Nichts wirklich wichtiges - Meta by Eiche

Sep 10, 2008 18:05

Mich frisst es zur Zeit wieder. Und weil ich jetzt endlich zu dem Schluss gekommen bin, dass Eiche einfach ein tolles Opfer ist und sein erstes BuLi Tor dieser Saison einfach gewürdigt werden muss (weils so schön war und seine Rechtfertigung danach so *awww* ), dachte ich mir, ich poste es einfach jetzt mal zeitverzögert, aber die schwarzen Löcher sind Schuld! Ich hatte es bestimmt vorher schon gepostet ;)
Ein kurzer Oneshot mit einem doch recht schwermütigen Herrn Eichner, der meine Frustration ausbaden musste.

Und weil es immer die sind, die was tun, die meinen, sie täten nicht genug.

Titel: Nichts wirklich wichtiges

Warnungen: Ein Tröpfchen Wahrheit.

FSK:  ab 12

Charaktere: Eiche, als nachdenklicher Profi, Maik, als Kummerkasten, und Staffi, weil er einfach dazu gehört. (Der vierte im Bunde ist ja leider verheiratet und fühlte sich deswegen verpflichtet nicht zu erscheinen)


„Mensch, Eichi. Jetzt nimm doch mal den Kopf hoch, dank dir haben wir heute gewonnen!“

Maik sah Eiche erwartungsvoll an. Doch der seufzte nur und hätte die Nase am liebsten noch tiefer in das Bierglas, das vor ihm stand, gesteckt.

Timbes schüttelte den Kopf. Das konnte ja wohl nicht wahr sein.

„Also, wenn er nicht feiern will, dann mach ich mich Heim.“ Er grinste. „Da gibt es nämlich jemanden, der unseren Sieg bestimmt gerne mit mir feiert.“

Eiche nickte nur bedröppelt.

Maik schüttelte den Kopf über Eiches Todestagsstimmung. „Wenn ich das Ding gemacht hätte, würde ich mich freuen.“

Timbes blickte zustimmend drein, stand auf und zahlte am Tresen. „Sag Bescheid, wenn er wieder normal ist.“

Maik tippte sich zum Abschied an die Stirn und Timbes verschwand mit einem letzten Blick auf Eiche aus der Bar.

Dann wandte Maik sich wieder Eiche zu, der immer noch nicht glücklicher aussah, und stupste ihn über den Tisch hinweg an.

„Hier, was isn los mit dir?“

Eiche zuckte die Schultern. „Ich weiß nicht.“

„Nicht freuen?“

Maik sah so unschuldig drein, dass es Eiche unter normalen Umständen wohl zumindest mal ein Lächeln entlockt hätte. Aber so schüttelte er schwermütig den Kopf. „Irgendwie nicht.“

„Wieso?“

Eiche nahm die Hände vom Tisch und ließ sie wieder fallen. „Keine Ahnung. Es ist irgendwie komisch. Gut, wir haben gewonnen, aber...“

„Aber?“

„Weiß nich.“

Maik atmete aus. „Mann, Eiche...“

Der schmiss die Hände in die Luft und lehnte sich in seinem Stuhl zurück. „Ich weiß es nicht, Maik, okay?“

„Aber du musst es doch wissen!“

Eiche sah irgendwo auf den Tisch und verschränkte genervt die Arme vor der Brust. So eine Standard-Antwort! - „Ich bin einfach nicht zufrieden, in Ordnung?“

Maik schüttelte unverständig den Kopf. „Aber womit denn? Du hastn super Spiel gemacht und dann noch dieses Tor geschossen!“

Wieder zuckte Eiche nur die Schultern. Er war es Leid seine achso große Tat immer wieder vorgekaut zu kriegen, nur weil sie ihn eben nicht so erfüllte wie sie es vielleicht sollte.

„Und?“

„Und? Wofür trainierst du denn jeden Tag? Was willst du mehr?“

Er atmete aus, setzte sich gerade hin, legte die Hände um sein Bierglas und sah Maik an. „Was habe ich denn schon groß getan, um irgendetwas zu bewegen? Wieso wird so ein Tor als Heldentat gefeiert?“ Sein Blick war forschend. „Was habe ich denn schon Großes bewirkt damit? So ein Tor...“ Er blickte wieder auf das Glas. „Das hilft doch niemandem.“

Maik sah ihn nur kurz an, aber seine ganze Verständnislosigkeit lag in seinem Blick. „Wie kommst du denn auf das schmale Brett? Uns hilft es.“

„Super, dem KSC und dem Sport oder was?“ Eiche blickte Maik gereizt in die Augen. Dann ließ er sich wieder zurückfallen. „Ich habe heute nichts getan, das irgendjemandem wirklich hilft. Da draußen sterben Menschen am Fließband und hier? Hier werde ich für so etwas nichtiges gefeiert als hätte ich ein Leben gerettet.“ Sein Kinn legte sich auf die Hände über dem Glas und seine Stimme wurde wieder leiser. „Staffi und ich waren neulich im Krankenhaus. Das sind Kinder, die da liegen und jetzt schon um ihr Überleben kämpfen. Multiple Sklerose. Stell dir vor, dir frisst irgendwas erst die Muskeln und Nerven kaputt und dann dazu noch das Hirn. Langsam, aber sicher. Scheiße, da gehst du schon mit 14 oder 15 geradewegs auf den Tod zu! Was hat denn ein Tor damit zu tun? Was kann so ein lächerliches Tor da helfen? Und wie da dann gefeiert wird, während neben dran Krankheiten und Kriege Menschen abschlachten - das ist doch absurd.“

Maik schwieg und sah seinen nachdenklichen Freund an. Er hatte Recht, irgendwo. Vielleicht. Und bewusst richtete sich sein Blick in die Ferne. Wenn er nur die News der letzten Tage und Wochen betrachtete: Krieg in Georgien, Afghanistan, Palästina und Israel, Seuchen in Uganda, Südafrika und Simbabwe, Korruption, Armut und Drogen in Süd-, aber auch Mittel- und Nordamerika - oder schon vor die eigene Haustür... Wie vielen anderen es dort wohl nicht so gut ging wie ihnen. Wieso machten sie da so einen Wirbel um ihren Sport? Eigentlich war es doch nur genau das: Ein Sport. Wettkampf, an und für sich nicht wichtig - und wenn er ein bisschen genauer hinsah, war es noch etwas anderes: ihr Leben.

Linien, die wenigstens zum Teil für sie die Welt bedeuteten.

„Ich habe einfach das Gefühl, dass ich in den letzten Tagen und Wochen nichts getan habe, das mich wirklich erfüllt“, unterbrach Eiche seinen Gedankengang. Sein Blick führte an Maik vorbei, irgendwohin. Vermutlich waren seine Gedanken genauso weit weg wie seine eben. Vielleicht waren sie sogar an den gleichen Orten.

„Nichts, das diese Welt wirklich besser machen könnte.“

Maik seufzte. Was für eine Stimmung. Und das nach einem Sieg. Ironie.

„Aber wir tun doch etwas...“, brachte er recht schwach hervor. Er verstand Eiche. KSC tut GUT und die anderen Aktionen halfen vielleicht, aber es war nicht genug und definitiv unter ihren Möglichkeiten. Trotzdem. „Und da draußen ist ein ganzer Haufen Leute, denen das, was du heute geleistet hast, enorm wichtig ist. Und etwas, das sie glücklich macht. Ich mein - die Kleinen freuen sich doch auch, wenn ihr Idol ein Tor für den KSC schießt. Das ist doch immerhin etwas“, versuchte er den Mutlosen aufzuheitern.

„Schon“, gab Eiche zu. „Aber im Endeffekt ist es auch nur etwas, das sie kurz ablenkt von dem, was eigentlich wichtig ist. Mann, Maik!“ Sein Blick traf Maik wütend und - verzweifelt?

„Wir sind doch nicht mehr als Unterhaltungsindustrie, die ne Menge Geld für nen winzig kleinen Anteil an Menschen schöffelt, die verdammt reich werden und andere damit ziemlich arm machen!

Im Grunde sind wir ein ziemlich beschissener Teil des Prozesses, der die Welt nach arm und reich, nach privilegiert und unterprivilegiert aufspaltet!“ Unruhig und sauer fuhr er ich durch die Haare. „Überleg dir doch mal, was mit dem Geld angefangen wird, das wir eintreiben! Damit werden auch keine Medikamente finanziert! Oder ist dir überhaupt bewusst, dass wir mit Schuhen, Trikots und Bällen spielen, die arm, krank und tot machen? Und dass es unsere Fanartikel sind, die dazu beitragen, dass Kinder statt Kinder sein zu dürfen arbeiten müssen, Tag wie Nacht? Vielleicht sogar verkauft und misshandelt werden? Und dann setzen wir uns vornerum scheinheilig für bessere Konditionen für Kinder in Afrika, ein besseres Weltklima und gegen Gewalt und Krieg ein - das ist doch krank!“

Eiche schüttelte den Kopf.

Maik biss sich auf die Unterlippe. Ja. Es war krank. Sicher. Aber sollte all das, wofür er einstand und seinen Namen lieh eine einzige Doppelmoral sein, die ihresgleichen suchte?

„Dann wären wir die Werbung für die Teilung der Welt“, schlussfolgerte er und Eiche nickte.

„Ganz genau das sind wir.“

Eiche sah ihn bohrend an. Maik blickte betreten in der Kneipe umher. Nicht mehr viel los um diese Uhrzeit. Trotzdem. Eiche hatte es geschafft: Er fühlte sich genauso schlecht wie der andere.

Vielleicht, weil Eiche ihm gerade bewusst gemacht hatte, für was er eigentlich stand.

Aber stand er tatsächlich dafür? Er wollte das schließlich nicht. Es war über seinen Kopf hinweg so entschieden, es hatte mit Sponsoren und Dumping-Löhnen zu tun, Themen, die unendlich weit weg schienen. Aber doch nicht mit ihm als Person?

Wie auch immer. Er konnte Eiche verstehen: Sich mit dieser Seite eines Breitensports zu beschäftigen, hinterließ ein schlechtes Gefühl. Eins der Sinnlosigkeit allen Einsatzes. Und vor allem eins: Unzufriedenheit, die ihm keine Ruhe ließ.

Er atmete durch. Dann nickte er und hob das Glas, trank. Setzte ab und erwiderte den Blick. Und sagte dann etwas, das so schlicht war, dass es ihn selbst in seiner Endgültigkeit, mit der er es hervorbrachte, verblüffte: „Du hast recht.“

Eiche nickte. Und hätte sich gewünscht, dass dem nicht so wäre. Er fühlte, wie diese gewisse Mutlosigkeit in ihm aufstieg, die ihm bewusst machte, dass er wieder vor dieser einen verdammten Frage stand, die jeden irgendwann beschäftigte, dem klar geworden war, dass er den Sinn in seinem Tun immer wieder von Neuem suchen musste. Seine Stimme war leise, als er sie stellte:

„Wieso machen wir es dann?“

Maik erwiderte seinen Blick und Eiche hätte sich mehr Entschlossenheit und Sicherheit in seiner Stimme gewünscht, damit er sich daran festhalten konnte, als er zögernd und anscheinend wohl überlegt antwortete und ihm, ein bisschen zumindest, aus der Seele sprach.

„Vielleicht, weil das hier unser Leben ist. Und... ich denke, dass man von oben her mehr bewegen kann. Wir können doch etwas verändern, ich meine - wir haben Einfluss auf die Menschen, die zu uns aufsehen. Vielleicht - vielleicht können wir wenigstens ein bisschen was bewegen damit. Und...“

Eiche gelang ein schwaches Lächeln, wie er Maik so betrachtete. Seine Stirn war gerunzelt, er sah aus als überlegte er, welchen Ausweg es aus dieser Misere geben konnte. Ein wunderbares Bild. Eines, das ihm das Gefühl gab, dass es Maik wirklich interessierte. Dass es ihm tatsächlich zu denken gab, was er sagte. Einfach ein gutes Gefühl.

Maiks Blick traf ihn, als der Blonde den Kopf schief legte und Eiche nachdenklich in die Augen sah.

„Vielleicht müssen wir erst werden, was wir sind, damit wir anfangen können, anderen zu helfen. Vielleicht denken wir immer zuerst an uns, aber dann, wenn wir der Meinung sind, dass es uns gut genug geht, denken wir auch an andere.“

Eiche dachte kurz über das Gesagte nach. Aus Maiks Mund hatte es positiv geklungen, aber die Nachricht dahinter war alles andere als das. „Das wäre traurig.“

„Schon irgendwie.“

Eiche atmete unglücklich aus. Er fühlte sich noch schlechter als zu Beginn dieses ganzen, unglückseligen Tages. Auch er hatte genug zum Leben. Und trotzdem: Was tat er schon, um die Lebensqualität anderer zu steigern? - Richtig: Nichts, das tatsächlich helfen konnte. Außer vielleicht, dass er einen recht hohen Steuersatz zahlte. Womit er allerdings auch sein eigenes, recht komfortables Leben finanzierte.

Er sah Maik fast flehend an als wollte er, dass der einen Grund fand, mit dem er sich vor sich selbst rechtfertigen konnte.

„Aber wieso tun wir nichts?“

Doch Maik zuckte nur die Schultern. „Ich weiß nicht. Vielleicht Faulheit. Oder Arroganz. Oder aus Egoismus - wer weiß.“

Eiche nickte.

Ja.

Wer wusste das schon.

Dann nahm er sein Glas und trank. Er sah Maiks Gesichtsausdruck und spürte, dass er ihn mit seiner Schwermütigkeit angesteckt hatte.

Und irgendwie tat es ihm Leid.

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