Warum Porsche plötzlich E-Bikes baut Nach Harley-Davidson hat auch Porsche angekündigt, bald Elekt

Oct 25, 2021 11:10

Warum Porsche plötzlich E-Bikes baut

Nach Harley-Davidson hat auch Porsche angekündigt, bald Elektrofahrräder zu verkaufen. Dahinter steckt mehr als Imagepflege.

Von Christoph M. Schwarzer

Die Marke Cyklaer ist neu. Im September auf der Messe Eurobike und kurz danach auf der IAA Mobility hat der Fahrradhersteller eine Produktreihe vorgestellt. Alles ist vom Feinsten: Der Rahmen und die Gabel sind aus Karbon gefertigt. Der Antrieb für die elektrische Unterstützung kommt von Fazua und ist der Inbegriff für Leichtbau bei Pedelecs. Und weil Fahrradfahren in der Großstadt ein Risiko sein kann, haben die Modelle von Cyklaer vorne und hinten eine Kamera. Ab rund 7.000 Euro sind die E-Bikes zu haben.

Das Besondere sind die Unternehmen, die hinter Cyklaer stecken: Neben Storck, einer etablierten und szenebekannten Firma aus Idstein, ist Porsche der entscheidende Initiator hinter dem Projekt. Genau genommen die Porsche Digital GmbH, die dafür sorgt, dass alle Software-Features per drahtlosem Update - also wie bei Tesla - auf dem aktuellen Stand bleiben. Warum betreibt Porsche diesen Aufwand?

"Die Autoindustrie hat begriffen, dass die Mobilitätswelt im Wandel ist", sagt Burkhard Stork, Geschäftsführer des Zweirad-Industrieverbands (ZIV). "Wenn Porsche und andere Hersteller aktiv werden, geht es um die Diversifizierung der eigenen Produktpalette, um sich auf diese Veränderung vorzubereiten."

Eigentlich hat die Verbindung aus Auto- und Fahrradbau Tradition. Opel zum Beispiel war über Jahrzehnte ein erfolgreicher Fahrradhersteller. Und Peugeot geht so weit, die eigene Zweiradgeschichte zu wiederholen: Mit der Legend-Baureihe verkauft Peugeot jene schlanken und eleganten Räder als replizierte Neuware, mit denen die Franzosen in den Achtzigerjahren brilliert haben.

Trotzdem hat das Engagement der Autoindustrie derzeit eine neue Qualität: "Ich beobachte vor allem bei den Zulieferern eine große Ernsthaftigkeit", sagt Stork vom ZIV. Die Zulieferer, das sind zum Beispiel Bosch, Mahle und Brose. Alle drei bieten Antriebe für Pedelecs an. Das ist nicht nur finanziell, sondern auch fürs Image ein Gewinn. Schließlich hat Bosch die Einspritztechnik geliefert, mit der Volkswagen beim Dieselmotor betrogen hat. Mahle, ein weltweites Synonym für den Bau von Kolben für Verbrennungsmotoren, baut mit dem X35 einen der wenigen Elektroantriebe, die beim Leichtbau mit Fazua mithalten können. Und Brose, dem Ursprung nach ein Zuliefererbetrieb für Fensterhebermotoren, sorgt unter anderem bei der kalifornischen Marke Specialized für elektrischen Vortrieb.

Die Autoindustrie betreibt den Fahrradbau also eindeutig nicht mehr nur als Hobby oder als Accessoire. "Das Fahrrad war lange Teil eines emotionsbasierten Merchandisings", sagt Autoindustrieexperte Stefan Bratzel, Professor an der FHDW Aachen. Neuerdings gehe es darum, "Mobilität breiter zu denken, auch wenn der Umsatz gering ist". Natürlich werde dabei Geld verdient, aber am wichtigsten sei die Imagepflege, sagt Bratzel.

Wie viel die Autohersteller mit E-Bikes verdienen, ist nicht bekannt und dürfte je nach Modell variieren. Die Palette reicht vom Cargo- bis zum Gravel Bike. Teil dieses Trends ist inzwischen sogar Harley-Davidson. Für das US-Unternehmen dürfte es bis vor Kurzem undenkbar gewesen sein, Fahrräder herzustellen. Man produziert Motorräder, die Ausdruck des US-amerikanischen Patriotismus sind, eine stolze Geschichte haben, sehr teuer und manchmal zu laut sind.

Dass Harley-Davidson mit dem Serial 1 ein Pedelec vorgestellt hat, das ähnlich wie die Motorräder etwas übergewichtig ist und barock wirkt, ist mutmaßlich der Nachfrage geschuldet: Es gibt in den USA und dem Rest der Welt eine junge und kaufkräftige Kundschaft, die keine Lust aufs echte Motorrad hat. In Portland in Oregon zum Beispiel nimmt man das Fahrrad.

Den Schwierigkeiten bei den Lieferketten zum Trotz erlebt der deutsche Fahrradmarkt einen Boom. Gut fünf Millionen wurden 2020 laut ZIV auf die Straße gebracht. Durchschnittspreis: 1.279 Euro. Knapp 39 Prozent davon waren E-Bikes. Daran wollen die Autohersteller teilhaben.

Zum Erfolg der E-Bikes hat auch eine gesetzliche Maßnahme beigetragen, die aus dem Automarkt bekannt ist: das Dienstrad. Präziser formuliert: die weitgehende Steuerbefreiung von Firmenfahrrädern. Selbstständige können für Arbeitszwecke E-Bikes und Räder anschaffen. Und jedes Unternehmen kann seinen Mitarbeiterinnen ein Zweirad für die Pendelstrecke zur Verfügung stellen. Wer so ein Dienstrad auch privat nutzen will, was sinnvoller ist, als diverse Zweiträder zu betreiben, musste das früher als geldwerten Vorteil versteuern. Seit 2019 aber ist die Privatnutzung eines Firmenrads bei Selbstständigen auf Initiative des Bundesverkehrsministeriums nicht mehr steuerpflichtig. Das gilt auch für Angestellte, die es als zusätzlichen Gehaltsbestandteil erhalten.

Diese Regelung führt dazu, dass luxuriöse Pedelecs wie die von Cyklaer und Porsche oder von Riese & Müller problemlos an die Frau und den Mann gebracht werden können. Viele Kunden sind es vom Auto ohnehin gewohnt, in monatlichen Leasingraten zu rechnen. So ergeben sich zweistellige Beträge, die subjektiv niedrig sind, auch wenn die objektive Differenz zu einem Kleinwagen durch die neuen Luxus-E-Bikes stetig kleiner wird.

Zeit 20. Oktober 2021

auto, umwelt, klima, mobilität

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