Jagd

Jun 06, 2012 05:47

Titel: Jagd
Rating: P 12
Genre: Action, Angst, Drama, (double?) CD (?)
Handlung: Eigentlich keine Großartige, außer mal wieder viel Drama... Ich werfe euch einfach mitten in die Handlung hinein, kennt ihr ja schon. Und der Text ist dieses Mal abgeschlossen! xD
Länge: ca. 1600 Wörter
Beta: none

__

A/N: Das hier ist sowas wie mein 'Hallo, ich bin wieder da'-Text (zumindest während der Nachtschichten *hust*). Ich sage schonmal vorweg, dass ich den Text selbst ein klein wenig verworren finde, eher so ein 'flow-of-conciousness'-Ding, wie Jo es mal so schön beschrieben hat. Das passiert irgendwie immer, wenn ich ein Lied höre, sich daraufhin ein Film in meinem Kopf entwickelt und ich einfach versuche, die Szene schriftlich festzuhalten. : )
Hier noch das entsprechende Stück, das mich inspiriert hat:

Inner Universe (Soundtrack zu 'Ghost in the Shell - Standalone Complex)


~*~

Thiel hörte hastige Schritte, die sich vermutlich anderthalb Stockwerke über ihm im Treppenhaus bewegten. Immer zwei Stufen auf einmal nehmend, rannte er Absatz um Absatz nach oben. Er hatte gerade die vierte Etage erreicht, als eine Tür ins Schloss fiel. Mit einem Schnaufen erklomm er die letzten Stufen und öffnete die Tür, durch die Boerne und sein Verfolger erst einige Sekunden zuvor verschwunden sein mussten.

Ratlos sah Thiel sich um und suchte nach einem Hinweis auf die Richtung, die die beiden anderen eingeschlagen haben mussten. Doch unzählige Bauplanen versperrtem ihm die Sicht und machten es unmöglich, den Raum zu überblicken. Er spitzte die Ohren und horchte auf ein verräterisches Geräusch, aus dem er wenigstens eine Richtung erahnen konnte. Das Scheppern eines Metallrohres zu seiner Rechten ließ ihn nicht lange überlegen und er rannte los.

Thiel wagte nicht, nach Boerne zu rufen. Er wollte den Verfolger, der jetzt eigentlich selbst der Verfolgte war, nicht zu einer unüberlegten Handlung verleiten. Schließlich hatte der Mann eine Waffe, denn anders war es nicht zu erklären, warum Boerne vor ihm flüchtete. Die ungefähre Richtung schätzend, lief Thiel durch die Etage, die nur aus einem einzigen, großen Raum zu bestehen schien. Immer wieder musste er Zementsäcken und anderem Baumaterial ausweichen, wobei er fast über ein am Boden liegendes Baugerüst gestürzt wäre. Die Waffe weiterhin in der Hand, atmete er tief durch und zwang sich, einen kühlen Kopf zu bewahren und weiter zu laufen.

Thiel fluchte innerlich, als er daran dachte, wie er und Boerne mal wieder in so eine gefährliche Situation geraten waren. Wie Boerne darauf bestanden hatte, ihn zu begleiten oder besser gesagt ihn zu fahren, da das Industriegebiet mit dem Auto einfach schneller zu erreichen war. Wie Thiel versucht hatte Boerne davon zu überzeugen, dass er bei einem Polizeieinsatz verdammt noch mal nichts verloren hatte. Und wie der Typ es irgendwie geschafft hatte, Boerne in das Gebäude zu treiben, während Thiel noch dabei gewesen war, die Lage zu sondieren. Aber irgendetwas stimmte hier nicht. Die Bilder aus seiner Erinnerung schienen nicht ganz zusammen zu passen, da waren Lücken, und einiges war verschwommen.

Inzwischen hörte Thiel wieder die Schritte der anderen, das Schnaufen und unverständliche Wortfetzen. Ab und zu konnte er auch für einen kurzen Moment eine Gestalt erkennen, wenn eine der Planen zur Seite geweht wurde. So wie es aussah, hatte Boerne es geschafft, einen gewissen Abstand zwischen sich und seinen Verfolger zu bringen. Allerdings steuerten sie auf das Ende der Etage zu, und wenn ihm oder Boerne nicht bald etwas einfiel, dann saßen sie mehr als nur in der Klemme.

Was wollte dieser Mann eigentlich von Boerne? Waren sie etwa blindlings in einen Hinterhalt gelaufen? Hatte dieser Typ es von Anfang an nur auf Boerne abgesehen? Wollte er Boerne wirklich umbringen oder steckte etwas anderes dahinter? Das alles ergab einfach keinen Sinn, irgendetwas schien er zu übersehen. Und warum jagte dieser Mann Boerne quer durch das Gebäude, anstatt ihn an Ort und Stelle zu erschießen? Thiel lief es kalt den Rücken herunter. Was dachte er denn da eigentlich? Er konnte froh sein, dass Boerne zu diesem Zeitpunkt überhaupt noch in der Lage war zu laufen!

Wieder konnte Thiel für einen kurzen Moment einen Blick auf Boerne werfen, der sich seinerseits über die Schulter nach seinem Verfolger umsah. Die Panik in seinen Augen versetzte Thiel beinahe einen Stich in die Brust und er wäre am liebsten direkt an der nächsten Plane vorbei zu Boerne gerannt, doch das konnte er nicht riskieren. Das Ende des Raumes kam immer näher und solange der Mann nicht wusste, wo er war, hatte Thiel wenigstens den Überraschungsmoment auf seiner Seite. Vielleicht konnte er den anderen ja überwältigen und ihm die Waffe abnehmen. Notfalls würde er von seiner eigenen Waffe gebrauch machen, auch wenn er hoffte, nicht auf diese Option zurückgreifen zu müssen.

Hinter einem Stapel mit Zementsäcken ging Thiel in Deckung und hielt den Atem an, als er sah, wie Boerne am Rand des Gebäudes zum Stehen kam. Der Abgrund, an dem er stand, war nur mit einem dünnen Holzgerüst gesichert. Als Boerne sich umdrehte und gegen die Absperrung lehnte, knarrte das Holz beunruhigend. Langsam hob er die Hände und schien darauf zu warten, dass etwas passierte. Thiel fragte sich, ob Boerne wusste, dass er nur wenige Meter von ihm entfernt war. Wollte er ihm Zeit verschaffen? Hoffte er darauf, dass Thiel jeden Moment die Lage - und vor allen Dingen Boerne - retten würde, so wie er es eigentlich immer tat?

Thiel wollte sich gerade erheben, als Boerne ihn direkt ansah und fast unmerklich den Kopf schüttelte. Was hatte das zu bedeuten? Hatte Boerne etwa einen Plan? Aber was sollte das für ein Plan sein? Sich einfach erschießen lassen? Thiel sah fragend zu Boerne hinüber, doch der sah ihn nur mit angsterfülltem Blick an und schüttelte erneut den Kopf. Mit einem Mal schnürte es Thiel die Kehle zu. Das konnte doch nicht Boernes Ernst sein! Langsam richtete er sich auf und hob die Hand mit der Waffe, doch bevor er seine Deckung verlassen und zu den Bauplanen stürmen konnte, zerriss ein lauter Knall die Stille.

Die Zeit schien still zu stehen, als Thiel entsetzt zu Boerne hinüber sah. Langsam breitete sich ein roter Fleck auf dessen Brust aus, und er sah beinahe überrascht an sich hinunter, als könnte er selbst nicht glauben, was gerade eben passiert war. Thiel brauchte einen Moment, bis seine Beine ihm endlich wieder gehorchten und sich zögerlich in Bewegung setzten. Mit jedem Schritt wurde er schneller und stürzte auf Boerne zu, der Halt suchend nach der Absperrung hinter sich griff. Was sich als fataler Fehler erwies.

Die dünne Holzlatte gab ein letztes jämmerliches Knacken von sich, bevor sie unter dem Gewicht von Boernes Körper nachgab. Thiel ließ seine Waffe fallen, streckte die Hand aus und machte einen Satz nach vorn, doch Boernes Finger streiften seine nur kurz und seine Hand griff ins Leere. Wie in Zeitlupe schien Boerne zu fallen, die Hand weiterhin nach ihm ausgestreckt. Sein Mund formte ein überraschtes „Oh“, die Augen waren weit aufgerissen, bis er sie einen Moment später schloss, das Unausweichliche erwartend.

Thiel wandte den Kopf ab und schloss die Augen, als kurz darauf ein dumpfer Schlag zu hören war. Er ließ sich nach hinten fallen und rang nach Luft. Das war nicht passiert, das konnte nicht passiert sein. Boerne war… Boerne war… tot. Boerne war vor seinen Augen erschossen worden und in den Tod gestürzt. Wie vom Blitz getroffen sprang Thiel auf und stürzte sich auf seine Waffe. Der Mann konnte noch nicht weit sein, er musste ihn verfolgen!

Mit der Waffe in der Hand richtete Thiel sich auf, doch von dem Schützen war weit und breit keine Spur. Hatte er sich irgendwo versteckt oder war schneller, als Thiel es ihm zugetraut hätte? Suchend sah er sich um und versuchte, jeden Gedanken an Boerne für den Augenblick auszublenden.

Es dauerte einen Moment, bis Thiel den Geruch von Schießpulver wahrnahm. Irritiert blickte er auf die Waffe in seiner Hand und hob sie an seine Nase. Ungläubig roch er daran und fuhr mit einem Finger über die Mündung, nur um ihn sofort zurück zu ziehen. Was zum…? Wann hatte er aus seiner eigenen Waffe einen Schuss abgefeuert? Was zum Teufel war hier los?

Thiel sank auf die Knie und presste die Hände gegen den Kopf, in dem sich ein dumpfes Pochen ausbreitete. Und mit einem Mal kamen die Bilder zurück.

Es hatte nie einen Verfolger gegeben, zumindest keinen dritten Mann.

Er war der Verfolger gewesen.

Die Bilder aus seiner Erinnerung, die vorher noch seltsam verschwommen und unwirklich gewirkt hatten, nahmen nun klare Formen an. Er hatte Boerne mit vorgehaltener Waffe dazu gezwungen, in das Industriegebiet zu fahren. Er war ausgestiegen und hatte einen Moment nicht aufgepasst, was Boerne dazu genutzt hatte, in das leerstehende Bürogebäude zu flüchten. Er war es gewesen, vor dem Boerne versucht hatte zu entkommen. Aber warum? Was verdammt noch mal hatte ihn dazu gebracht, so etwas zu tun? Was hatte ihn bloß dazu getrieben, Boerne zu entführen, zu verfolgen und letzten Endes zu erschießen?

Erschießen… Er hatte Boerne erschossen. Er hatte seine Waffe auf Boerne gerichtet und abgedrückt. Er war ein Mörder. Er war Boernes Mörder.

Die Worte hallten in seinem Kopf nach und schienen gegen seinen Schädel zu hämmern.

Mörder.

Mörder.

Mit zitternder Hand hob er erneut die Waffe und schloss die Augen. Das leise Klicken des einrastenden Schlagbolzens ließ ihn zusammen zucken, als er tief Luft holte und die noch immer heiße Mündung an seine Schläfe drückte.

~*~

Mit einem Schrei fuhr Thiel aus dem Schlaf hoch und rang verzweifelt nach Luft. Ein Traum, es war Gott sei Dank nur ein Traum gewesen. Stöhnend fuhr er sich mit den Händen durchs Gesicht und ließ sich zurück in die Kissen fallen. Nachdem er ein paar Mal tief durchgeatmet hatte, drehte er sich auf die Seite und betrachtete die schlafende und gleichmäßig atmende Gestalt neben sich. Nur um sicher zu gehen, strich er mit der Hand über Boernes Brust und stieß erleichtert die Luft aus. Kein Einschussloch, natürlich war da kein Einschussloch. Vorsichtig legte er einen Arm um Boerne und zog ihn zu sich heran. Sein Herz raste noch immer und allein die Vorstellung, dass dem anderen etwas zustieß - ganz zu schweigen davon, dass er dafür verantwortlich sein könnte - ließ ihn schaudern.

„Was ist denn?“, kam er verschlafen von Boerne.

„Nichts, alles in Ordnung.“

„Hm?“

„Schon gut, schlaf einfach weiter.“

„Schon dabei“, murmelte Boerne und atmete kurz darauf wieder gleichmäßig.

‚Und lass uns nur nie, nie wieder spät abends so deftig essen, dabei aktuelle Fälle diskutieren und dann auch noch streiten’, fügte Thiel in Gedanken hinzu und schloss die Augen, als er sich einer Decke gleich um Boerne schlang.

Tatort Münster, thiel/boerne, fanfiction

Previous post Next post
Up