Rezension: "Denk ich an Deutschland in der Nacht..." - "Vaterland", Robert Harris

Jan 24, 2008 14:10

Wisst ihr, manchmal hab ich das Gefühl, ich sollte das mit dem Lesen lassen. Das ist einfach nicht gut für mich. Also, vor allem für meine eh schon überreizte Fantasie. Und weil ich doch manchmal zu obsessivem Verhalten neige und so. Was das mitm Lesen zu tun hat? Erklärung folgt:

"Vaterland" - Robert Harris



Bewertung: ***** von *****

Tja. Gab's für wenig Geld, war ich scharf drauf, hab ich gekauft. Und obsessiv gelesen. Ähm ja.

Wo war ich? Ach ja. Um Folgendes geht es: Deutschland 1964, only... slightly different. Denn es heißt gar nicht mehr Deutschland, sondern Großdeutsches Reich. Wie es zu dieser herrlichen Katastrophe kommen konnte? Ganz einfach: Nazi-Deutschland hat den Zweiten Weltkrieg gewonnen und beherrscht jetzt im Grunde ganz Europa, während es sich mit den USA einen Kalten Krieg liefert und im Osten des Reiches Partisanenkämpfe die Armeen ausbluten. Klingt gruselig? Ist es auch. Jedenfalls: In diesem Setting passiert ein Mord, und Kripofahnder Xaver März hat das Pech, an den Tatort gerufen zu werden. Was sich dann entspinnt, ist ein hübscher kleiner Politthriller, denn dummerweisen entpuppt sich die Leiche als hochrangiger Parteifunktionär, an dem auch die Gestapo, Heydrich persönlich... und eine junge deutschstämmige Amerikanerin namens Charlie Maguire höchstes Interesse haben.

Was soll ich sagen? Ich hab mich gegruselt. Ich habe gelitten. Ich musste das Buch vor Abscheu ein paar Mal kurz zur Seite legen. Ich musste es immer wieder in die Hand nehmen, weil ich verdammt nochmal wissen wollte, wie's weitergeht. Und ich hab mich ein bisschen in Xaver März verknallt
(aber keine Angst, das ist normal bei mir... das Rezensionen-Icon kommt nicht von ungefähr, nech
). Jedenfalls war ich alles in allem begeistert. Das Buch hatte alles, was ich will: Spannung, symphatische und vielschichtige Hauptfiguren, ein unglaublich gut ausgearbeitetes Setting (gell, wenn ich das alles hätte recherchieren müssen... ich wäre ja wahnsinnig geworden) und... Stil. Ich mochte die Zwischentöne, die Harris im Buch anschlägt, die Andeutungen, insgesamt die Sprache... hervorragend. Und so gut übersetzt, dass man das Gefühl hat, Harris hätte es auf deutsch geschrieben (kann aber auch mit dem Sujet zusammenhängen... ich finds spaßig, dass März im Original March heißt, die anderen deutschen Figuren aber deutsche Namen haben).

Von Anfang bis Ende stimmte alles - Atmosphäre, Charaktere, Plot - und das hatte ich schon seit ner Weile nicht mehr. Gut, man mag einwenden, dass die Handlung recht konventionell bleibt, aber ehrlich gesagt hatte ich dieses Gefühl eher nicht. Wendungen waren tatsächlich überraschend und Schema F fühlt sich wirklich anders an (*hust Wolfgang Hohlbein *hust). Das Ende finde ich übrigens... ich weiß immer noch nicht, ob ich es deprimierend oder aufbauend finde. Ich glaube, das wird wieder eine "Also, in meiner Welt..."-Geschichte.

Ich hätte jedenfalls nicht gedacht, dass ich gleichzeitig so geschockt und so begeistert von dem Buch sein würde (ehrlich gesagt, ich brauchte eine Weile, bis ich mich rangetraut habe, weil mir das Buch ein bisschen angst gemacht hat). Endlich mal wieder 5 Sterne ;)

Oh, und die Erklärung, warum ich manchmal besser mit dem Lesen aufhören sollte: Gestern, nech, also... da lief ich so durch die Stadt, immer noch den Kopf voll vom Buch und stand in der Post und auf einmal hatte ich das merkwürdige Gefühl, als befände ich mich in einer Realität, die eine andere Realität überlagert und wo es kurzzeitig zu Interferenzen kommt. Also, nicht so Matrix-mäßig, sondern eher in Richtung Paralleluniversum. Das war vielleicht merkwürdig und is garantiert der Tatsache geschuldet, dass "Vaterland" alternative history ist und ich mir das einfach eingebildet habe. Alles andere würde mein Gehirn zum Explodieren bringen, weswegen ich da jetzt einfach nicht mehr drüber nachdenke

reading, fandom: misc books, parallel universe, reading: crime

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