fanfic25 - Runde 2 - Winter (#15)

Oct 16, 2006 16:09

Titel: Die Hand, die füttert
Autor: Birgitt Schuknecht
Fandom: Robin Hood
Charakter: Will Scarlett
Kategorie: Challenge: fanfic25 - Runde 2 - Winter (15), Gewalt
zeitliche Einordnung: vor Will You Tolerate This?
Spoiler: für Will You Tolerate This?
Zusammenfassung/Appetithappen: Blut ist nicht nur dicker als Wasser.
Anzahl der Worte: 1103 (ohne Header und Titel)
Datum: 16.10.2006
Disclaimer: Ich besitze keinerlei Rechte an den Charakteren und den Ereignissen aus Robin Hood. Diese Rechte gehören Tiger Aspect Productions und British Broadcasting Corporation (BBC). Ich beabsichtige in keiner Weise, diese Rechte zu beschneiden. Zwar besitze ich die Rechte an dieser Geschichte, habe aber keine Intention, durch sie materielle Vorteile zu erlangen.
Anmerkung: Inspiriert von der Folge 1 der neuen BBC-Serie (Will You Tolerate This?) - eine Hintergrundgeschichte für Will Scarlett. Ich hoffe, es ist in Ordnung, dass ich die Robin-Hood-Legende in die Kinder/Jugendbuch-Kategorie packe.


Vater hat mich nie geschlagen. Die meisten meiner Freunde wissen davon zu berichten, wie ihre Eltern ihnen die eine oder andere Ohrfeige geben, um sie für einen Streich oder eine Respektlosigkeit zu strafen.

Bei Luke wundert es mich nicht, dass er nicht gezüchtigt wird - schließlich bin ich der Ältere und für meinen Bruder verantwortlich. Er läuft mir den ganzen Tag hinterher, will bei allem, was ich tue, dabei sein. Es stört mich nicht. Im Gegenteil. Oft ist es nützlich, ihn dabei zu haben. Für sein Alter ist er schnell und gescheit und viele meiner Unternehmungen wären ohne ihn schiefgegangen. Da ist es ein kleiner Preis, die Strafen auf mich zu nehmen. Ich habe keine Angst vor meinem Vater, denn ich weiß, dass er mich nicht schlagen wird.

Er ist nicht einmal wütend geworden, als ich ihn nach Mutters Beerdigung angegriffen habe. Ich wollte nicht weinen, ich durfte nicht weinen und meine Wut hat mir die Kehle zugeschnürt. Als Vater mich in den Arm nehmen wollte, stieß ich ihn weg. Er stolperte und konnte mit Mühe einen Sturz verhindern. Er starrte mich mit weit aufgerissenen Augen an und in diesem Moment waren es Mutters Augen, die mich ansahen, nur ein paar Minuten, bevor sie einschlief und nie mehr aufwachte.

Ich schrie ihn an und packte ihn an seinem Hemd und schrie, bis ich heiser war. Das letzte, was ich hervorbrachte, war die Frage, warum er sie hat sterben lassen. Warum er sie hat verhungern lassen. Er hatte keine Antwort und als er mich dann in den Arm nahm, hatte ich nicht die Kraft, ihn wegzustoßen. Und ich hatte auch nicht die Kraft, mich für meine Worte zu entschuldigen. Aber ich schwor in dieser Sekunde, dass keiner von uns wieder hungern würde.

Der Wald ist voll Wild - die Männer des Sheriffs tragen Sorge, dass die Jagd sogar zu dieser Jahreszeit ein Leichtes ist. Auch für Wilderer. Luke deckt meinen Rücken, während ich mich dem Platz nähere, wo ich die Schlinge ausgelegt habe. Der Schweiß läuft mir den Rücken herunter, obwohl mein Atem in der kalten Luft deutlich zu sehen ist. Es ist kurz vor Sonnenaufgang und wir setzen darauf, dass die Wildhüter sich noch einmal auf ihrem Lager umdrehen. So wie Vater, als wir vor einer Stunde aus unserer Hüte schlichen.

Ich wische mir mit dem Ärmel den Schweiß von der Stirn. Ich drehe mich noch einmal zu Luke um und nicke ihm zu. Er hebt die Hand und hockt sich hinter den Baum, den wir gerade passiert haben. Ein paar Schritte weiter ist der Busch, in dessen Nähe ich die Schlinge versteckt habe. Ich hebe die Äste an und erstarre. Da ist nichts. Keine Falle. Ich zwinge mich, ruhig zu bleiben. Vielleicht täusche ich mich und die Schlinge liegt etwas weiter rechts von--

"Suchst du das hier, Kleiner?"

Bevor ich hochsehen kann, trifft mich ein Handrücken seitlich am Kopf und ich lande benommen auf dem Rücken. Ich blinzle und streiche mir die Haare aus dem Gesicht. Eine dunkle Gestalt beugt sich über mich, packt mich am Arm und zerrt mich hoch.

"Will! Will!"

Ich fluche innerlich. Ein weiterer Wildhüter hält meinen wild zappelnden Bruder fest. "Still", zische ich Luke zu. "Er bricht dir sonst die Arme."

Der Wildhüter, der mich hält, lacht kurz auf. "Was für ein interessanter Vorschlag, Wilderer!" Die Schlinge landet zu meinen Füßen. "Eine Abwechslung. Die Strafe für die Verletzung der Jagdgesetze ist gewöhnlich eine Hand."

"Mein Bruder hat nichts getan." Es ist mehr Gewohnheit, die mich Luke in Schutz nehmen lässt. In der nächsten Sekunde schnürt mir die Angst die Kehle zu. Ich habe die Bestrafung von Gesetzesbrechern oft miterlebt.

"Ein Wilderer und gleichzeitig ein Held. Mir ist es gleich, wer den Preis bezahlt."

"Ich! Dies... sind meine... meine Söhne und dies ist mei... meine Schlinge." Vater ist außer Atem und sein Gesicht rot vor Anstrengung. Als er bis auf ein paar Schritte heran ist, bleibt er stehen und stützt die Hände in die Hüften.

Wieder unterdrücke ich einen Fluch. Ich habe nicht nur die Wildhüter unterschätzt.

"Da haben wir ja eine ganze Brut. Wie gesagt: Mir ist es gleich, wer seine Hand verliert." Mein Wildhüter schleudert mich von sich, meinem Vater vor die Füße. Luke landet im nächsten Augenblick neben mir. Ich rappele mich hoch und baue mich vor den Wildhütern auf. Ich werde den Preis für meinen Schwur zahlen. "Er will mich nur schüt--"

Eine Hand packt mich im Nacken und reißt mich zurück. Ich fasse Vaters Handgelenk, aber bevor ich es wegdrücken kann, wirbelt er mich herum und in der nächsten Sekunde trifft mich seine Faust mitten ins Gesicht. Ich taumele, versuche, mich aufrecht zu halten, doch dann wird mir weiß vor Augen.

***
Irgendetwas ist in meinem Gesicht und ich schlage es mit einer Hand fort. Einen Augenblick später ist es wieder da. Ich setze mich auf und öffne die Augen, packe die Hand, die gegen meine Stirn presst. "Lass mich in Ruhe!"

Es ist Luke, der erstarrt und einen Augenblick später seine Hand losreißt. Er starrt mich aus geröteten Augen an. "Will... Ich--"

"Was?", zische ich und betaste die schmerzende Stelle über meiner Nase. Ich unterdrücke ein Stöhnen und hole tief Luft, um meinen Magen unter Kontrolle zu bringen. Ich kann mich nicht erinnern, dass mir schon mal so schlecht war.

"Will... Sie... Sie haben--"

Luke fasst mir wieder ins Gesicht und ich stoße ihn weg. Ich will nur meine Ruhe haben. Ich stütze meinen Kopf mit meinen Händen ab und starre auf den Boden vor mir. Auf den Waldboden... In meinem Kopf ist ein wildes Durcheinander. Wieso sind wir im Wald?, ist der erste klare Gedanke, den ich fassen kann. Vielleicht ist es besser, wenn ich noch einmal die Augen schließe. Wenn ich das nächste Mal aufwache--

Ein gellender Schrei lässt meinen Kopf fast explodieren. Ich reiße die Augen auf und sehe durch einen Nebel, wie Luke von mir wegkriecht, auf eine Gestalt zu, die zitternd am Boden kauert. Als der Kopfschmerz etwas nachlässt und sich der Nebel vor meinen Augen langsam lichtet, erkenne ich in der Gestalt meinen Vater. Hinter ihm stehen die Wildhüter und der, der mich vorhin - vorhin? - festgehalten hat, wirft mir etwas zu. Instinktiv fange ich es mit beiden Händen. Es ist warm und feucht und ich wische das Feuchte ab, bevor ich begreife, was ich da in Händen halte. Die Erinnerung kommt mit einem Schlag zurück. Ich springe auf und lasse die Hand mit einem Stöhnen zu Boden fallen. Ich hebe meine Hände und starre auf das Blut. Ich bringe es nicht über mich, es abzuwischen, denn es wärmt meine eiskalten Finger.

fanfic25-02: Kinder- und Jugendbücher

fandom: robin hood 1-100, gen, fanfic, ff25, autor: birgitt 1-100

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