Heroes of Olympus | Piper/Jason, pre-Hazel/Frank/Leo | PG | AU | Deutsch Big Bang 2017 | 15.09.17
Titel: Worst-Case-Szenario
Fandom: Heroes of Olympus, SciFi-AU
Autorin:
der-jemandKünstlerin:
NyxPairing: Piper/Jason, pre-Leo/Frank/Hazel
Genre: self-indulgent Vorabend-SciFi-Trash
Rating: ab 6 Jahren? Nichts, was im Vorabend-Programm nicht ginge.
Wörter: nicht ganz 14.000
Zusammenfassung: Hazel Levesques Bruder ist verschwunden. Sie bittet ihren Ex-Kollegen Jason Grace, der inzwischen Teil der unfähigsten Kopfgeldjäger-Crew diesseits des Mediterraneum ist, um Hilfe. Weil niemand in dieser Crew (oder dieser Geschichte) einen Selbsterhaltungstrieb hat, finden sie sich bald in unkartiertem Raum wieder und es wird nur schlimmer von da an.
Warnungen: nicht grafische Gewalt in Nebensätzen, Anspielungen und Zitate
Link zur Fanart:
Big Bang Tumblr-TagSonstiges: Ich habe noch nie so viel nicht-wissenschaftlichen zusammengehörigen Text geschrieben und das ist ziemlich cool. Ansonsten ignoriert die Fic und konzentriert euch ganz auf das phantastische Fanart! ♥
Disclaimer: Die Killik sind bei Star Wars geklaut und Arkyn bei Killjoys. Für das traditionelle
Expletives in Space bediene ich mich überall. Und A‘s Hi-Fi Serious ist möglicherweise das beste Album aller Zeiten.
Worst-Case-Szenario
Intro
"Ich nehme was er hat." Jason ließ sich auf einem Barhocker nieder und deutete auf den Drink des Mannes zu seiner Linken. "Das sieht gut aus."
Sein Sitznachbar wandte sich, offensichtlich genervt, zu ihm um, aber sobald er Jasons schiefes Grinsen sah, entspannte er sich sichtlich. Er lächelte sogar.
Ha! Du schuldest Piper zehn Credits, Grace, verkündete Leo gutgelaunt über den Comlink und Jason konnte nur mühsam ein genervtes Aufstöhnen unterdrücken. Stattdessen verzog er etwas verschämt das Gesicht und zuckte mit den Achseln. "Sehr plump?"
Das Lächeln des Mannes wurde noch ein Stück breiter und Lachfältchen bildeten sich an seinen Augen. Er sah gut aus. "Nur ein bisschen."
"Sorry."
"Ach Quatsch. - Der geht auf mich." Er schob dem Kellner, der grade den beunruhigend grünen Cocktail vor Jason abgestellt hatte, eine Währungskarte hin. "Erick."
Jason schüttelte die ihm angebotene Hand. "Jason." Wenn alles nach Plan verlief, hatte er keinen Grund, es seinem Gegenüber gleich zu tun und einen falschen Namen zu verwenden. Natürlich lief es nie nach Plan, aber man sollte die Hoffnung ja nicht aufgeben.
Erick (oder Ethan Nakamura laut seinem Steckbrief) hielt Jasons Hand einen Moment länger als nötig und biss sich auf die Unterlippe, als er ihn dann doch losließ. „Freut mich, Jason. Was bringt einen Kerl wie dich-“ Er musterte Jason von Kopf bis Fuß und zog eine vielsagende Augenbraue hoch. „Auf eine schäbige Station wie diese?“
Alter, hat er das grade echt gesagt?!
Jason musste Nakamura zugestehen, dass er es schaffte, seine lahmen Sprüche beinahe charmant klingen zu lassen. Beinahe.
„Arbeit.“ Er war ein beschissener Lügner, wie Piper so richtig bemerkt hatte, das einfachste war, so nah wie möglich an der Wahrheit zu bleiben.
Nakamura grinste. „Arbeit. Klar. Weil es so viel ehrliche Arbeit in diesem Quadranten gibt.“
Der Typ hat die merkwürdigste Art zu flirten, ever, kommentierte Leo. Bring es endlich hinter dich, Grace, der killt mein ganzes Mojo.
Und es ist kalt hier draußen, fügte Piper hinzu.
Allein dafür ließ sich Jason Zeit dabei, seinen Cocktail zu schlürfen. Man sollte so Dinge nicht überstürzen. „Arbeit ist Arbeit“, stellte er fest und schenkte Nakamura ein verschwörerisches Lächeln. „Aber wo wir schon beim Thema sind: Mein Hotelzimmer läuft auf Spesen.“
Respekt. Hast du Piper auch so rumgekriegt?
Nakamura grinste breit. „Na, wenn es auf Spesen läuft...“ Er erhob sich und bot sogar Jason eine Hand an. Wirklich ziemlich charmant für einen gesuchten Terroristen, dachte Jason, bevor etwas in seinem Gesicht explodierte.
Jahrelanges Training gewann die Oberhand, und noch bevor er wieder klar sehen konnte, hatte er seinem Angreifer einen Kinnhaken verpasst, der ihn zurück und gegen die Bar taumeln ließ. Jason rollte seine Schulter, ignorierte das Knacken und holte wieder aus, aber eine zweite Person hatte sich an seinen Arm geklammert.
„Jason, nicht!“
„Erick?“
Nakamura ließ seinen Arm los, aber schob sich trotzdem vor Jasons Angreifer. „Lass ihn, bitte, das ist mein Ex...“
„Was soll das heißen?!“ Der andere Mann, groß und blond -- und Kriff, Piper hatte recht, Nakamura hatte eindeutig einen Typ --, hatte sich inzwischen wieder aufgerappelt. Blut lief ihm aus dem Mundwinkel und er konnte sich kaum auf den Beinen halten. Er war deutlich schmächtiger, als Jason nach dem ersten Schlag erwartet hatte.„Ex?!“
„Octavian, bitte.“
Octavian schnaubte bloß und stieß sich an Nakamura vorbei, um sich wieder vor Jason aufzubauen. „Dir werd ich‘s zeigen, sich an den Freunden anderer Leute zu vergreifen!“ Seine Stimme überschlug sich beinahe, aber nicht einmal das konnte den imperialen Akzent verbergen. Definitiv Akademieabsolvent, seine Aussprache klang wie Jasons es getan hatte bevor er zu viel Zeit mit zwei wahnsinnigen Danaern verbracht hatte. Interessant. Nakamura und Leute wie Octavian verkehrten eigentlich nicht in den selben Kreisen. Oder Quadranten.
Octavian holte erneut aus und Jason hob den linken Arm in einen nachlässigen Block, Nakamura fluchte und dann fühlte sich Jasons ganzer Körper an, als stände er in Flammen. Dankenswerterweise nur für einen Sekundenbruchteil, dann wurde alles schwarz.
###
„Hervorragend. In wie vielen Bars hat Jason jetzt Hausverbot?“
Piper zuckte lediglich unbekümmert mit den Achseln. „Es hätte viel schlimmer ausgehen können, wenn ich dich an Budapest erinnern darf. - Diesmal kommt er immerhin auf Kaution raus.“
„Ja, aber es hätte auch so viel besser ausgehen können“, befand Leo. „Zum Beispiel hätten wir tatsächlich das Kopfgeld kassieren können, hinter dem wir her waren. -- Okay, ja, ich weiß, ich bin ein hoffnungsloser Optimist. - Man sollte meinen, dass er bei diesen Wangenknochen ein deutlich besserer Lockvogel ist...“
Piper hatte die Füße auf dem Tisch des Wartezimmers liegen und kippelte auf dem Stuhl. Jetzt lehnte sie sich gefährlich weit nach hinten um Leo, der hinter ihr an der Wand lehnte, einen fragenden Blick zuwerfen zu könnnen. „Valdez, versuchst du grade meinen Freund zu beleidigen oder ihn anzugraben?“
Leo streckte ihr äußerst erwachsen die Zunge raus. „Ich bin da flexibel. Was auch immer funktioniert.“
Bevor Piper dazu ihre Meinung äußern konnte, öffnete sich die Sicherheitsschleuse und die Wachen stießen Jason, ein wenig zerzaust und mit einem beeindruckenden blauen Auge, zu ihnen in den Warteraum. Mit einem Zischen schloss sich die Schleuse wieder und Jason hob die Hand in einem nachlässigen Salut. „Danke für die Gastfreundschaft.“
Deutlich verlegener wandte er sich zu seinen beiden Partnern um. „Nun, das lief nicht so gut wie erhofft.“
„Ja, aber etwa so gut wie erwartet, Golden Boy.“ Leo schlang ihm einen Arm um die Schultern. „Wie geht‘s dem Kopf?“ Getazert zu werden war wirklich, wirklich ätzend.
Jason schenkte ihm ein dankbares Lächeln. „War schon schlimmer.“
„Der Trick ist, sich nicht tazern zu lassen.“ Piper hakte sich auf Jasons anderer Seite ein und drückte ihm einen Kuss auf die Wange.
„Vielleicht könnten wir ja irgendwann mal einfach einen Zugriffsplan entwickeln, der nicht notwendigerweise darin resultiert, mich tazern oder zusammenschlagen zu lassen...“
„Klar, aber wo wäre da der Spaß?“
Kapitel 1
Jump right in, the water‘s fine
A - Pacific Ocean Blue
„Festus, Statusreport.“
Leo machte es sich im Pilotensitz bequem, während Festus sich durch den Systemcheck sirrte, klackte und quietschte. Natürlich machten Piper und Jason sich gerne darüber lustig, dass er dem Bordcomputer der Argo II nach all den Jahren noch immer keinen Sprachchip eingebaut hatte, aber eigentlich hatten sie alle sich schon viel zu sehr daran gewöhnt: Es war nicht Festus ohne das mechanische Summen und Klackern. Außerdem waren fast alle Sprachchips auf „Imperialer Aristokrat mit Stock im Arsch“ programmiert und es hatte wirklich schon lange genug gedauert, Jason diesen Akzent abzutrainieren.
Mit einem letzten Quietschen schloss Festus seine Beurteilung der Systeme ab und Leo grinste. „Wunderbar, dann leite die Startsequenz ein. Um die Trägheitsdämpfer kümmer ich mich unterwegs und wenn du 20 Prozent der Energie von den Verteidigungssystemen auf das zweite Triebwerk umleitest, sollten wir es bis Arkyn schaffen.“
„Ich mag es wie du das sagst, ‚sollten‘. Fast als bestände die Möglichkeit, dass uns diese Schrottmühle nicht unterm Hintern wegrostet, bevor wir da sind.“ Piper lümmelte im Co-Pilotensitz und polierte die Klinge ihres Vibrodolchs.
„Du kannst auch laufen, Beauty Queen.“
Festus surrte seine Zustimmung und Piper lachte. „Oh ihr beide und die Argo wisst genau, dass ‚Schrottmühle‘ ein Kosename ist.“ Sie tätschelte die Konsole vor sich. „Nicht wahr, meine Süße? Komm schon, bring uns hier raus.“
„Du hast die Lady gehört, Festus, auf nach Arkyn. Auf schnellstem Wege, ich brauche dringend einen dieser verfrellten Tofu-Burger.“
###
Arkyn war einer von drei Monden eines kleinen Planeten am Rande des Mare Mediterraneum und als solcher hauptsächlich als Sammelstelle für jedwede Art von Abschaum und Verkommenheit bekannt. Letzte Tankstelle vorm rechtsfreien Raum, beyond this place there be dragons, all der Kram. Abgesehen davon hatte der Mond tatsächlich wenig zu bieten, außer moderaten Strahlungsleveln, bezahlbaren Ersatzteilen und den besten Tofu-Burgern des Systems. Klar, Tofu war ein großes Wort für das was da bei Auntie Em auf den Grill kam, aber Leo hätte sich in das Zeug reinlegen können.
Jason teilte wie üblich Leos Geschmack nicht wirklich und machte sich stattdessen über etwas her, das sich eine „Soja-Meeresfrüchte-Platte“ nannte und aussah wie alte Militärrationen, die durch den Mixer gejagt worden waren. Angeblich schmeckte es wie Hühnchen.
„Piper lässt sich ganz schön Zeit heute“, stellte Leo um eine Handvoll Fritten herum fest, aber Jason zuckte lediglich unbekümmert mit den Achseln.
Natürlich war es nicht so, dass man sich jemals wirklich Sorgen um Piper hätte machen müssen. Bisher hatte sie noch jeden dazu überreden können, ihr genau die Aufträge oder Ersatzteile oder hübschen kleinen Blaster zu geben, die sie wollte.
„Wir könnten mal wieder einen ordentlichen Auftrag gebrauchen“, meinte Jason. Womit er recht hatte. Problematisch war lediglich seine Definition des Wortes ‚ordentlich‘: Keine Tötungsaufträge, keine Trips ins Mediterraneum, nur staatlich ausgestellte Steckbriefe, Bezahlung in Credits... Leo versuchte wirklich, ihm diese Kleinlichkeit nicht nachzusehen. Natürlich musste er zugeben, dass ihr Leben durchaus einfacher geworden war, seit sie vor knapp drei Jahren Captain Jason Grace und seinen Ehrenkodex aufgelesen hatten, und wenn es nur daran lag, dass deutlich weniger Kopfgelder auf ihre Ärsche ausgesetzt wurden, jetzt wo sie hauptsächlich legal arbeiten. Frak, sie hatten sogar eine Lizenz.
„Klar, aber wir könnten auch mal wieder Geld gebrauchen.“
Ein neuerliches Achselzucken. „Wahr.“
„Nicht wahr? Es gibt einen Grund dafür, dass ich der Kopf dieser Aktion bin.“
„Du bist der Mechaniker dieser Aktion, Valdez. Piper ist der Kopf.“
„Möglich. Aber du bist das Maskottchen, Grace.“
„Aber klar--“
Jemand räusperte sich schräg hinter Leo. „Captain Grace?“ Die Frau war nicht sonderlich groß, wahrscheinlich sogar noch ein Stück kleiner als Leo, aber schaffte es trotzdem so auszusehen, als würde sie auf sie beide hinabsehen. Ihre zimtbraunen Locken waren streng nach hinten gebunden und sie stand so stocksteif aufrecht, dass nicht einmal die zerschlissene Pilotenjacke und die unvermeidbare Asche, die sich in ihrem Haar gesammelt hatte, darüber hinwegtäuschen konnten, dass sie in diesem Diner absolut fehl am Platz war. Oder auf diesem Mond.
„Hallo, Miss.“ Leo strich sich das Haar aus dem Gesicht und grinste breit und ein bisschen anzüglich. Sie zog lediglich eine Augenbraue hoch bevor sie ihre ungeteilte Aufmerksamkeit auf Jason richtete. Hübsch und nicht interessiert - genau Leos Typ.
Jason allerdings sah aus, als wäre sie ein verkriffter Geist. „Lieutenant Levesque?“
„Captain, inzwischen.“
„Natürlich. Wie... Was machen Sie ausgerechnet hier?“
Levesque lächelte schwach. „Diese Frage sollte ich Ihnen stellen, Captain. -- Ich habe sie gesucht. Ich brauche Ihre Hilfe.“
„Ich bin kein Captain mehr.“ Jason zuckte mit den Achseln, als ginge ihn das alles nicht so wirklich was an, aber er saß gerader und mit jedem Wort rutschte seine Aussprache zurück in den sauberen, leicht abgehakten Akzent eines imperialen Akademieabsolventen. Leo verdrehte die Augen. Sie würden hier noch alle in nem Leichensack rausgetragen werden, verkriffte Imperiale.
„Und das ist gut so“, warf er ein. „Vielleicht sollten wir alle überhaupt viel weniger Titel benutzen... Oder uns ne nette, schattige Bar suchen? Das hier ist immer noch Danaer-Raum“
Zum ersten Mal in dieser merkwürdigen Unterhaltung sah Levesque ihn wirklich an und Leo hatte das Gefühl, dass sie in ihrem Kopf Möglichkeiten durchging, ihn zu töten. Er grinste definitiv zu breit. „Nur so‘n Vorschlag. Aber, hey, ignoriert mich ruhig.“
Sie zog eine Augenbraue hoch. „Das ist eine gute Idee.“
„Oh, Lady, ich hab nur gute Ideen.“
Sie verdrehte die Augen. Oh ja, so was von sein Typ.
„Das ist diskutabel. Aber er hat recht.“ Jason sog eine Währungskarte durch das Lesegerät am Tisch. „Ich kenn da ne kleine Bar, unten am Hafen.“
Leo folgte den beiden (Ex-)Marines nach draußen auf die Straße und fragte sich, wie das hier sein Leben hatte werden können. Da stahl man einmal mit fünfzehn ein Raumschiff… Und, okay, vielleicht eines oder fünf danach, aber das hier hatte Leo wirklich nicht verdient.
Aus den Schatten neben der Tür des Diners löste sich eine Gestalt. Leos Hand zuckte zur Waffe an seiner Hüfte, aber sowohl Jason als auch Levesque waren schneller als er. Der Mann war groß, sogar noch größer als Jason und ein gutes Stück breitschultriger. Und er grinste verschämt als er die Hände über den Kopf hob. „Ich bin‘s nur.“
Levesque senkte ihren Blaster sofort. „Sorry, Frank.“
„Frank? Major Zhang?!“ Jason strahlte über das ganze Gesicht und schlug dem anderen Mann kräftig auf die Schulter. Leo verzog das Gesicht. „Gut Sie wohlauf zu sehen, Major!“
„Und Sie, Sir!“
„Ja, herzallerliebst. Ich bin auch froh, dass wir uns alle lieb haben und im Vollbesitz unserer Extremitäten sind, und ich persönlich würde es wirklich gerne dabei belassen, also, die Bar?“
Leo wartete gar nicht erst auf eine Antwort, sondern zog sich gegen Arkyns beständige Ascheregen den Schal über Mund und Nase und tauchte in die Menschenmenge.
###
„Also, ihr drei kennt euch?“ Frank, oder Major Zhang für diejenigen unter ihnen, die nicht kapierten, dass imperiale Militär-Titel auf einem Danaeischen Außenposten lebensgefährlich waren, hatte ihnen Bier geholt und sie hatten sich in die dunkelste Ecke der Bar verkrochen. Leo hatte Piper kontaktiert um ihr zu sagen wo sie steckten und sich das Versprechen abnehmen lassen, dafür zu sorgen, dass Jason nichts Dummes tat. Nichts dümmeres als sonst, zumindest.
„Ja, wir waren auf der selben Basis stationiert. Levesque hier hat einmal ne ganze Einheit erledigt, bevor sie meine Stellung einnehmen konnten.“
Levesque zuckte lediglich mit den Achseln, über Selbstverständlichkeiten sprach man nicht. Großartig: Hübsch, nicht interessiert und tödlich in einem Raumkampf. Leo war verloren. Und wenn er Franks verstohlene Blicke richtig interpretierte, war er da nicht der einzige. - Leo machte sich nichts vor, Frank Zhang hätte ihn mit einer Hand zerquetschen können, aber fühle sich vermutlich nicht mal bedroht, denn niemand entschied sich für „kleinen, dürren Kopfgeldjäger“, wenn er auch einen Supersoldaten mit überraschend nettem Lächeln haben konnte. Frell, Leo würde sich für Frank entscheiden.
„Na, dann muss ich mich wohl bedanken, Miss Levesque.“ Leo wackelte mit den Augenbrauen, weil, hey, was sollte passieren, also, außer dass er zerquetscht wurde?
Sie grinste, nicht unbedingt amüsiert. „Hazel, bitte.“
„Gute Idee.“ Jason hob sein Bier. „Das löst auch das Problem mit Leos allergischer Reaktion auf Titel. Jason.“ Er prostete ihnen zu und breit grinsend hob auch Leo seine Flasche.
„Hört hört!“ Er nahm einen langen Schluck. „Also, Hazel…“ Er ließ sich den Namen auf der Zunge zergehen. „Was treibt eine Frau wie dich auf einen Mond wie diesen?“
„Die Tofu-Burger,“ antwortete sie, ohne eine Miene zu verziehen. Mit dem Finger zeichnete sie Muster in das Kondenswasser am Hals der Bierflasche. „Und, wie gesagt, ich brauche deine Hilfe, Jason.“
Sie verzog das Gesicht bei diesen Worten, aber Leo war sich nicht sicher, ob es daran lag, einen ehemaligen kommandierenden Offizier duzen zu müssen oder daran, um Hilfe zu bitten. So wie er Imperiale kannte, bereitete ihr beides körperliche Schmerzen.
Frank legte ihr eine Hand auf den Unterarm und sie schenkte ihm ein dankbares Lächeln.
„Wieso ausgerechnet meine Hilfe?“ Jason musterte die beiden, auf einmal um ein gutes Stück misstrauischer als zuvor.
„Nun, du warst mal einer von uns“, erklärte Hazel und Frank nickte langsam.
„Wobei ‚war‘ hier der Punkt ist“, erinnerte Leo, weil diese Erklärung einfach nicht hilfreich war. Und weil es ihm wirklich nicht gefiel, daran erinnert zu werden, dass Jason einmal einer von denen gewesen war.
Frank zuckte mit den Achseln. „Wir wussten nicht, zu wem wir sonst hätten gehen können. Es ist euer Job, Leute zu finden, oder?“
“Finden, verhaften, erschießen… Wir sind da flexibel.”
Jason verdrehte die Augen. „Außer beim Erschießen. - Hazel, was ist los?” Seine Stimme war leise, offensichtlich besorgt. Unter anderen Umständen hätte Leo sich vielleicht Sorgen darüber gemacht, was es zu bedeuten hatte, dass Jason sich so bereitwillig in seine Vergangenheit zurückzerren ließ, aber wenn er ehrlich war, war Leo selbst kurz davor, sich für Hazel Levesque erschießen zu lassen. Natürlich kannte er sie nicht, aber irgendetwas in ihrer Art, diesem so verflucht ernsthaften Blick… Okay, Leo war vielleicht einfach nur armselig.
“Ihr müsst meinen Bruder finden.”
Frank spendierte ihnen eine zweite Runde Bier, während Hazel erklärte, dass ihr Halbbruder Nico di Angelo vor etwa einem Monat verschwunden war. Leo begriff nicht ganz, was di Angelos Job gewesen sein sollte, da war irgendetwas mit dem diplomatischen Corps des Imperiums, Unterhandlungen mit dem Danaeischen Planetenrat und mehr Geheimhaltungsstufen als sinnvoll sein konnten… Es war verwirrend, schrie „Spionage“ und ließ alle Alarmglocken in Leos Kopf schrillen. Er schwor sich, weit, weit weg zu rennen, wenn ihn das nächste Mal eine hübsche Frau um Hilfe bat.
“Jedenfalls ist er nie bei den Danaern angekommen. Angeblich. - Aber natürlich will niemand die offizielle Version anzweifeln, Nico...”
Frank legte Hazel eine beruhigende Hand auf den Unterarm. “Nico ist nicht wichtig genug, um einen diplomatischen Vorfall zu riskieren. Wir sind ohnehin nah genug an einem Zusammenbruch des Waffenstillstands...”
„Es ist widerwärtig.“ Mit mehr Gewalt als unbedingt nötig gewesen wäre, stellte Hazel ihre Bierflasche ab. „Sie haben ihn da raus geschickt!“
Leo räusperte sich. „Ihr wollt also sagen, dass meine Regierung, von der ich zugegebenermaßen nur bedingt ein Fan bin, meine Regierung soll deinen Bruder, einen Danaer, entführt haben?“ Es war nicht so, dass er wirklich bezweifelte, dass das eine Möglichkeit war, sondern mehr so, dass Dinge von dieser Größenordnung definitiv nicht bei ihm landeten. Bagatelldiebstahl, geschmuggelte Raumschiffersatzteile und gehackte Navigationschips, das war seine Welt. Dren, sie schafften es ja nicht mal, kleine Nummern der Separatisten um Kronos einzusacken, entführte Diplomaten waren definitiv nicht ihre Kragenweite.
„Vielleicht. Vielleicht stimmt auch was sie sagen und er ist nie angekommen. Was auch immer es ist, wir müssen ihn finden. Und dafür brauchen wir euch.“ Hazel hatte die Arme vor der Brust verschränkt und sah zum ersten Mal Leo an, als wäre der wichtiger Bestandteil der Unterhaltung. So entschlossen und vor unterdrückter Wut bebend, wie sie aussah, hätte er durchaus darauf verzichten können.
„Natürlich helfen wir euch“, lächelte Jason.
„Natürlich?!“
„Natürlich.“ Jason war ein verfrellter Gutmensch und sein verkriffter Ehrenkodex würde sie nochmal alle ins Grab bringen. Auf der anderen Seite ließ dieses eine Wort Hazels Augen leuchten und Frank über das ganze Gesicht strahlen und, okay, vielleicht hätte auch Leo eine ganze Menge dummes Zeug für diesen Anblick geredet.
„Natürlich“, wiederholte er. „Also… Wo müssen wir anfangen? Wo habt ihr das letzte Signal von seinem Schiff empfangen?“
„Im Mare Mediterraneum.“
Natürlich.
Kapitel 2
If you put it like that, you‘ll be dead someday
A - Took it Away
„Was habt ihr euch dabei gedacht?!“ Piper saß mit einer Flasche Bier in der Hand auf einer der Kisten im Laderaum der Argo II und beobachtete Jason und Leo dabei, wie sie Ersatzteile und Vorräte verluden. Sie mochte die Aussicht und genoss die Gelegenheit, Jason und Leo zu erklären, dass sie verkriffte Idioten waren. Es war so eine Art Ritual für sie drei - nur dass Leo ihr zur Abwechslung einmal nicht widersprechen wollte. Oder konnte.
„Nein, beantwortet das nicht, ich weiß genau, was Jason sich dabei gedacht hat, Retterkomplex und so. Aber von dir hab ich echt mehr erwartet Valdez! Bezahlen sie uns wenigstens anständig?“
„Haben wir nicht nach gefragt.“
Piper warf entgeistert die Arme in die Luft und ließ sich dramatisch nach hinten auf die Kiste fallen. „Verfrellte Amateure!“
„He, Piper…“ Jason schaltete den Hoverlift ab und lehnte sich gegen einen Container, der laut Aufschrift beinahe unbenutzte Warpfeldmodulatoren beinhaltete, die noch vor der Annektion von Eurymedon gefertigt worden sein mussten. Leo konnte es gar nicht erwarten, diese Babies in die Finger zu kriegen.
Piper setzte sich breit grinsend wieder auf. „Japp, wir werden alle sterben. - Ist sie wenigstens süß?“
Manchmal dachte Leo, dass es ihn beunruhigen sollte, dass Piper McLean ihn so gut kannte. Auf der anderen Seite waren sie schon fast ein halbes Leben lang ein Team, also grinste er bloß zurück. „Absolut.“
„Na dann. Immer ein Vergnügen, das Richtige zu tun!“ Sie wackelte mit den Augenbrauen, etwas was bei ihr auf merkwürdige Weise weniger lächerlich als charmant wirkte und sprang von der Kiste hinunter. „Seid vorsichtig mit den kleinen schwarzen Kartons. Ich habe echten Kaffee gekriegt. - Erzählt mir später, wie sehr ihr mich liebt, ich werd mal mit Festus versuchen eine Route durch unkartiertes Gebiet zu planen, und überlegen, wer uns noch einen Gefallen oder ein Wunder schuldet.“
Sie gab beiden Männern im Vorbeischlendern einen Kuss auf die Wange. Als sie grade halb die Leiter zum Deck hinauf war, hielt sie noch einmal inne.
„Ach, Leo, für die Zukunft: Wenn ich sage du sollst Jason davon abhalten, etwas Dummes zu tun, dann steht ‚Dummes‘ für ‚uns ins verkriffte Mediterraneum navigieren‘.“
„Geht klar, Pipes!“
###
Obwohl die Versuchung groß war verzichtete Leo darauf, im Hangar auf die Ankunft von Hazel und Frank zu warten. Den Job überließ er Jason und verbarrikadierte sich stattdessen mit Piper im Maschinenraum. Es war eine gute Strategie: Man hatte ihm mehr als einmal gesagt, dass er besser bei Frauen ankam, je weniger sie von ihm sahen, und außerdem würde Hazel wahrscheinlich viel weniger beeindruckt sein, wenn sie gemeinsam starben, weil die Lebenserhaltungssysteme der Argo II schon wieder ausgefallen waren. Nicht, dass das oft passierte. Nicht sehr oft, jedenfalls.
„Also, Beauty Queen“, erkundigte Leo sich, während er kopfüber in den Gedärmen des Luftfilters hing. „Was hältst du wirklich von unserem neuen Auftrag?“ Es war nicht so, als würden sie Jason tatsächlich je belügen, aber manchmal war es echt schwer, in seine großen Hundeaugen zu sehen und zu sagen, dass es echt beschissen ungünstig war, das Richtige zu tun. Dafür hatten sie einander. Piper und Leo würden natürlich tun, was getan werden musste, aber, Kriff, sie würden dabei jammern und nörgeln.
„Machst du Witze?“ Piper trat einmal kraftvoll gegen den nagelneuen Tachyonen-Generator, den sie grade angeschlossen hatte, und er sprang unter protestierendem Quietschen an. „Wir werden alle sterben. Aber wir werden im Mediterraneum sterben.“ Leo konnte die beinahe kindliche Begeisterung in ihrer Stimme hören und lachte.
„Dren, du weißt wie lange ich davon schon träume.“
Natürlich wusste Leo das. Sie hatten ihr erstes Raumschiff mit genau diesem Ziel geklaut, also, mit dem Ziel das Mediterraneum zu erkunden, nicht um zu sterben. Sterben war damals so was von nicht der Plan gewesen, denn sie waren keine besonders realistisch denkenden Fünfzehnjährigen gewesen. Natürlich waren sie nicht sonderlich weit gekommen, der Trip hatte in einer Gefängniszelle weit vor Arkyn geendet.
„Also-- Gorram, du verkrifftes Drecksding!“ Hastig kramte Leo das Kühlspray aus seiner Gürteltasche und erstickte die Flammen, die ihm aus dem Filter entgegenschlugen, mit weißem Schaum. „Das sollte das wirklich nicht tun.“
Festus sirrte und schnarrte eine Warnung, dass die Desinfektionsanlage kritisch überhitzt war, über das Schiffscom und Leo verdrehte die Augen. „Sag an.“
Während er sich daran machte, den Filter auszubauen um an den Desinfektionsmitteltank zu kommen, machte Piper sich daran, den Tachyonen-Generator zu rebooten. Sie summte irgendetwas, das verdächtig nach imperialer Tanzmusik klang. Leo musste mühsam den Drang unterdrücken, mit den Füßen im Takt zu wippen. „Also, wie gehen wir die Sache diesmal an? DELPHI?“
„DELPHI“, bestätigte Piper.
Bevor Leo dazu etwas sagen konnte, kündigte Festus mit einem durchdringenden Pfeifen an, dass ihre Gäste angekommen waren.
###
Jason hatte ihre beiden Gäste bereits in einer der ungenutzten Kabinen der Argo II einquartiert als Leo und Piper das Leck im Desinfektionsmitteltank geflickt und die zufälligen Feuersbrünste auf ein Minimum reduziert hatten. Sie fanden die drei in dem kleinen Aufenthaltsraum, den Piper liebevoll mit einem Sammelsurium aus Polstermöbeln und Spirituosenregalen eingerichtet hatte.
Im Gegensatz zu ihrem Treffen bei Auntie Em vor zwei Tagen wirkte Hazel auf einmal klein und erschöpft. Sie versank beinahe in dem großen grünen Sessel und Leo ertappte sich bei dem Wunsch, eine Wolldecke zu klauen, die er über ihr ausbreiten konnte. Piper konnte diesen Gedanken offensichtlich in seinem Gesicht lesen, denn sie stieß ihm den Ellbogen in die Seite. „Reiß dich zusammen“, raunte sie. „Aber, ja, süß ist sie.“
Als sie den Raum betraten, sprang Frank hastig auf, um sie zu begrüßen. Ein bisschen zu hastig, er stieß sich den Kopf an einem Regalbrett. Seine Wangen waren flammendrot, als er Piper die Hand schüttelte. Frell, Leo würde so viele Wolldecken brauchen.
Piper schüttelte auch Hazels Hand und lehnte sich dann gegen die Tischplatte. „Jason und Leo haben die Situation mit deinem Bruder für mich zusammengefasst. Und ich will ganz ehrlich sein, wir sollten uns keine großen Hoffnungen machen, ihn zu finden. Oder darauf, lebend aus dieser Geschichte rauszukommen. Tausende von Schiffen verschwinden regelmäßig im Mediterraneum, es gibt Gründe warum bisher jeder Kartierungsversuch gescheitert ist.“ Es war eine ziemlich nüchterne (und ziemlich akkurate) Zusammenfassung der Dinge. Hazel ließ die Schultern noch weiter hängen und Leo konnte sehen, wie sie ihren Kiefer anspannte, offensichtlich bemüht darum, nichts zu sagen. Bevor er mit einem aufmunternden Kommentar einspringen konnte, zuckte Piper mit den Achseln und schenkte ihren beiden Gästen ein strahlendes Lächeln. „Was natürlich nicht heißt, dass wir es nicht absolut versuchen werden. Frell, es ist so bescheuert, wahrscheinlich funktioniert es sogar.“
Leo sah hinüber zu Jason, der auf der Armlehne eines Sessels saß und beinahe platzte vor Stolz über die Rede seiner Freundin. Leo verdrehte die Augen und Jason streckte ihm die Zunge raus. Japp, bei dieser Crew war Erfolg so unwahrscheinlich, dass er schon wieder plausibel wurde. Nicht, dass Statistik wirklich so funktionierte, aber, hey, sie hatten ein kleines Wunder verdient. Oder fünf.
###
Hazel und Frank hatten darauf bestanden, dass sie sich an Bord nützlich machen durften, und so kam es, dass Leo mit Hazel zusammen das Cockpit der Argo II bemannte, während die anderen schliefen. Er hatte ihr das Steuer überlassen und versuchte nicht allzu sehr zu starren als er beobachtete, wie sie sich mit den Schiffssystemen vertraut machte. Sie ging methodisch vor und hatte einen guten Blick für die kleinen Eigenheiten im Handling der Argo. Natürlich, Jasons Erzählungen zu folge war sie eine der besten Kampfjägerpilotinnen der imperialen Marines, es war nicht wirklich überraschend, aber irgendwie… sexy.
Oh ja, Leo hatte ein echtes Problem.
„Wie kommt es, dass du Kopfgeldjäger geworden bist? Bei deinem Talent mit Maschinen...“
Es dauerte einen Moment, bis Hazels Worte durch seine vollständig unangemessenen Gedankenspiele gedrungen waren und selbst dann brachte er nicht mehr hervor als ein „Hu?“
Reizenderweise entschloss Hazel sich dazu, seine Verwirrung völlig falsch zu interpretieren: „Ich hab gesehen, wie du die Warpfeldmodulatoren gesplicet hast. Es sah aus, als hättest du noch nie etwas anderes getan, als müsstest du nicht einmal darüber nachdenken...“
Leo zuckte mit den Achseln. „Na ja.“ Sie lag nicht unbedingt falsch. Er dachte tatsächlich nicht wirklich darüber nach, was er tat, er wusste es einfach. Fühlte es, was auch immer. Aber er würde den Teufel tun und das laut aussprechen. Stattdessen starrte er aus dem Cockpitfenster und rief mit einem Wink seiner linken Hand das HUD mit der Sternenkarte auf. „Meistens muss ich schon drüber nachdenken,“ antwortete er schließlich und versuchte nicht darüber nachzudenken, dass die Karte bereits hier, am äußersten Rand des Mediterraneum, schon beunruhigend fleckig war.
Hazel lachte leise. „Aber mit deinen Fähigkeiten hättest du doch sicher zur Akademie--, tschuldige, zur Universität oder so gehen können?“
Mit einem Seufzen schloss Leo die Karte wieder und wandte sich zu Hazel um. Sie gestikulierte unbestimmt mit der Hand herum, als ob sie den Akademie-Versprecher weg wedeln wollte. „Ich hatte nicht wirklich das Geld für die Universität. Und das Militär… Ich weiß nicht, wie das bei euch so ist, aber Ex-Sträflinge werden bei uns bestenfalls Kanonenfutter.“
Hazel biss sich auf die Unterlippe und rutschte im Pilotensessel hin und her, offenbar unsicher was sie dazu sagen sollte. Für einen Augenblick fragte Leo sich, ob ihr das Ex-Sträfling wirklich so unangenehm war, bis ihm wieder einfiel, dass es mit großer Wahrscheinlichkeit ihre Kanonen gewesen wären, vor die er geworfen worden wäre. Der Gedanke jagte ihm einen Schauer über den Rücken. Und dann gleich noch einen, weil er verkrifft nochmal nicht in diesen Bahnen dachte. Frell, sein bester Freund war ein imperialer Ex-Marine! Und egal wie wacklig und fadenscheinig er war, sie hatten seit Jahren einen beschissenen Waffenstillstand. Er grinste, breit und optimistisch.
„Wenn man erstmal sein erstes Raumschiff geklaut hat, sind die Karriereoptionen eingeschränkt. Aber das ist okay, ich wollte ohnehin immer Schiffsmechaniker werden! Besser als Piper, Jason, Festus und die Argo hätte ich es nicht treffen können!“
Verwundert zog Hazel eine Augenbraue hoch. Leo konnte ihren Blick nicht lesen, aber sie lächelte. Und soweit Leo und sein Herz, das ihm auf einmal bis in den Hals schlug, betroffen waren, war das alles was zählte.
###
Jason und Frank waren auf der Brücke, als sie aus dem Hyperraum gerissen wurden, und, Frell, Leo würde ihnen so was von die Schuld geben, falls sie das hier überlebten.
Der Backbord-Schild ist zusammengebrochen! Pipers Stimme überschlug sich beinahe, aber das hätte ihr wirklich niemand vorhalten können, der Backbord-Schild war alles, was zwischen ihnen und dem weiten, kalten Vakuum und der angreifenden Atlantischen Korvette stand. Der Backbord-Schild und eine beunruhigend dünne Stahlwand.
„Festus, leite… Frell, leite Energie von den Sublichttriebwerken auf die Schilde um!“ Schlitternd kam Leo neben Frank zum Stehen, der mit verstörender Ruhe den Zielcomputer der unteren Geschützbatterie rekalibrierte. Bevor er den Soldaten anbrüllen konnte, entweder den Sitz freizumachen oder verkrifft noch mal endlich etwas zu erschießen, zwitscherte Festus die Meldung, dass die Schildgeneratoren getroffen waren, die Energie konnte nirgendwohin umgeleitet werden.
„Frak! Festus, schalt diese verkrifften Sirenen aus, ich weiß, dass wir sterben und ich kann meine eigenen Gedanken nicht hören!“ Auf dem Bildschirm des kleinen Tablets, das Leo nutzte, um die Systeme der Argo zu überwachen, blinkten auch viel zu viele Warnleuchten, inklusive der für Meteroitenkontakt, und das konnte wirklich nicht sein, es sei denn…
Er warf sich über Franks Schoß, um den Feed der Außenbordkameras aufzurufen und da, japp, das war ein verkriffter Entertunnel, den die Korvette ausgefahren hatte und der grade an die Argo II andockte. Verkrifftes Mediterraneum.
„Zhang, Piper, ihr müsst diesen Tunnel erwischen!“
Ohne auch nur einen Sekundenbruchteil zu zögern oder auf Nachfragen zu verschwenden, schwang Frank den Geschützturm herum. Piper im oberen Geschützstand musste ähnlich reagiert haben, denn sie begann praktisch sofort über den Comlink zu fluchen. Keine Chance, ich komm nicht dran!
Mit einem abgehakten Nicken bestätigte Frank diese Einschätzung. „Die wissen, was sie tun. Sie docken genau in unserem toten Winkel an.“
Jason, Hazel, kriegt ihr uns hier weg?
Negativ, Käpt‘n, wir hängen immer noch in ihrem Traktorstrahl.
Oh, dieser Tag wurde besser und besser.
Piper heulte frustriert auf. Okay, ich kümmer mich um den Traktorstrahl. Leo, tu was, wir brauchen Geschwindigkeit, scheißegal woher. Sobald wir frei sind, müssen wir hier weg sein.
Leo begann hektisch auf seinem Tablet herumzutippen, um seinen ursprünglichen Plan umzudrehen und all die Energie, die eigentlich für Schilde da sein sollte, den Triebwerken zur Verfügung zu stellen. Piper hatte natürlich recht, eine schnelle Flucht war ihre einzige Chance - wäre da nicht der Entertunnel.
„Und der Tunnel?“, fragte er, weil man nicht oft genug hervorheben konnte, wie wirklich, wirklich beschissen es um sie stand.
„Mit Verlaub, da hätte ich eine Idee.“ Frank lächelte etwas verkrampft, so als wäre es eine ausnehmend schlechte Idee. Als er sie Leo erklärte, musste der zustimmen. Definitiv die schlechteste Idee aller Zeiten. Aber auch die beste, die sie hatten.
Er seufzte. „Okay, also los, Großer!“
###
„Es tut mir so leid, Baby.“ Es tat beinahe körperlich weh, der Außenhülle der Argo mit dem Laserschneidgerät zu Leibe zu rücken, selbst wenn Leo versuchte zu verdrängen, wie unglaublich dumm es war das zu tun.
Neben ihm stand Frank, viel zu grade und mit einer Waffe im Arm, die aussah, als sei sie dazu gedacht, ganze Raumjäger aus dem All zu blasen. Natürlich war sie das auch, was Leo dankenswerterweise allerdings erst später herausfand. Verfrellte Marines.
„Und du bist dir wirklich sicher, dass...“ Dass du das überlebst, fragte Leo nicht, er wollte schließlich nicht den Eindruck erwecken, dass ihn wirklich interessierte, was mit dem anderen Mann passierte. Solange er Jason und Piper und die Argo II aus dieser Geschichte rausbrachte, war ihm alles egal. Klar. „Dass das funktioniert?“
„Wenn du schnell genug mit der Notfallversiegelung bist.“ Zum ersten Mal, seit Leo ihn kennengelernt hatte, wirkte Frank Zhang, als wäre er sich seiner Sache absolut sicher. Nichts in seiner Haltung oder seinem Tonfall erinnerte an den etwas tollpatschigen aber liebenswerten Kerl, der Hazel folgte wie ein Hündchen, er schien sogar noch ein paar Zentimeter gewachsen zu sein. Es war gruselig. Und irgendwie heiß.
„Oh, ich bin schnell, Großer.“ Leo gab sich große Mühe, etwas suggestives in seiner Stimme mitschwingen zu lassen. Nicht, dass er wirklich wusste, worauf er anspielte, es war bloß ein Reflex, das hatte irgendwas mit Major Zhangs neu gefundener Selbstsicherheit zu tun oder so.
Frank zog eine Augenbraue hoch, anscheinend amüsiert.
Leo weigerte sich, peinlich berührt zu sein, mit 74 %-iger Wahrscheinlichkeit würden sie in fünf Minuten beide tot sein, also scheiß was drauf.
„Okay, ich bin gleich durch. Denk dran, wenn sie noch keinen Atmosphärenausgleich gestartet haben, haben wir bloß Sekundenbruchteile. Halt dich gut fest.“
Mit dem furchtbaren Geräusch reißenden Metalls wurde ein halber Quadratmeter Außenhülle ins Vakuum gesaugt. Also kein Atmosphärenausgleich. Leo klammerte sich an einen Vorsprung in der Flurwand, und beobachtete, wie Frank seine überdimensionierte Waffe auf das Loch in der Hülle richtete. Er nickte Leo zu, atmete tief ein und drückte ab. Im selben Moment aktivierte Leo das temporäre Energieschild, das die Öffnung, die er selbst in die Außenhülle seines Schiffes geschnitten hatte, versiegelte. Genau im richtigen Moment, denn der Entertunnel (und vermutlich signifikante Teile der atlantischen Korvette) explodierten in einem Feuerball.
Mit einem Seufzen ließ Leo den Kopf gegen die Metallwand sinken. „Du bist völlig wahnsinnig“, teilte er Frank mit, der ihm mit einem leicht verlegenen Lächeln antwortete.
Traktrostrahlgenerator ausgeschaltet!, gellte da Pipers Stimme über den Comlink und der Boden unter Leos Füßen begann zu vibrieren, als Jason die Triebwerke der Argo weit über ihre eigentlich Leistungsfähigkeit hinaus jagte.
„Wahnsinnig, aber auch ziemlich genial.“
Frank Zhang, der verfrellte imperiale Marine, wurde tatsächlich rot.
→ Teil II