Titel: Hier sind Drachen
Autor:
Birgitt SchuknechtFandom: Primeval
Charakter: Stephen Hart; Nick/Stephen
Kategorie: Missing Scene, Slash
zeitliche Einordnung: Episode 2
Spoiler: für Staffel 1, speziell Episode 2 und Episode 6
Zusammenfassung/Appetithappen: Stephen kämpft gegen das Gift in Körper, Geist und Seele.
Anzahl der Worte: 1069 (ohne Header und Titel)
Datum: 10.05.2007
Disclaimer: Ich besitze keinerlei Rechte an den Charakteren und den Ereignissen aus Primeval. Diese Rechte gehören Impossible Pictures und ITV. Ich beabsichtige in keiner Weise, diese Rechte zu beschneiden. Zwar besitze ich die Rechte an dieser Geschichte, habe aber keine Intention, durch sie materielle Vorteile zu erlangen.
Anmerkung: Dieses Fandom ist eine Krankheit, die sich über LJ, Telefon und natürlich persönlichen Kontakt ausbreitet. Die Symptome sind noch nicht gänzlich erforscht, aber es gibt etliche Anzeichen, dass sie die Gehirne der Erkrankten angreift, ihr Bewusstsein manipuliert. Hier ist die Stelle, an der ich zu Protokoll gebe, dass "Hier sind Drachen" völlig unabhängig von
jimaine42s
Made to Be Broken entstanden ist. Mein Dank gilt
jimaine42 für die 'Testfahrt' und
aislingde, die aufgepasst hat, dass Grammatik und Orthographie nicht von meiner Hirnschädigung in Mitleidenschaft gezogen wurden.
So lief das nicht. Besucher waren dazu da, den Patienten aufzumuntern, ihm Süßigkeiten und Obst zu bringen, vielleicht sogar Blumen. In Nicks Fall auch Wäsche zum Wechseln.
Doch was hier abging, war nicht normal. Jeder, der hier aufgekreuzte, sah den Rekonvaleszenten erst erwartungsvoll und dann enttäuscht an, traurig, vielleicht sogar vorwurfsvoll. In Nicks Fall auch misstrauisch.
Letzteres setzte ihm mehr zu als all die Nachwirkungen der Vergiftung oder auch die Verletzung seines Macho-Images, weil er es einer der Schwestern überlassen musste, seine Besucher herauszuschmeißen. Er wollte seine Ruhe haben - und wie armselig war es, dass er nicht mal die Kraft hatte, das deutlich zum Ausdruck bringen zu können?
Wenn er sich nur erinnern könnte, was da unten in dieser Hölle - Vorhölle konnte man dieses Outlet von Tarantula-R-Us nicht mehr nennen - passiert war. Auf die pathologischen Einzelheiten seiner Nach-dem-Biss-Zeit als Bestandteil von Alpträumen konnte er locker verzichten, aber der eine oder andere Tipp, was er angestellt hatte, dass ihn jetzt alle so merkwürdig ansahen, wäre nicht schlecht.
Nur... was kann ein Mann auf der Schwelle zum Jenseits schon falsch machen?
"Offensichtlich eine ganze Menge", stellte er im Selbstgespräch fest und wünschte sich, Nick wäre hier. War er aber nicht. Er hatte sich damit entschuldigt, dass er Home Office mehrere Berichte schuldig war und sie von ihm eine Lösung dieser... Situationen erwarteten.
"Lester ist unglaublich", hatte Nick festgestellt. "Auf der einen Seite tut er alles Menschenmögliche und -unmögliche, um die Sache unter Verschluss zu halten, kratzt an jeder dünnen Stelle meiner Argumentation. Und dann wieder steht er mit der Peitsche hinter mir, auf dass ich ihm Ergebnisse bringe. Ergebnisse, die er den Hohen Tieren gut verkaufen kann." Nick war bei seiner Tirade im Krankenzimmer auf und ab gelaufen. Stephen war aufgefallen - und es schmerzte jetzt immer noch -, dass er ihm nicht wirklich nahe gekommen war. Er hatte sich eingeredet, dass er nicht der Einzige war, der da unten einen Schock erlitten hatte.
"Gib's zu, Cutter, der Typ macht dich wahnsinnig." Das hatte zumindest ein leichtes Lächeln auf Nicks Gesicht gebracht und Stephen hatte nach diesem Strohhalm der Normalität gegriffen. "Lass mich dir helfen. Ich liege hier nur rum, lass mich wenigstens... recherchieren."
Und das tat er jetzt: Nick hatte Connor mit Lektüre und Laptop vorbeigeschickt. Stephen hatte gehofft-- Unsinn, er war sicher gewesen, dass Nick selbst kommen würde. Doch bevor er der Sache auf den Grund gehen und Connor auf den Zahn fühlen konnte, hatte die Schwester sie beide daran erinnert, dass Stephen dem Tod vor nicht mal 24 Stunden von der Schüppe gerutscht war.
Er saß hier fest. Mindestens eine Woche Überwachung war ihm verordnet worden, während der das Fachpersonal sicherstellen würde, dass das Antiserum nicht doch noch schaffte, was das Gift nicht vollbracht hatte. So blieb Stephen nichts anderes übrig, als sich abzulenken. Er las. Dachte nach. Und begriff die Anomalien mehr und mehr als einen Einbruch in sein Leben. Fühlte sich persönlich von ihnen bedroht. Nicht einmal so sehr, weil sie ihn fast das Leben gekostet hatten. Damit konnte er umgehen. Was diese Phänomene mit ihm und Nick anstellten, war viel gefährlicher. Irgendetwas war anders. Und er konnte es nicht greifen.
Eine Bewegung an der Tür ließ ihn von seiner Lektüre aufschauen. Claudia Brown. Und wie sollte es anders sein, auch sie sah ihn erwartungsvoll an. Mal sehen, wie lange sie sich mit Höflichkeitsfloskeln aufhielt, bevor sie zur Sache kam. Aber diesmal würde er seinen Besuch zur Rede stellen, egal was die zu Leibwächtern mutierten Krankenschwestern dazu zu sagen hatten. Er musste einfach wissen, was er verloren hatte.
***
Ihm war schlecht. Regelrecht schlecht. Und das war definitiv keine Nachwirkung des Arthropleuriden-Giftes. Es war ihm wie eine Ewigkeit vorgekommen, bis Abby endlich ihre Versuche, leichte Konversation zu machen, aufgegeben hatte und gegangen war.
Eines war nun klar. Ein sterbender Mann konnte eine ganze Menge anrichten. Stephen konnte sich immer noch an nichts erinnern, aber es gab keinen Zweifel, dass Helen der Grund für Nicks seltsames Verhalten war. Und er hatte genug Sterbeszenen auf großen und kleinen Bildschirmen gesehen: Dein Leben läuft in rasanter Geschwindigkeit vor deinen Augen ab und falls du die Gelegenheit bekommst, tatsächliche und eingebildete Sünden zu beichten, wird genau das zur Priorität.
Verdammt. Da brauchte es nur einen Insektenbiss und er brabbelte in aller Öffentlichkeit über die tiefsten Geheimnisse seiner Seele. Und er verstand es nicht. Helen war Vergangenheit. Nicht nur, weil sie seit acht Jahren vermisst war, sondern vor allem, weil sie für ihn Vergangenheit war. War sie bereits gewesen, bevor sie verschwand. Wie hieß es so unschön: Es war vorbei, bevor es wirklich anfing. Hatte er gedacht und sich erfolgreich eingeredet. Irgendwann so erfolgreich, dass er mit Nick ins Bett - oder wohin auch immer - steigen konnte.
Stephen hatte viel länger als Nick daran gezweifelt, dass Helen wirklich tot war. Dieses Zögern, mit der Vergangenheit abzuschließen, war das Symptom eines ganz besonderen Giftes gewesen: Der moralisch intakte Teil von ihm wünschte um Nicks Willen, dass Helen noch lebte; das schlechte Gewissen versorgte Stephen mit der Befürchtung, dass sie irgendwann wieder in ihr Leben treten würde.
Natürlich war es Nick gewesen, der ihm das Gegengift geliefert hatte.
"Sie kommt nicht zurück, Stephen."
Stephen hatte nichts erwidert, nichts erwidern können. Er wusste, was Nick alles unternommen hatte, um Helen wiederzufinden. Er war hautnah dabei gewesen. Niemand konnte Professor Cutter einen Vorwurf machen. Niemand außer Stephen, für den auch die n-te Jagd nach Phantomen noch nicht die letzte hätte sein dürfen.
Aber Stephen hatte den besten und den schlechtesten aller Gründe, diesen Vorwurf niemals auszusprechen. Er schluckte ihn herunter, wieder und wieder, bis der Beigeschmack des Verrats schwächer geworden war und er ihn eines Tages nicht mehr wahrnehmen konnte. Das Schicksal hatte es gut gemeint mit Stephen Hart: Helen Cutter war zum Besten aller Zeitpunkte verschwunden und hatte jeden Beweis von Stephens Feigheit und Dummheit mitgenommen.
Und jetzt? Diese Anomalien zerstörten jedes Gefüge von Zeit. Bedrohten alles, oder besser: das Einzige, was ihm wichtig war.
Das hast du ganz allein geschafft, du Idiot! Frustriert schloss er die Augen, riss sie allerdings in der nächsten Sekunde wieder auf, als sich Helens Bild Klarheit in seinem Kopf verschaffte.
Wie sollte er Nick nur jemals gegenübertreten? Aber das musste er. Wenn ihre Beziehung irgendeine Überlebenschance haben sollte... Trotzdem. Lieber würde er es allein mit dem nächsten Überraschungsmonster aus dem Perm aufnehmen.
Das Lachen, das in ihm hochstieg, war bitter: "Hier sind wirklich Drachen."