien hat das sehr wohl verstanden, dass diese Transition, diese Wende, dass das die Zukunft für Saudi-Arabien ist", sagt van Son. Energiewende auf Arabisch - mit dem Ziel, auch nach dem Öl-Zeitalter noch Energie zu exportieren. Schon bald will Saudi-Arabien mit Hilfe von Sonnenenergie Wasserstoff herstellen und diesen dann auch nach Europa liefern.
Die Vision von Desertec würde sich dann doch noch erfüllen - und auch in Deutschland ließe sich der Energiehunger mit Strom aus der Wüste stillen.
Thomas Bormann, ARD Kairo, 16.5.2022
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