Titel: Begegnungen
Autor:
callisto24Fandoms: Heroes/ Gilmore Girls
Charaktere: Nathan Petrelli, Jess Mariano, Luke
Genre: Crossover, Drama
Rating: PG-13
Handlung: Nathan Petrelli begegnet Jess Mariano.
Anmerkung: Jess Mariano ist der Charakter, den Milo Ventimiglia in Gilmore Girls verkörpert. In Heroes spielt er Nathans Bruder Peter.
Zeitrahmen: nach Staffel 3 und Volume 4 von Heroes, sowie nach dem Ende von Gilmore Girls.
AU, da vermutlich keiner und ich am wenigsten begreife, was eigentlich in Heroes los ist. Ich bin mir auch nicht sicher, ob Nathan jetzt fliegen kann… oder wie oder was.
Also lasse ich ihn fliegen, und alles andere wird sich ohnehin mit der ersten Folge aus Staffel4 in Wohlgefallen auflösen.
Warnung: MASSIVE SPOILERWARNUNG für Heroes, Staffel 3, Finale.
Disclaimer: Nichts davon gehört mir, und ich verdiene auch kein Geld.
• * * *
New York war nicht mehr die Stadt für ihn, die sie stets gewesen war.
Nathan Petrelli entschied sich meistens, Zuflucht zu suchen in den Straßen, in den denen er aufgewachsen war, die er als Kind und Teenager erkundet hatte, sobald er den Fängen seiner Kindermädchen und Hauslehrer entkommen konnte.
Doch wie so vieles andere funktionierte auch diese Flucht nicht mehr.
Ganz im Gegenteil. Sein Elternhaus war ihm fremd geworden, und die Stadt gewann beständig an bedrückender Atmosphäre, jedesmal wenn er sich ihr nur näherte.
Und es lag nicht nur an den Erinnerungen, die er mit sich herumtrug. Erinnerungen an Heidi, an die Söhne, die er immer noch nicht sehen durfte, an die Explosion oder an die Schmerzen, die ihm die Verbrennungen bereitet hatten.
Dahinter steckte mehr, eine Finsternis, die er sich nicht erklären konnte.
Eine dunkle Ahnung von etwas Vergangenem oder vielleicht einer Zukunft, die vage schien, und doch furchteinflößend genug, um ihm kalte Schauer den Rücken hinunter zu jagen.
Fast kam es Nathan vor, als wären in dieser Stadt schreckliche Dinge geschehen, als hätte er selbst schreckliche Dinge getan, die nur verzerrt und undeutlich und dennoch unleugbar in seiner Erinnerung existierten.
In Washington fühlte er sich kaum besser, wuchs doch mit jeder politischen Herausforderung das Gefühl, als beschäftige er sich mit einer Sache, die nicht die seine war, die ihm aufgesetzt, aufgezwungen wurde, ohne dass er sich dagegen wehren konnte.
Doch am schlimmsten kamen Nathan die prüfenden Blicke seiner Mutter vor, die ihn wiederholt und aus den fadenscheinigsten Gründen aufsuchte. Er wurde das Gefühl nicht los, dass sie ihn kontrollierte.
Verstärkt wurde dieses Gefühl, wenn sie in der seltsamen Begleitung von Noah Bennet oder sogar von Matt Parkman auftauchte, gestellt zufällige Treffen, die ihn trotz allem ahnen ließen, dass sie von langer Hand sorgsam geplant worden waren.
Und dann begann Peter sich vor ihm zurückzuziehen. Obwohl Nathan manchmal bezweifelte, dass die Distanz zwischen ihnen von dem Jüngeren ausging. Manchmal überrollte ihn eine Welle der Angst und gleichzeitig der Abscheu, wenn er ihm begegnete, eigentlich wenn er nur irgendeinem von ihnen begegnete, von ihnen, die so waren wie er. Und dieses Gefühl verunsicherte Nathan, verunsicherte ihn zu sehr, als dass er damit umgehen konnte.
Nathan wahrte Abstand, und Peter seinerseits tat es ihm gleich.
Wie sehr hatte Nathan gehofft, dass Peter ihn eines Tages verstand, ihm verziehe… wirklich verziehe, was er versucht hatte - was er in bester Absicht versucht hatte.
Doch er wartete vergeblich. Die Spalte zwischen ihnen klaffte bereits zu weit auseinander.
Vielleicht war zu viel geschehen, zu viel kaputt gegangen, und der Gedanke, dass ihre ehemalige Vertrautheit ein für alle mal zerstört sein konnte, schmerzte Nathan mehr, als er zugeben wollte.
Peter fehlte ihm, und das Wissen, dass er ohne ihn mit der steigenden Verwirrung zurecht kommen sollte, die ihn jagte, erschreckte den Älteren.
Und diese Verwirrung ließ sich nicht leugnen. Der Verdacht, dass etwas in ihm schlummerte, das sich anschickte hervorzubrechen, wuchs mit jedem Tag. Etwas Unkontrollierbares befand sich tief versteckt in Nathans Innerem, ein undefinierbarer Hunger, eine Gier nach Gewalt, die er sich nicht erklären konnte.
In seinen Träumen sah Nathan Blut, und wenn er aufwachte, raste sein Puls. Und es war nicht der Schreck, der diesen beschleunigte, nicht die Abscheu oder der Horror. Sondern eine heimliche Lust, deren Ursache verborgen lag, tief verborgen.
Aber Nathan fürchtete sich vor dem Tag, an dem diese Lust sich ihren Weg ins Freie kämpfen sollte, fürchtete sich vor dem Ungewissen, das sie mit sich brächte.
Also floh er, befand sich auf der Suche, wann immer er es möglich machen konnte. Nathan wusste nicht, wonach er suchte, und doch war er nicht bereit, die Suche aufzugeben.
Er flog, und tief in sich fragte er sich immer noch, wie es möglich sein konnte, dass er dazu fähig war. Er flog schnell und hoch, niemand sah ihn starten, niemand sah ihn landen. An seiner Technik hatte er gefeilt, mehr als an seiner Karriere, mehr noch an dem neu entdeckten Studium der Uhrwerke, das er kürzlich für sich entdeckt hatte.
Nathan verstand nicht, weshalb er nicht bereits viel früher auf diese Beschäftigung gestoßen war. Sie beruhigte ihn mehr als alles andere. Es existierte nichts Falsches, kein Fehler in dem Mechanismus einer Uhr. Sie war logisch und durchschaubar, und er konnte Stunden damit zubringen, ein Uhrwerk auseinanderzunehmen und wieder zusammen zu setzen.
Wahrscheinlich hatte ihm bislang einfach die Zeit dafür gefehlt. Sein ganzes Leben war durch den Druck bestimmt worden, den sein Vater und dann seine Mutter auf ihn ausübten. Und jeglicher mögliche Freiraum wurde von vornherein besetzt durch Heidi, die Kinder und natürlich Peter.
Es fühlte sich beinahe beängstigend an, mit einem Mal soviel Zeit für sich zu haben, so wenig gebraucht zu werden, so unwichtig zu sein im Getriebe der Politik, in der er doch nicht mehr als ein Rädchen sein konnte, und so nutzlos in der neu gegründeten Company, in die er sich immer noch weigerte, mehr als unbedingt notwendig involviert zu werden.
Er flog also wieder, und er suchte Orte auf, von denen er nicht wusste, was ihn an diesen anzog. Abgelegene Orte, in denen er ein Fremder sein konnte, ein Unbekannter, jemand der sich auf der Durchreise befand, dem keine Fragen gestellt wurden, und an den niemand Erwartungen stellte.
Und stets war er auf der Suche, ohne der Antwort auf die Frage, wonach er suchte, auch nur annähernd näher zu kommen.
Bis zu diesem Tag. Bis er sich den Schutz der eingebrochenen Dunkelheit aussuchte, um in einem Städtchen mit dem Namen Stars Hollow zu landen.
Er las den Namen, als an dem Straßenschild vorbeilief, und sich unmittelbar im Kern des Ortes befand.
Tausende von Lichterketten schmückten Bäume, Fassaden und einen Platz, der wohl als Marktplatz diente, und dessen Zentrum von einem Pavillon bestimmt wurde.
Ein merkwürdiger, anheimelnder Ort, und Nathan schüttelte den Kopf bei dem Gedanken an den Stromverbrauch, den diese angestrebte Wirkung voraussetzte.
Nichtsdestotrotz fror er, fühlte sich müde und erschöpft, und dennoch nicht bereit nach New York zurückzukehren. Er wartete auf etwas, und wusste immer noch nicht, worauf.
Die Türglocke verursachte ein schepperndes Geräusch, als er in das spärlich besuchte Restaurant eintrat.
„Wir schließen bald“, rief ihm ein schlecht gelaunt wirkender Mann mit Drei-Tage-Bart und Baseballkappe auf dem Kopf zu.
Nathan nickte nur. „Ein Kaffee reicht mir“, sagte er, und wählte einen der freien Tische, der ihm gleichzeitig die Sicht auf das Innere des Raumes und aus dem Fenster über den Platz gewährte.
Der Kaffee kam, und Nathan wärmte dankbar seine Hände an der Tasse, bevor er den ersten Schluck nahm. Es wurde zu kalt, um ohne gefütterte Jacke oder Mantel zu fliegen, und dennoch konnte Nathan sich nicht entscheiden, seine Wintersachen einzusetzen.
Die Kälte klärte seine Gedanken, reduzierte seine Gefühle auf das Wesentliche. Wenn Nathan flog, wusste er, wer er war, dass er lebte, wohin er - Nathan Petrelli - gehörte.
Wenn er nur zuließ, dass die eisige Luft tief genug in ihn hineinkroch, dann begann er sich selbst zu spüren. Wenigstens hoffte Nathan, dass er selbst es war, den er spürte. Er selbst, und nicht dieses andere Wesen, das in ihm hochkroch, sobald er nachlässig wurde, sobald er nicht aufpasste.
Nathan trank seinen Kaffee, und ließ sich nachschenken, als die wenigen übrigen Gäste ebenfalls keine Anstalten unternahmen, den Raum zu verlassen.
Langsam wurde ihm wärmer, und zu seinem eigenen Erstaunen fühlte er sich wohl dabei. Die Spannung in dem Raum prickelte auf seiner Haut, die Erwartung von etwas, das auf ihn zu käme, verdichtete sich von Minute zu Minute.
Nathan sah nicht auf, als die Türklingel erneut in Bewegung gesetzt wurde. Er sah auch nicht auf, er fühlte mehr, dass der Mann hinter der Theke in seiner Bewegung erstarrte.
„Jess. Was bringt dich hierher?“
Erst als der Besucher sich zu dem Wirt herüber lehnte, und zu sprechen begann, hob er seinen Kopf.
Diese Stimme - sie klang vertraut - zu vertraut. Peter?
Nathan blinzelte. Der Mann wandte ihm den Rücken zu, doch seine Statur, die Haarfarbe, sogar die Frisur ähnelten der seines Bruders.
Nathans Blick wanderte hinunter, über die leicht krummen Beine, die schwarze Kleidung, und wieder hinauf zu dem Dunkel der Haare des Fremden.
„Das weißt du sehr gut“, sagte der Besucher, und Nathan schauderte ob der Ähnlichkeit, die in dem Ton der Stimme erklang, das tiefe Timbre, das er ansonsten nur von Peter gewohnt war, zu hören.
Aber Peter hätte ihn gesehen, Peter hätte seine Anwesenheit gespürt. Und vor allem anderen - was sollte Peter in einem Ort wie diesem suchen? Es sei denn, er fühlte sich verloren, ebenso wie Nathan selbst.
„Ich brauche deine Almosen nicht“, zischte der Dunkelhaarige dem Mann mit der Baseballkappe zu. „Hör auf, dich in meine Angelegenheiten zu mischen, Luke. Ich habe dich nicht darum gebeten.“
Luke schüttelte den Kopf. „Du gehörst zur Familie und damit Schluss. Deine Mutter hat mich angerufen, Jess. Was hätte ich tun sollen?“
Jess presste die Lippen aufeinander. „Liz hat keine Ahnung. Dem Geschäft geht es gut. Und wenn nicht, dann käme ich auch so klar. Es besteht kein Grund, mir hinterher zu spionieren.“
„Jetzt komm runter“, rief Luke ärgerlich. „Du regst dich doch nur auf, weil du nicht akzeptieren kannst, was zwischen Lorelei und mir läuft.“
Jess stöhnte. „Das gibt’s doch nicht. Als ob mich das auch nur im Geringsten interessierte.“
Luke schnaubte. „Jeder weiß, dass du über Rory nicht hinweg bist. Du kannst es nicht ertragen, an sie erinnert zu werden.“
Nathan sah wie der Mann erstarrte. Sein Rücken streckte sich, und dann drehte er sich abrupt um und eilte mit hastigen Schritten auf die Tür zu.
Doch der Augenblick, in dem Nathan einen frontalen Blick erhaschte, reichte aus. Er war es. Es war Peter. Dieselben Augen, die etwas zu blasse Haut, die Figur, sogar der Gang. Peters unverkennbarer leicht krummbeiniger Gang.
Und der letzte mögliche Zweifel löste sich in Nichts auf, als Nathans Augen an dem verräterischen Zug um Peters Lippe hängenblieb. Diese hin und wieder leicht verzerrte, und dadurch zugleich unwiderstehliche Unterlippe, die Peter nicht bewegen konnte, nie hatte bewegen können.
Nur das Haar wirkte bei genauerem Hinsehen anders. Ein wenig länger, als es an dem Tag gewesen war, an dem Nathan Peter das letzte Mal begegnet war. Ein wenig kräftiger vielleicht, möglicherweise mit Hilfe von Haarwachs in Form gebracht, möglicherweise einfach in der Witterung widerspenstig.
Und nur für einen Augenblick huschte auch der Blick des Mannes - Peters - über Nathans, richtete sich jedoch ohne ein Anzeichen des Wiedererkennens auf die Tür, und nur Sekunden später hatte er den Raum verlassen.
Nathan schluckte. Es konnte nicht Peter sein. Jedes erdenkliche, logische Argument sprach dagegen. Ganz zu schweigen von dem Gespräch mit dem Wirt, das er soeben belauscht hatte.
Dies war ein anderer Mann, ein Fremder, der nur aufgrund einer Laune des Schicksals aussah, wie sein Bruder. Und wenn er ihm näherkam, ihn ein zweites Mal ansähe, dann würden die Unterschiede auch deutlich genug in Nathans Bewusstsein rücken, um jeden unnötigen Zweifel auszuräumen.
Hastig schob Nathan seinen Stuhl zurück, warf achtlos einen großzügigen Schein auf den Tisch, und eilte dem anderen hinterher.
Sein Herz raste, sein Blut pochte in seiner Schläfe, und seine Gefühle tanzten einen wilden Tanz.
Sein Bruder, der Abstand zu ihm hielt, mehr Abstand, als er jemals zuvor gehalten hatte. Ausgenommen vielleicht der Zeit, in der er selbst sich auf der Militärschule befand, oder der Navy beigetreten war. Ausgenommen den Zeiten, in denen seine Pflichten ihn über Monate davon abgehalten hatten, seine Familie, und vor allem den kleinen Bruder zu sehen.
Peters Platz in Nathans Leben war stets ein besonderer. Der Bruder kam für ihn an erster Stelle, noch vor seiner Mutter, seinem Vater. Sogar vor seiner Frau, und - obwohl er es ungern zugab - auch vor seinen Kindern, die Heidi nach wie vor abschottete, als wäre er eine Gefahr für sie.
Vielleicht lag es an dieser Verletzlichkeit, die Peter schon immer umgeben hatte. Vielleicht auch an einer Art von Pflichtbewusstsein, die ihm bereits als Teenager eingetrichtert worden war. Pflichtbewusstsein, dass ihn von jeher als Peters Aufpasser, seinen Beschützer und als letzten Rettungsanker bestimmte.
Stets war er zur Rettung geeilt, wenn Peter sich wieder einmal in Schwierigkeiten katapultiert hatte, wenn seine Emotionalität und seine idealistischen Bestrebungen zu einer Katastrophe führten, aus der ihn nur der große Bruder herausholen konnte.
Mit seinem Geld, seinen Beziehungen, seiner Fähigkeit Menschen zu manipulieren und ihnen den eigenen Willen aufzuzwingen, war es Nathan bislang immer gelungen, das Schlimmste abzuwenden, und somit Peters Wesen, seine Gutherzigkeit zu erhalten.
Bis zum letzten Jahr. Nein, eigentlich musste es bereits geschehen sein, als sie nach der Explosion getrennt wurden. Als er monatelang im Sterben lag, und Peter vom Erdboden verschluckt wurde.
Wie sehr hatte Nathan sich nach Peter gesehnt. Wie sehr sich gewünscht, mit ihm sprechen, ihm erklären zu können, und Erklärungen von Peter zu erhalten.
Wieso war Nathan nicht gestorben? Beide Male? Was hatte Peter getan? Und woher rührte der harte Glanz in seinen Augen?
Zuerst nur ein Anflug, zuerst glaubte Nathan, er hätte er sich geirrt. Und dann dachte er, dass Peter wohl Dinge erlebt hatte, die ihn härter gemacht hatten, erwachsener, und dass diese Entwicklung nicht unbedingt zum Schlechtesten sein musste.
Doch als die Zeit verging, als Nathan mehr und mehr das Gefühl erhielt, dass Peter sich von ihm distanzierte, dass er sich abwandte, sich nicht helfen lassen wollte, oder gar Richtungen einschlug, die Nathan nicht verstehen, und nicht gut heißen konnte, - da ahnte er bereits, dass ihre einst so enge Beziehung einen Knacks erhalten hatte, der möglicherweise nie wieder gekittet werden konnte.
Und der Schmerz über diesen Verlust hatte sich in Ärger verwandelt, und in Arroganz, in dem sturen Verfolgen der Ziele, die Nathan für richtig gehalten hatte, und von denen vollkommen abzurücken immer noch ein Risiko darstellte, wie er es auch drehte und wendete.
Sylar - die Erinnerung an Sylar blieb verschwommen, fast als wage sein Verstand nicht, sich dieser zu nähern, als zöge jeder Gedanke an dieses Monster einen Schritt in Richtung unvorstellbarer Gefahren mit sich.
Und Sylar war nicht der einzige. Es ging nicht anders, als Menschen wie ihm, Einhalt zu gebieten. Deshalb wahrte er seine Fassade, deshalb blieb Nathan wo er war, tat was er tat, diente als Aushängeschild für diese Farce von Company, mit der sich Bennet und seine Mutter vergnügten.
Nathan schüttelte die Gedanken ab, als die Kälte der Nachtluft durch seine Jacke fuhr. Er blinzelte gegen den milden Schein der Lichterketten, um seine Wahrnehmung der Beleuchtung anzupassen.
Und in diesem Moment entdeckte er ihn wieder - Peter.
Oder Jess, wie der Wirt ihn genannt hatte.
Nathan setzte sich in Bewegung, er lief, mit einem Mal von der Angst erfüllt, er könne auch diese Chance vermasseln, diese Möglichkeit Klarheit in etwas Unerklärliches zu bringen.
Rasch holte er den anderen ein, der sich irritiert umdrehte, als Nathans Schritte im Einklang mit den eigenen auf dem Pflaster aufschlugen.
„Was?“, fragte Jess ärgerlich, und kniff seine Augen zusammen, um den Fremden besser erkennen zu können.
Dieser wirkte älter als er selbst, gutaussehend und war offenbar niemand, der dazu neigte, sich in einer Stadt wie Stars Hollow niederzulassen. Jess runzelte die Stirn, und schickte sich an, seinen Weg fortzusetzen, als der andere sprach.
„Peter“, sagte Nathan, und nicht mehr.
Jess schüttelte den Kopf. „Sie verwechseln mich.“
Nathan biss sich auf die Lippe und legte den Kopf schief. „Du siehst ihm verdammt ähnlich.“
„Kann ich nichts für“, schnappte Jess zurück. „Und jetzt mach die Fliege. Ich bin nicht in der Stimmung.“
„Nicht in der Stimmung für was?“, fragte Nathan.
„Nicht in der Stimmung für billige Anmache“, sagte Jess kalt. „Probier’s in New York. Da hast du mehr Glück.“
Nathan räusperte sich. „Peter ist mein Bruder.“
Jess seufzte. „Na, dann rate ich zu einem Familientreffen. Und ich bin nicht der Typ dafür.“
Nathan fuhr sich durch sein Haar, bis er fühlte, dass es abstand. Aber er machte sich nicht die Mühe, es wieder glatt zu streichen. Er wusste, dass ein leicht derangiertes Äußeres immer Peters Aufmerksamkeit erregte.
Aber der Mann war nicht Peter. Nathan sagte es sich wieder und wieder. Er mochte ihm ähneln bis zum Punkte der Lächerlichkeit, aber dennoch handelte es sich um einen anderen Menschen, um eine fremde Person mit einer anderen Geschichte, einer Vergangenheit, die nichts mit den Petrellis zu tun hatte.
Er sah den anderen an.
Jess war nur wenige Zentimeter kleiner als er selbst, und für den Bruchteil einer Sekunde durchlebte Nathan den Eindruck, dass daran etwas nicht stimmte.
Dass er größer sein sollte, in der Lage auf den Mann herunterzusehen, in der Lage diesen Mann zu schlagen, zu töten… oder sich doch mit ihm zu verbünden… ein Band zu spinnen, als wären sie fast so etwas wie Brüder… vereint durch ein Schicksal, das über die Bande des Blutes hinausging.
Nathan senkte den Blick, und rieb seine schmerzende Stirn. Dennoch brannten sich die Augen des anderen fortwährend in sein Gedächtnis, überlagerten das Bild, das er von Peter dort trug, verwirrten Nathan in ihrer Klarheit.
Augen, die von Verwandtschaft sprachen, von Liebe und von Vertrauen. Doch Augen, die auch soviel mehr enthielten, Dinge, von denen Nathan nichts wissen wollte.
Er schüttelte den Kopf und stöhnte leise.
„Alles in Ordnung?“
Nathan sah auf. Das war nicht Peter. Peters Reaktion hätte anders ausgesehen, er hätte…
Nathan schüttelte wieder den Kopf, und das Bild verblasste.
Der Mann ihm gegenüber runzelte seine Stirn. „Langer Tag?“, fragte er kurz, und mit der ausreichenden Portion an Desinteresse, die eine Antwort unnötig erscheinen ließ.
„Verdammt langer Tag“, antwortete Nathan trotzdem, und zwang sich zu einem schiefen Lächeln.
Dass ihn dieses Lächeln im Licht der zahllosen Glühbirnen in Jess‘ Augen verdammt attraktiv machte, ahnte er nicht. Wohl aber bemerkte er die hochgezogenen Augenbrauen, die den zuvor abweisenden Gesichtsausdruck in einen neugierigen verwandelten.
Er atmete aus, bevor er weitersprach. „Du siehst ihm wirklich ähnlich. Es… das kann kaum ein Zufall sein.“
Jess sah ihn kurz an. „Meine Familienverhältnisse sind ziemlich klar, wenn man eine verrückte Mutter, und einen Vater, der sich rechtzeitig verzog, so bezeichnen kann. Wie heißt dein Bruder?“
„Peter… Petrelli.“
Jess zuckte mit den Schultern. „Da klingelt nichts bei mir.“
Nathan zwang sich zu einem weiteren Lächeln. „Die Petrellis wurden von den verschiedenen Instanzen ausreichend durchgekaut, um jede mögliche Verwandtschaft offenzulegen. Ich bezweifle, dass in dieser Hinsicht…“
Er zögerte, riskierte einen weiteren scharfen Blick in Jess‘ Richtung, schüttelte dann seinen Kopf.
Wer wusste besser als er selbst, zu welch absurden Ideen die Company fähig gewesen war. Und doch… er spürte nichts in der Nähe des Mannes, keine der Vibrationen, die unterschwellig jeden Menschen mit Fähigkeiten, seien sie natürlich entwickelt oder auf perverse Weise angezüchtet, umgaben. Wenn dieser Mann etwas davon besäße, so wusste Nathan, dass er es fühlen würde, den Wunsch fühlen würde… den Drang nach etwas Unbeschreiblichem.
Nach etwas, das er nicht zulassen durfte, um keinen Preis der Welt, wenn er den Rest des Verstandes, den er noch besaß, behalten wollte.
Dieser Hunger war es, der ihn zwang von seiner Familie Abstand zu halten, von den Menschen, mit denen er über die letzten Jahre zusammen gewachsen war, ob er es nun gewollt hatte, oder nicht.
Doch Jess löste ihn nicht aus. Jess löste etwas anderes in ihm aus. Einen Wunsch, den er zu lange geleugnet hatte, um ihn noch als real einordnen zu können.
Nathan schüttelte wieder seinen Kopf, doch dieses Mal bewegte sich sein ganzer Körper mit ihm, wehrte die dunkle Wolke ab, die auf ihn eindrang.
Freundschaft - Nähe - Konzepte, die sich als unmöglich herausgestellt hatten, als unerreichbar - zumindest für ihn.
Nathan seufzte, ohne sich dessen bewusst zu werden, und als er aufsah, begegnete er wieder dem ernsten dunklen Blick des Jüngeren.
„Zufall“, sagte er kurz. „Es ist ein Zufall. Tut mir leid, wenn ich lästig gefallen bin.“
Jess zuckte mit den Schultern, und sogar in dieser Bewegung erkannte Nathan mit schmerzhafter Deutlichkeit seinen Bruder wieder. Ein Teil dieses Schmerzes musste sich wohl in seinem Gesicht gespiegelt haben, denn Jess‘ Augenbrauen zogen sich zusammen.
„Nichts passiert“, winkte er ab, und nickte dann in Richtung Stadtausgang.
„Ich hab meinen Wagen da vorne. Bin praktisch schon wieder auf dem Weg nach New York.“
Nathan senkte den Kopf. „Das ist auch mein Weg.“
„Dann ist dein Wagen auch hier geparkt?“
Noch bevor Nathan über die Antwort nachdenken konnte, murmelte er: „Nein, ich bin geflogen.“
„Geflogen?“ Jess sah ihn skeptisch an. „Willst du mich auf den Arm nehmen?“
Nathan massierte unbewusst seine Schulter. Der Gedanke, sich erneut in die Luft zu erheben, verlor extrem an Verlockung, je ungemütlicher die Nacht wurde.
Er presste seine Lippen zusammen, und sah zu Jess, der ihn immer noch irritiert anstarrte.
„Ich bin nicht verrückt“, lächelte Nathan dann. „Das ist… eine lange Geschichte.“
„Also…“ Jess legte den Kopf schief. Er konnte es sich nicht erklären, aber der Mann wirkte auf unerklärliche Weise vertraut, vielleicht sogar vertrauenerweckend. Und es geschah selten, dass Jess jemandem vertraute. Schon gar nicht einem Fremden.
„Soll ich dich mitnehmen?“, fragte er spontan, und wurde belohnt durch die Entspannung von Nathans Gesichtszügen. „Benzingeld teilen wir.“
Nathan grinste. „In Ordnung.“
Sie schwiegen, während sie den Rest des Weges zurücklegten, schwiegen, während Jess den Wagen aufschloss, und die Tür für Nathan öffnete.
Dieser lehnte sich müde in die Polster. „Ich hatte wirklich keine Lust mehr, heute zu…“
Jess wartete, doch als Nathan nicht weitersprach, ergänzte er den Satz mit einem Grinsen. „Keine Lust zu fliegen?“
Nathan starrte durch die Frontscheibe in die kalte Nacht. „Genau das“, antwortete er dann, und lenkte seinen Blick in den Himmel. „Es hagelt, das spüre ich.“
Jess schüttelte den Kopf, linste dennoch in die Höhe. „Was nicht ist, kann ja noch werden“, meinte er dann vage, und trat aufs Gas.
Der Mann neben ihm schloss die Augen, und Jess fühlte, dass Nathan nahe daran war, einzuschlafen.
Umso besser. Das war definitiv ausreichend Konversation gewesen für einen Abend. Und um sich mit Verrückten zu unterhalten, hätte er nicht nach Stars Hollow zu fahren brauchen.
Seine Gedanken wanderten zurück zu Luke, und erneuter Ärger kochte in Jess hoch.
Was erlaubte Luke sich?
Jess hatte schon seit langem keinen Gedanken mehr an Rory verschwendet. Dass Luke es wagte, an dieser Erinnerung zu rühren, erschütterte Jess mehr, als er es für möglich gehalten hätte.
So sehr hatte er sich bemüht, diesen Teil seines Lebens abzuschließen, zu vergessen. Und doch wartete er, wartete darauf, dass sie sich eines Tages besann, dass sie zu ihm zurückkam.
Obwohl er wusste, dass sie dies niemals tun würde, dass sie zu verschieden, immer noch zu verschieden waren, ganz unabhängig davon, wie sehr er sich für sie verbogen hatte, wie viel er auf sich genommen hatte, um ihren Ansprüchen gerecht zu werden.
Jess umklammerte das Steuerrad bis seine Knöchel weiß wurden.
Er blickte starr nach vorne, durchbohrte die Nacht mit seinem Blick.
Und in diesem Augenblick spürte er es. Nicht den Zorn, den er gewohnt war zu unterdrücken, um nicht zu explodieren.
Nicht die Wut, die er in spitze Bemerkungen gegenüber seinen Mitmenschen oder gelegentliche Marathonläufe umsetzte, sondern eine plötzlich aufflackernde Gewalt, die ihn zusammenfahren ließ, seinen Atem stockte, und die Luft um ihn mit glühender Hitze erfüllte.
Seine Augen brannten. Nein - sein Blick brannte, er schmolz das Glas vor ihm, entzündete den Baum, auf den er zufuhr. Und Jess bremste mit einem schrillen Schrei.
Das war verrückt, wahnsinnig. Sein Kopf fuhr mit einem Ruck herum, und er sah in die offenen Augen des Mannes, den er mitgenommen hatte.
Nathan lachte, seine Augen lachten, sein Kopf hob sich langsam und zufrieden vom Polster.
„Also doch“, sagte er. „Da war anscheinend jemand wie ich nötig, damit sich das manifestiert.“
„Ich verstehe nicht“, murmelte Jess heiser. „Ich verstehe kein Wort.“
„Das ist auch nicht nötig“, bestätigte Sylar, und hob seine Hand.