Nov 15, 2020 14:01
China gründet weltgrößte Freihandelszone
Während die USA eine „Entkoppelung“ von China verfolgen, schließt Peking ein großes Freihandelsbündnis mit wichtigen Volkswirtschaften in der Asien-Pazifik-Region. Wird die Gruppe auch Europa überholen?
(dpa) - Ungeachtet des Handelskonflikts mit den USA hat China mit 14 asiatisch-pazifischen Staaten das größte Freihandelsabkommen der Welt abgeschlossen. Nach achtjährigen Verhandlungen erfolgte die Unterzeichnung am Sonntag zum Abschluss des virtuellen Gipfels der südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean in Vietnams Hauptstadt Hanoi. Die „regionale, umfassende Wirtschaftspartnerschaft“ oder RCEP, wie der Pakt abgekürzt wird, umfasst 2,2 Milliarden Menschen und rund ein Drittel der weltweiten Wirtschaftsleistung.
Das Abkommen verringert Zölle, legt gemeinsame Handelsregeln fest und erleichtert damit auch Lieferketten. Es umfasst Handel, Dienstleistungen, Investitionen, E-Kommerz, Telekommunikation und Urheberrechte. RCEP steht für „Regional Comprehensive Economic Partnership“. Neben der zweitgrößten Volkswirtschaft China und den zehn Asean-Staaten Vietnam, Singapur, Indonesien, Malaysia, Thailand, Philippinen, Myanmar, Brunei, Laos und Kambodscha beteiligen sich auch Japan, Australien, Südkorea und Neuseeland.
Gerade vor dem Hintergrund des laufenden Handelskrieges mit den USA ist der Freihandelspakt ein großer Erfolg für die kommunistische Führung in Peking. Das Abkommen wird nach Ansicht von Experten die wirtschaftliche Integration in der Asien-Pazifik-Region voranbringen und protektionistischen Tendenzen entgegenwirken. Die RCEP-Staaten standen vor der Corona-Krise für 29 Prozent des weltweiten Handelsvolumens - etwas weniger als die EU mit 33 Prozent. Der Anteil der RCEP-Gemeinschaft dürfte aber steigen, wie Experten erwarten.
„RCEP wird die wirtschaftliche und strategische Landkarte des Indo-Pazifiks neu zeichnen“, sagte Jeffrey Wilson vom Australischen Strategischen Politik-Institut (ASPI). Der Freihandelspakt sei von „massiver Bedeutung“. Er werde auch den Bemühungen für eine wirtschaftliche Erholung nach der Pandemie „einen Anschub geben“.
Der Einigung waren 31 Verhandlungsrunden vorausgegangen und 18 Ministertreffen. Sechs Mal waren selbst auferlegte Fristen nicht eingehalten worden. Am Ende hing das Abkommen besonders an Indien, das sich nicht so weit öffnen wollte. Indem sich Neu Delhi aber Ende vergangenen Jahres aus den Verhandlungen zurückgezogen hatte, wurde der Weg geebnet für die Einigung.
Mit dem Pakt bildet sich neben der Gemeinschaft des anderen asiatisch-pazifischen Freihandelsabkommens, der CPTPP abgekürzten „Umfassenden und fortschrittlichen Vereinbarung für eine Trans-Pazifische Partnerschaft“, eine weitere Freihandelszone. CPTPP repräsentiert aber nur 13 Prozent der globalen Wirtschaftsleistung. Es ist von dem ehrgeizigeren Vorhaben der Transpazifischen Partnerschaft (TPP) übrig geblieben, nachdem US-Präsident Donald Trump die USA 2017 aus dem Abkommen zurückgezogen hatte.
Obwohl die Asean-Gespräche nur virtuell geführt wurden, nahm Trump auch das dritte Jahr in Folge nicht an dem Gipfel teil. Während die USA unter ihm an Gewicht in der Asien-Pazifik-Region verloren haben, streckt China mit dem neuen Freihandelspakt seinen Einfluss noch weiter aus. RCEP ist weitreichender als CPTPP, geht allerdings nicht so tief, wie Experten schildern. Die trans-pazifische Partnerschaft CPTPP zwischen Australien, Brunei, Kanada, Chile, Japan, Malaysia, Mexiko, Neuseeland, Peru, Singapur und Vietnam ist bislang von sieben Staaten ratifiziert und umfasst 480 Millionen Menschen.
Ob sich die USA unter dem neuen Präsidenten Joe Biden wieder der trans-pazifischen Partnerschaft anschließen werden, wofür auch die Zustimmung des Kongresses erforderlich wäre, muss sich zeigen. Experten wiesen darauf hin, dass beide Freihandelspakte nicht in Konkurrenz zueinander stehen und sich eine Mitgliedschaft nicht gegenseitig ausschließt. Vielmehr funktioniere das neue RCEP-Abkommen mit China ergänzend. So gehören Japan, Vietnam, Singapur, Brunei, Malaysia, Australien und Neuseeland beiden an.
Der neue Freihandelspakt bedeutet allerdings nicht, dass alle Probleme zwischen den Handelspartnern beseitigt wären oder dass einzelne Länder nicht mit Sorge auf die wachsende Abhängigkeit von China blickten. So überprüft Japan gerade seine Lieferketten in China. Auch gibt es Konflikte zwischen Australien und China, weil Peking wegen politischer Spannungen Importe aus Australien beschränkt.
Die Einigung demonstriert gleichwohl, dass asiatisch-pazifische Volkswirtschaften der von den USA unter Trump propagierten technologischen und wirtschaftlichen „Entkoppelung“ von China sehr skeptisch gegenüberstehen.
Wort Online 15.11.2020 (16.11.2020)
Asien schafft größte Freihandelszone der Welt
Unter der Führung Chinas entsteht ein Markt von mehr als zwei Milliarden Menschen - ohne die EU und die USA
München - An diesem Sonntag haben 15 Regierungsvertreter in der vietnamesischen Hauptstadt Hanoi ein Handelsabkommen unterzeichnet, das zahlreiche aufstrebende asiatische Märkte verbinden und die Welt verändern soll. Die neue Handelszone mit dem Namen Regional Comprehensive Econmic Partnership (RCEP) vereint neben den Asean-Staaten auch Japan, Südkorea, Australien, Neuseeland und vor allem China. Die RCEP soll unter anderem den Handel mit Waren und Dienstleistungen regeln und Urheberrechte schützen. Das gesamte Handelsvolumen der RCEP-Staaten wird zwölf Billionen Dollar jährlich überschreiten.
Die Association of Southeast Asian Nations (Asean) ist ein Zusammenschluss der südostasiatischen Länder Indonesien, Vietnam, Thailand, Philippinen, Singapur, Brunei, Malaysia, Laos, Myanmar und Kambodscha. Sie wurde in den 1960er-Jahren gegründet, um einen politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Dialog zu ermöglichen. Im Rahmen einer Jahresversammlung der Asean, die virtuell stattfand, wurden nun acht Jahre dauernde Verhandlungen der Asean-Länder und ihrer mächtigen Nachbarn besiegelt.
Auch Indien war lange beteiligt, zog sich aber etwa ein Jahr vor Vertragsunterzeichnung zurück. Die indische Regierung hält an ihrer restriktiven Gesetzgebung zu Investitionen und Handel fest. Auf diese Weise werden die etwa 70 Millionen Kleinhändler geschützt, die einen großen Teil des indischen Mittelstandes ausmachen. Vor allem das dominante Auftreten Chinas in Fragen von Wirtschaft und Politik in der Region ist ein wachsendes Problem für die indische Regierung. Doch auch ohne den Wirtschaftsraum Indien, der später noch dazustoßen soll, ist die RCEP größer als alle anderen Freihandelszonen und umfasst knapp 30 Prozent des gesamten Welthandels. Ein Drittel der Erdbevölkerung lebt in der neu entstandenen RCEP-Region.
Was dort an Standards festgelegt wird, dürfte bald auch in der EU zur Norm werden. Während etwa in Deutschland noch gegen die technischen Notwendigkeiten demonstriert wird, die das 5G-Netz möglich machen, wird es in asiatischen Ländern zur Voraussetzung, um an schnellen und reibungslosen Datentransfers teilzunehmen. Das betrifft Krankenhäuser genauso wie Banken, Smartphones, ebenso wie das autonome Fahren der Zukunft. Sollten also deutsche Autohersteller versuchen, sich einen eigenen Standard auszudenken, könnte es sein, dass sie auf den gesamtasiatischen Märkten nicht mehr kompatibel wären. Allein das Markenprestige wird die Kunden in Bangkok, Hongkong oder Manila nicht davon überzeugen, ein teures deutsches Auto zu kaufen.
US-Präsident Donald Trump hatte 2017 einen anderen Handelspakt zwischen den USA und den Asean-Staaten platzen lassen, die „Trans-Pacific-Partnership“. Wer auch immer künftig im Weißen Haus die Geschäfte führt, könnte nun befürchten, die heimische Industrie werde sich nach den Vorgaben der RCEP verhalten. Das gilt vor allem für die Software-Giganten im Silicon Valley. David Pfeifer, Süddeutsche 16.11.2020
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