Noch ohne Titel

Apr 13, 2012 18:34



Rating: PG 6
Genre: Drama? / Pre - Slash
Handlung: eigentlich keine
Länge: ca. 2100
      Updated: 12. April
Ich hoffe, das mit dem ändern des Eintragsdatums hat geklappt, damit das ganze mal weiter nach oben rutscht auf der freundesliste : )


A/N: Heute habe ich nach langer Zeit mal wieder dieses Musikstück gehört und eine Story begann, sich zu entspinnen. Eigentlich hatte ich die Momente nach diesem Text im Kopf, aber der Weg zu der noch nicht geschriebenen Szene war dann doch irgendwie nett : )
Das entsprechende Stück: Lux Aeterna (unbedingt anhören ;D)

~*~

Der Regen prasselte in großen, schweren Tropfen auf das Autodach und machte die Stille in Innern beinahe unerträglich. Keiner von beiden sprach ein Wort und das quietschende Geräusch der Scheibenwischer schmerzte  in den Ohren. Die ganze Fahrt über herrschte angespanntes, erwartungsvolles Schweigen zwischen ihnen.

Als die Fabrikhalle in einiger Entfernung endlich in Sicht kam, ergriff Boerne doch das Wort. Vielleicht konnte er den anderen noch im letzten Moment davon überzeugen, dass dieses Vorhaben einfach wahnwitzig und absolut unüberlegt war. Ohne Verstärkung, ohne jegliche Absicherung. Sicher, er war normalerweise der Erste, der sich in gefährliche Situationen begab, ohne auch nur einen einzigen Gedanken an die möglichen Konsequenzen zu verschwenden. Aber das hier…

„Thiel, überlegen Sie es sich doch noch einmal, ich meine -“

„Nein Boerne, keine Diskussionen. Er hat unmissverständlich klar gemacht, was passiert, wenn ich seine Anweisungen nicht befolge.“

„Aber das ist doch -“

„Schon allein die Tatsache, dass ich Sie mitgenommen habe… ich muss wohl völlig bescheuert gewesen sein. Aber so habe ich wenigstens ein Auge auf Sie und kann sicher gehen, dass Sie nicht irgendeine Dummheit begehen.“ Thiel sah zu ihm hinüber und für einen Moment stahl sich die Spur eines Grinsens auf sein Gesicht. „Zumindest keine, die ich nicht noch verhindern könnte.“

Mit einem resignierten Seufzen sah Boerne aus dem Fenster und versuchte, seiner rasenden Gedanken Herr zu werden. Was, wenn das hier schief ging? Was, wenn dieser Typ sein Wort nicht hielt (wovon bei einem Psychopathen seines Kalibers auszugehen war)? Was, wenn Thiel etwas zustieß? Was, wenn -

Mit einem leisen Knirschen kam Thiels Dienstwagen auf dem Schotter an der Seite der Fabrikhalle zum Stehen. Die Spannung im Auto war mittlerweile schon fast greifbar und keiner von beiden wusste so recht, was er sagen sollte.

„Boerne, ich -“

„Thiel…“

Für einen Moment sahen sie sich an, fragend, erwartungsvoll, unsicher. Als Boerne eine Hand an seinem Unterarm entlang streichen spürte, sah er zunächst hinab und wieder in Thiels Gesicht. Wie in Zeitlupe bewegte Thiel sich auf ihn zu und er schloss die Augen. Er spürte warmen Atem über sein Ohr streichen und zuckte leicht zusammen.

„Es tut mir Leid.“

Eine furchtbare Vorahnung machte sich in Boerne breit. Nein, das konnte unmöglich sein ernst sein. Er würde doch nicht… Gerade, als er die Augen öffnen und Thiel fragen wollte, was genau er damit meinte, spürte er kaltes Metall an seinem Handgelenk und hörte ein Klicken, das ihm das Blut in den Adern gefrieren ließ.

Völlig entgeistert sah Boerne die Handschellen an, die ihn an das Lenkrad fesselten.

„Thiel, was soll das? Sind Sie jetzt endgültig von allen guten Geistern verlassen? Machen Sie mich wieder los, auf der Stelle!“ Probehalber zerrte Boerne an den Handschellen, was ihm allerdings nichts außer Schmerzen und ein trauriges Lächeln Seitens Thiel einbrachte.

„Ich werde jetzt in dieses Gebäude gehen. Alleine. Und Sie bleiben hier, in Sicherheit. Denn so wie es aussieht, werde ich nicht zurück kommen.“ Boernes Augen weiteten sich, doch Thiel ließ ihn erst gar nicht zu Wort kommen. „Keine Vorträge, ich habe meine Entscheidung getroffen. Wenn es gut läuft, nehme ich den Typen wenigstens noch mit. Denn nur so kann ich sichergehen, dass dem… den Menschen, die mir am wichtigsten sind, auch wirklich nichts mehr zustoßen kann. Nadeshda und Staatsanwältin Klemm werden wissen, wo wir sind. Allerdings erst in zwei Stunden.“ Für einen kurzen Augenblick sah er Boerne an, bevor er den Blick senkte und nach der Tür griff. „Also dann…“ Thiel schien kurz noch über etwas nachzudenken, doch der Moment war fast genau so schnell wieder vorbei, wie er gekommen war.

Ohne ein weiteres Wort stieg Thiel aus dem Wagen und warf Boerne einen letzten Blick zu, bevor er die Fahrertür hinter sich zu schlug und die Halle durch eine Seitentür betrat.

Es dauerte einen Moment, bis Boerne aus seiner Starre erwachte und wieder in Bewegung kam. Der Blick. Dieser letzte Blick, den ihm der andere zugeworfen hatte. Dieses Bedauern, die Endgültigkeit die darin gelegen hatten und noch so viel mehr, was nur schwer in Worte zu fassen war. Hektisch suchte er nach seinem Handy und scrollte durch das Telefonbuch. Bei dem Buchstaben N stoppte er und öffnete den Eintrag Nadeshda Krusenstern. Sekunden, die ihm wie Stunden vorkamen, vergingen, doch es ertönte kein Freizeichen. Irritiert blickte Boerne auf das Display und fluchte lauthals, als er sah, dass er hier draußen irgendwo im nirgendwo keinen Empfang hatte. Langsam begann echte, kalte Panik sich in ihm auszubreiten und Boerne hatte große Mühe, einen klaren Gedanken zu fassen. Die Handschellen, er musste als erstes diese Handschellen los werden, egal wie.

~*~

Die Schmerzen in seiner Hand waren beinahe unerträglich, doch für den Moment war das so ziemlich das Letzte, woran Boerne dachte. Er biss die Zähne zusammen und öffnete die Tür, durch die Thiel vor einer gefühlten Ewigkeit verschwunden war. Wie viel Zeit inzwischen vergangen war, wusste er nicht, aber jede Minute war eine Minute zu viel.

Mit einem Krachen fiel die Tür hinter Boerne ins Schloss und er zuckte unweigerlich zusammen. Hoffentlich war das Geräusch im Innern der Halle nicht zu hören gewesen. Zwei Stufen auf einmal nehmend hastete er die Treppe hinauf, die Thiel ebenfalls genommen haben musste und sah sich auf dem Treppenabsatz um. Links oder rechts? Welche Richtung sollte er einschlagen? Boerne zögerte einen Augenblick und entschied sich für rechts. Je länger er wartete, desto wahrscheinlicher war es, dass er zu spät kam - und das würde er sich niemals verzeihen.

Die linke Hand an seinen Oberkörper gepresst, rannte Boerne den Gang entlang. Er musste sich auf einer Art Galerie befinden, die einmal um das Halleninnere herum führte. Fenster wechselten sich mit bretterbeschlagenen Öffnungen ab und gewährten ihm nur alle paar Meter einen Blick in die Halle. Immer wieder sah er im Laufen nach unten und versuchte, zwischen den Regalen und Containern Thiel auszumachen, was bei den bescheidenen Lichtverhältnissen nicht gerade einfach war. Und wo verdammt noch mal war die nächste Treppe? Irgendwo musste es doch einen Weg nach unten geben. Hatte er sich am Ende etwa doch für die falsche Richtung entschieden?

Leise fluchend, warf Boerne erneut einen Blick nach links und musste den Impuls unterdrücken, laut nach Thiel zu rufen. Er hatte zwar nur für einen kurzen Moment einen dunkelblonden Haarschopf gesehen, aber es handelte sich ohne Zweifel um Thiel. Immer wieder erhaschte Boerne einen kurzen Blick auf den anderen, aber ein wirkliches Bild von dem, was sich da unten abspielte, konnte er sich noch immer nicht machen. Je weiter er auf der Galerie die Halle umrundete, desto besser konnte er mit der Zeit die betreffende Stelle einsehen. Doch was Boerne sah, ließ ihm den Atem stocken.

Inzwischen war nämlich auch der Mann zu sehen, der für all das hier verantwortlich war. Erst noch irritiert über ihren scheinbar immensen Größenunterschied, erkannte Boerne, dass Thiel kniete. Was sein Herz allerdings beinahe für einen Schlag aussetzen ließ, war der Lauf einer Waffe, der auf seiner Stirn ruhte. Im letzten Moment richtete Boerne den Blick wieder nach vorne und schaffte es gerade noch, vor der Treppe stehen zu bleiben, die er fast übersehen hätte.

Sein Herz raste, doch er zwang sich, tief durchzuatmen. Wenn er sich jetzt durch ein Geräusch verriet, dann war alles umsonst gewesen, dann hätte er Thiel auf dem Gewissen. Allein der Gedanke löste eine Welle der Übelkeit aus, die Boerne nach Luft schnappen ließ. Stufe um Stufe näherte er sich einer weiteren Tür, unter der ein fahler Lichtschein hindurch schimmerte. Vorsichtig öffnete Boerne sie und zwängte sich durch den schmalen Spalt. Er hätte vor Schmerzen beinahe aufgestöhnt, als seine Hand den Türrahmen streifte, aber Boerne riss sich zusammen und drang weiter in die Halle vor.

Mit dem Rücken an das nächste Regal gepresst, versuchte er sich an die ungefähre Position von Thiel zu erinnern. Er warf einen Blick durch die Reihen von Kartons, doch das einzige was er sah, waren weitere Regalreihen. Nach kurzem Zögern schlug er die Richtung ein, in der er den Mann und Thiel vermutete. Während er sich noch immer zu orientieren versuchte, drangen Wortfetzen an sein Ohr, auf deren Quelle er sich zu bewegte.

„… nicht gedacht, dass Sie wirklich kommen.“

Die Stimmen kamen von rechts, also ungefähr von dort, wo Boerne die beiden vermutet hatte. Hoffentlich war dieser Psychopath von der redseligen Sorte, das würde ihm wenigstens noch ein bisschen Zeit verschaffen, um über seine nächsten Schritte nachzudenken. Denn ehrlich gesagt hatte Boerne noch keine Idee, was er eigentlich genau tun sollte.

„… halte normalerweise mein Wort.“

Das war Thiel, eindeutig. Boerne nahm sich vor, ihm in Sachen fehlgeleiteten Heldentums einen ausführlichen Vortrag zu halten, wenn all das hier vorbei war.

„… sagt, dass ich das selbe tue?“

„… habe ja wohl keine Wahl.“

Die Stimmen wurden lauter und Boerne schätzte, dass nicht mehr all zu viele Regalreihen zwischen ihm und Thiel standen. Auf einer der Kisten neben ihm lagen mehrere Metallrohre und nach kurzem Überlegen nahm er eines auf und wog es in der Hand. Auch wenn er noch immer nicht wusste, wie er in die Situation einschreiten sollte, unbewaffnet würde er sich garantiert nicht zu einer Schießerei einfinden.

„Du hängst wohl nicht gerade an deinem Leben?“

„Warum sollte ich?“

„Hast du keine Familie? Freunde?“

„Ich wüsste nicht, was Sie das angeht.“

„Ich bin immerhin der letzte Mensch, mit dem du reden wirst. Jedes weitere Wort verlängert dein Leben um einige kostbare Sekunden. Aber wenn du nicht willst…“

„Meine Exfrau lebt mit meinem Sohn in Neuseeland und mein Vater ist schon dreißig Jahre ohne mich zu Recht gekommen. Ansonsten habe ich nur meine Arbeit. Zufrieden?“

„Hört sich ja wirklich nicht gerade überwältigend an.“

„Was habe ich also großartig zu verlieren? Wer sollte mich schon vermissen?“

Boerne hatte das Gefühl, dass sich etwas Kaltes um sein Inneres legte. „Ich! Ich werde dich vermissen! Was ist mit mir?“, hätte er beinahe heraus geschrien. „Zähle ich denn überhaupt nicht?“

„Schade, da verliert deine Hinrichtung doch ein wenig an Reiz. Aber sei es drum.“

„Ich dachte, Sie wollten mich erschießen und nicht zu Tode quatschen.“

„Na, da kann es ja einer kaum abwarten, endlich abzutreten, hm? Soll mir recht sein.“

Boerne fluchte stumm, als er das Einrasten des Schlagbolzens hörte. Er hatte gehofft, dass Thiel vielleicht Zeit heraus schlagen würde, und nicht, dass er sein eigenes Ableben auch noch beschleunigte. Vorsichtig spähte er um die Ecke eines weiteren Regals und atmete tief durch. Irgendwie hatte er es tatsächlich geschafft, sich dem Mann von hinten nähern zu können. So leise wie möglich schlich er sich immer näher an den breiten Rücken, der ihm größtenteils die Sicht auf Thiel verwehrte.

Zentimeter um Zentimeter arbeitete Boerne sich vor, darum bemüht, den anderen nicht auf sich aufmerksam zu machen. Mit jedem weiteren Schritt rückte Thiel mehr und mehr in sein Sichtfeld. Was er allerdings nicht bedacht hatte, war, dass auch Thiel ihn mit der Zeit bemerken musste. Er sah noch, dass Thiels Blick für einen Moment an ihm hängen blieb und seine Augen sich beinahe unmerklich weiteten. Doch dieser kurze Augenblick schien schon zu viel gewesen zu sein, denn plötzlich ging alles ganz schnell.

Mit einem „Was zum…?“ drehte der Mann den Kopf. Geistesgegenwärtig holte Boerne mit dem Metallrohr aus und legte seine ganze Kraft in diesen einen Schlag. Er wusste, dass er nur eine Chance hatte, denn wenn der erste Treffer nicht saß, würde er keine Gelegenheit bekommen, ein zweites Mal auszuholen. Das Rohr sauste durch die Luft und zertrümmerte mit einem hässlichen Geräusch Jochbein und Nase seines Gegners. Wie ein gefällter Baum ging der Mann zu Boden, doch alles was Boerne wahrnahm, war der laute Knall, der durch die Halle echote.

Mit einem Scheppern ließ er das Metallrohr fallen und eilte fassungslos zu Thiel, der reglos auf dem Boden lag. Um seinen Kopf sammelte sich eine rote Lache, die zusehends größer wurde und erneut packte Boerne die kalte Panik.

„Nein. Nein! NEIN!“ Boerne war sich nicht einmal bewusst, dass er die Worte heraus schrie.

Das konnte nicht sein, das durfte einfach nicht sein! Er war doch rechtzeitig da gewesen, er war vorsichtig gewesen. Er war … kraftlos sank er neben Thiel auf die Knie. Es war umsonst gewesen. Alles war umsonst gewesen. Er hatte es nicht geschafft. Er hatte versagt. Er hatte Thiel verloren. Und das, wo er ihn doch gerade erst … gefunden hatte. Vor Minuten. Oder waren bereits Stunden vergangen, seit Thiel ihn allein im Auto zurück gelassen hatte?

Tatort Münster, fanfiction, thiel, boerne

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