Titel: Wunderkerzen
Autor:
watchersgoddess Genre: Romantik
Word Count: 3770
Thema: #95 - Neujahr
Altersfreigabe: ab 12
Spoiler: Ziemlich lange nach Sunnydale
Inhalt: Willows Leben hat sich sehr verändert, seitdem sie Sunnydale verlassen mussten. Man könnte sagen, sie hat die andere Seite der Medaille entdeckt. Doch dann trifft sie auf einen alten Bekannten...
Hauptcharakter(e)/Paar(e): Willow ; Angel
Kommentar: Tja, man sollte nach dem Feuerwerk gleich ins Bett gehen und sich nicht einer weiteren Idee hingeben. Doch irgendwie konnte ich mich nicht zurückhalten.
Kommentar 2: Und auch in diesem Jahr ist Slayerchen meine weltallerbeste Beta, die die Story in Rekordzeit gebetat hat. Hab dich lieb, Süße!
„Wunderkerzen... Was hältst du von Wunderkerzen, Baby? Die kann ich mir gerade noch leisten...“ Mit einem leisen Seufzen warf Willow die schmale Packung mit dem bunten Aufdruck in den Einkaufskorb und schob weiter durch die Gänge. Vorbei an den Dingen, um die sich die anderen Kunden an Silvester stritten. Sie hatte Probleme, an ihrem dicken Bauch vorbei den Wagen vernünftig zu schieben, doch bisher war alles gut gegangen und sie hatte die Hoffnung, dass sie diesen Laden auch ohne weitere Zwischenfälle verlassen würde. Es hatte ja bisher auch immer geklappt.
Der Mantel spannte bedenklich um ihren Bauchumfang, doch es würde nicht mehr allzu lange dauern und dann würde er wieder passen. Auf jeden Fall lohnte es sich nicht, jetzt noch einen neuen zu kaufen. Auch wenn es Ende Dezember und kalt in New York war.
Als sie um die nächste Ecke bog, den Blick auf den kleinen Einkaufszettel in ihrer Hand gerichtet, entglitt der Wagen ein wenig ihrer Kontrolle. Das vordere Rad hakte ein wenig und nun bekam sie es zu spüren, denn er fuhr einem anderen Kunden geradewegs in die Hacken. „Oh, das tut mir leid...“, murmelte Willow verlegen und bückte sich, um die Packung Rasierklingen aufzuheben, die er vor Schreck fallengelassen hatte.
„Nein, ist schon okay...“, hörte sie eine ihr vertraute Stimme und sie wagte es kaum, ihren Blick zu heben. Ein tiefes Rot stieg in ihr Gesicht und sie spielte einen Moment lang mit den Rasierklingen in der Hand, ließ ihre Haare ins Gesicht fallen und hoffte, dass er sie nicht erkennen würde. Nicht so. Verschlafen und abgekämpft, hochschwanger und alleine. „Willow?“ Sie seufzte kurz ergeben auf und versuchte es dann mit einem Lächeln.
„Hey Angel...“ Seine erstaunten Blicke glitten an ihrem Körper hinab und das Rot vertiefte sich noch ein wenig. „Hier, deine Rasierklingen...“, murmelte sie hastig und versuchte so von ihrem Aussehen abzulenken. Doch anscheinend hatte sie es damit bei dem falschen versucht. Angel kam einen Schritt auf sie zu und zog sie in seine Arme. Willow schloss die Augen und ließ den angehaltenen Atem langsam entweichen.
„Schön, dich mal wieder zu sehen. Wie geht es dir?“ Ein breites Lächeln stand auf seinem Gesicht, das ein wenig ansteckend wirkte. Zumindest fiel es ihr leichter, das eigene aufrecht zu erhalten.
„Soweit ganz gut und dir?“ Willow war dankbar, dass sie sich auf ihrem Einkaufswagen abstützen konnte, denn hinter ihr drängte sich gerade eine Horde kleiner Kinder vorbei. Allmählich wurde die Schwangerschaft wirklich unangenehm. Sie stöhnte leise auf.
„Ich komm zurecht... Ist wirklich alles okay mit dir?“ Er sah sie zweifelnd an und legte eine Hand auf ihren Oberarm, während die andere auf ihre eigene rutschte. Und Willow sah überrascht zu ihm auf, als sie die Wärme spürte.
„Kommst du gerade aus der Sauna oder habe ich wieder die neusten Nachrichten verpasst?“ Ein wirklich begeistertes Grinsen schlich sich auf ihr Gesicht und sie legte den Kopf ein wenig schief, als er nickte. „Aber ich dachte, du hättest darauf verzichtet?“
„Tja, anscheinend wollten sich die Mächte nicht von einer Prophezeiung beeinflussen lassen. Dafür musste ich dem Kampf gegen das Böse abschwören. An die jüngere Generation abgeben...“ Er sah sie einen Moment lang mit diesen dunklen Augen an, die nun so viel lebendiger wirkten. Wahrscheinlich, weil sie es einfach waren. „Soll ich dir helfen? Ich kann dich nach Hause bringen...“ Mit diesen Worten schaffte er es, eine leichte Panik in ihr aufsteigen zu lassen. Sie konnte ihn unmöglich mit zu sich nach Hause nehmen. Nicht in die kleine Einzimmerwohnung, in der mal wieder die Heizung ausgefallen war.
„Nein, es geht schon... Es ging ja sonst auch immer...“ Sie spürte die zweifelnden Blicke auf sich und senkte den Blick. Dann nahm er ihr entschieden den Wagen aus der Hand und schob in Richtung Kasse davon.
„Hast du alles oder können wir bezahlen gehen?“ Sie seufzte leise und sah ihm mit einem leidenden Ausdruck nach, doch schließlich fügte sie sich seiner spontanen Planung.
Er hatte bezahlt. Willow wollte sich dagegen wehren, doch er hatte sie resolut angesehen und der Kassiererin den fünfzig Dollarschein in die Hand gedrückt, als wäre es nichts Besonderes. Sie musste schlucken, als sie es sah. Nun ging sie möglichst langsam durch die verschneiten Straßen, machte sogar noch einen kleinen Umweg, soweit es ihr der schmerzende Rücken erlaubte, und hoffte, dass ihm ein dringender Termin einfiel. Dem war natürlich nicht so.
Und so standen sie schließlich eine halbe Stunde nach ihrem Zusammenstoß vor dem Wohnblock, in dem sich ihre Wohnung befand. Im obersten Stock. Ohne Fahrstuhl. Willow hasste dieses Haus und als sie seine Blicke sah, mit denen er die Grafittizeichnungen an den Wänden betrachtete, wusste sie, dass er es auch hasste. Dabei waren die Zeichnungen noch das angenehmste. Ein paar Kinder liefen laut kreischend über die Gänge und Willow presste sich an die Wand, hatte Angst um ihren Bauch und schloss die Augen, bis sie vorbei waren. Ihr fiel einmal mehr auf, wie fehl am Platz Angel mit seinem feinen Anzug hier wirkte. Ein unsicheres Lächeln traf ihn, als sie weiterging.
Sie zeigte ihm den Weg in die Küche und ließ derweil die Schlüssel auf die kleine Kommode fallen, deren eines Bein etwa zwei Millimeter zu kurz war. Sie wackelte erbärmlich, wenn man sie auch nur schief ansah. Ein erleichtertes Stöhnen entkam ihren Lippen, als sie ihre Füße aus den zu engen Schuhen nehmen konnte und nur zögerlich zog sie den Mantel aus und hängte ihn an die Garderobe.
„Ist es immer so kalt hier?“, fragte er leise, nachdem er ihren Einkauf, so gut er konnte, verstaut hatte. Er schien ein wenig verloren im Flur.
„Nein, die Heizung ist bloß kaputt...“ Sie strich sich nervös die Haare hinter die Ohren, als sie ein leises „Seit drei Wochen“ hinzufügte. Einen Moment lang standen sie sich schweigend gegenüber, dann ging Angel an ihr vorbei zur Garderobe, nahm ihren Mantel und hielt ihn ihr hin. „Was... Angel, was hast du vor?“, fragte sie verwirrt, als sie ihm den Mantel aus der Hand nahm.
„Du kommst mit zu mir. Du bist schwanger und diese Wohnung ist nicht der richtige Ort für dich.“ Er stellte ihr die Schuhe vor die Füße und sah sie dann abwartend an.
„Nein, das kann ich nicht machen. Heute ist Silvester. Du hast doch bestimmt was vor...“ Sie strich sich die Haare aus dem Gesicht und wollte den Mantel schon wieder zurückhängen, als er sich ihr in den Weg stellte. Sein Gesichtsausdruck sagte alles.
„Ich habe nichts vor“, beruhigte er sie dann. „Letztes Jahr und die Jahre davor hatte ich grundsätzlich irgendetwas mit Dämonen zu regeln an Silvester. Dieses Jahr will ich einfach meine Ruhe haben und das Feuerwerk beobachten.“ Willow nickte bestätigend und wollte dann gerade erwidern, dass sie ihn dabei nicht stören wollte, als er ein „Mit dir.“ hinzufügte. Sie klappte ihren Mund wieder zu und beugte sich seinem Willen. Sie war zu müde, um sich jetzt gegen ihn zu stellen.
Sie hatten ein Taxi genommen und Angel hatte ganz dicht neben ihr gesessen. Es war angenehm warm gewesen und trotzdem hatte sie gezittert. Wie Espenlaub und sie schob es der Aufregung zu. Sie befürchtete das schlimmste. Immerhin hatte er es ihr noch erlaubt, ein paar Sachen zusammenzupacken. Gut, er hatte sie halbwegs dazu gezwungen. Doch sie war ihm sogar dankbar, dass er sie aus ihrer Wohnung geholt hatte.
Er wohnte in einem Penthouse. Willow stand der Mund offen und sie blieb im Eingang stehen. Der helle Boden schien so sauber und sie hatte fast ein wenig Angst, dass sie ihn beschmutzen würde. „Könntest du vielleicht...“ Er sah sie bittend an und Willow tat ein paar nervöse Schritte.
„Tut mir leid...“, murmelte sie dabei und zog den Mantel noch ein wenig fester um ihren Körper. Diesen grauen, abgenutzten Mantel, der sie sich so furchtbar fehl am Platz fühlen ließ. Doch es war warm hier. Herrlich warm und sie fühlte sich wohl, wenn auch nicht wirklich willkommen. Das ganze Appartement war hell eingerichtet, so dass die dunklen Möbel einen Kontrast dazu bildeten. Sie sah sich staunend um, betrachtete die Bilder an den Wänden und die Grünpflanzen im Wintergarten. Er hatte tatsächlich einen Wintergarten.
Angel holte sie aus ihrer Starre, als er ihr den Mantel abnehmen wollte. Sie gab ihn ihm mit einem unsicheren Blick. „Wie in aller Welt kannst du dir das leisten?“, fragte sie erstaunt und wagte sich nun doch weiter hinein. Um einen tiefen Tisch mit Glasplatte stand eine Sitzecke, die mit weißem Stoff überzogen war.
„Ich erzähl’s dir, wenn du mir erzählst, wie du zu dem Kind gekommen bist...“ Seine Stimme klang ein wenig gedämpft und als sie sich umwandte, konnte sie ihn in der Küche sehen. Anscheinend setzte er Teewasser auf. „Setz dich doch“, wies er sie dann an und kam zu ihr zurück. Willow ließ sich in einen der Sessel sinken und legte ihre Hände auf den Bauch. Sie hatte das Gefühl, als müsse sie ihr Kind beschützen.
„Um es kurz zu machen: Ich hab mir ’nen One Night Stand erlaubt, daraus ist dieses Kind entstanden, Kennedy hat mich deswegen verlassen, ich musste mein Studium aufgeben und sitze nun in einer Einzimmerwohnung ohne funktionierende Heizung alleine an Silvester.“ Sie sah ihn mit einem fast unschuldigen Blick an und versuchte dem seinen standzuhalten. Es fiel ihr verdammt schwer, als sie das Mitleid in den dunklen Augen sah.
„Du bist weder alleine, noch sitzt du in einer kalten Einzimmerwohnung“, sagte er dann ruhig und leise und Willow lachte kurz auf.
„Nein, jetzt nicht mehr...“ Es entstand eine lange Pause zwischen ihnen und schließlich begann das Wasser in der Küche zu kochen. Angel stand rasch auf und Willow atmete einmal tief durch, als sie seine Blicke nicht mehr auf sich ertragen musste. Sie wollte kein Mitleid. Es hatte ihr noch nie geholfen und zeigte ihr nur immer wieder, wie dumm sie gewesen war. Damals. Vor achteinhalb Monaten. Wie gerne würde sie diese Nacht ungeschehen machen. Auch wenn sie ihr Kind zu lieben gelernt hatte.
Nach ein paar Minuten kehrte Angel mit zwei dampfenden Tassen zu ihr zurück und stellte sie vor sich auf den Tisch. „Und jetzt erzähl“, forderte sie ihn auf und griff nach ihrer Tasse, genoss die Wärme, die sie durch ihre Finger schickte.
„Es ist Teil des... Deals könnte man sagen. Die Mächte gaben mir ein normales Leben und ich gab dafür den Kampf auf.“ Willow sah ihn mit einer hochgezogenen Augenbraue an und ließ ihre Blicke über die Wohnung gleiten. „Na gut, sie gaben mir ein gutes Leben als Anwalt und dieses Penthouse noch gleich mit dazu“, räumte er dann ein und sie lächelte schief.
„Das freut mich für dich.“ Und das tat es wirklich. Denn wenn man einmal einhundert Jahre lang in der Gosse gelebt hat, dann durfte man auch ein wenig verlangen.
„Ja, man kann sich daran gewöhnen...“ Er lehnte sich in seinem Sessel zurück und betrachtete sie mit aufmerksamen Blicken. Willow stellte die Tasse vorsichtig auf ihrem Bauch ab und sah, wie es ihn grinsen ließ.
„Weiß Buffy, dass du wieder ein Mensch bist?“ Sie konnte es noch immer nicht ganz glauben und würde am liebsten zu ihm gehen und ihn anfassen. Einfach nur spüren, dass seine Haut noch immer warm war und ein kräftiger Puls darunter schlug.
„Nein. Sie ist schließlich verheiratet und da habe ich nichts mehr zu suchen... Wie kommt es, dass sie ihrer besten Freundin nicht hilft?“ Willow senkte den Blick erneut. Es war so viel falsch gelaufen, seitdem Sunnydale untergegangen war. Sie wusste nicht, wo sie anfangen sollte, ohne am liebsten gleich alles aufgeben zu wollen.
„Wir haben uns aus den Augen verloren. Ich habe sie seit fast drei Jahren nicht mehr gesehen und der Briefkontakt ist eingeschlafen, seitdem sie umgezogen ist. Ich weiß ihre neue Adresse nicht.“ Sie nahm einen weiteren Schluck des Tees und genoss, wie er ihr heiß die Kehle hinunterlief. „Vielleicht hat sie inzwischen einfach andere Freunde gefunden, die ihr wichtiger sind...“ Sie wollte nicht zugeben, dass sie nie so ganz über Sunnydale hinweggekommen war. Es gab so viele Menschen, die sie flüchtig kennen gelernt hatte, doch sie hatte es nie auf eine neue Freundschaft ankommen lassen. Irgendwie hatte sie anscheinend die Hoffnung, dass ihre Freundschaft zu Buffy doch noch nicht vorbei war.
„Wann ist eigentlich der Geburtstermin?“ Sie war ihm dankbar, dass er das Thema gewechselt hatte und Willow setzte sich ein wenig aufrecht hin.
„In zwei Wochen. Wird auch allmählich Zeit...“ Sie lachte kurz auf und stellte die Tasse auf den Tisch. Die Sessel sahen furchtbar bequem aus und waren es auch bestimmt, wenn man keine riesige Kugel vor sich her trug. Sie wusste einfach nicht, wie sie sitzen sollte.
„Wir können uns auch aufs Bett setzen...“, bot er an und deutete auf eine weitere offen stehende Tür, hinter der sie ein ausladendes Bett sehen konnte. Kein Vergleich zu dem, was in ihrem Schlafzimmer stand. Und da er sie nun bereits wieder recht gut kennen gelernt hatte, stand er einfach auf, fasste sie bei der Hand und zog sie mit sich.
Willow stand ein wenig verloren im Zimmer, während er nebenbei den Fernseher einschaltete, leise stellte und sich dann an die Wand gelehnt ins Bett setzte. „Wenn du da stehen bleibst, wird es nicht gemütlicher als im Sessel...“, sagte er schließlich und Willow lächelte unsicher, ehe sie umständlich auf das Bett krabbelte und sich neben ihn setzte.
„Weißt du eigentlich schon, was es wird?“, fragte er, nachdem sie ein paar Minuten lang nur dem Programm zugesehen hatten. Es gab eine Live-Übertragung vom Times Square, wo der große Countdown angezeigt wurde.
„Nein, ich will mich überraschen lassen. Solange heißt es halt einfach Baby... Und inzwischen reagiert Baby sogar schon auf seinen Namen.“ Sie strich sich in einer liebevollen Geste über den Bauch und ein verschwommenes Lächeln trat auf ihr Gesicht. Sie sah, wie Angel ihren Bauch betrachtete. Als wäre es ein Wunder. Ihr Lächeln wurde noch ein wenig breiter. „Willst du mal fühlen?“, fragte sie schließlich und Angel sah sie einen Moment lang überrascht an, ehe er nickte. Zögerlich streckte er die Hand aus und kurz bevor sie auf ihrem Bauch zum Liegen kam, fasste Willow danach, drückte sie auf eine bestimmte Stelle etwas weiter unten. „Hier sind die Füße. Mein Arzt hofft, dass Baby sich noch dreht, aber wenn es so stur ist wie ich, bekomme ich ein Problem...“ Sie lachte kurz auf, war froh, endlich einmal mit jemandem über ihre Schwangerschaft reden zu können. Und gleichzeitig fragte sie sich, ob es Angel überhaupt interessieren würde. Und sie sagte sich, dass sie still halten musste, damit er die Bewegungen spüren konnte. In diesem Moment trat das Kind ein wenig und Angels Augen weiteten sich.
„Es hat sich bewegt...“, murmelte er und setzte sich ein wenig weiter vor sie. Begeistert betrachtete er ihrenBauch und Willow kicherte leise.
„Natürlich hat es das. Das tun Kinder und ich glaube, Baby mag dich...“ Begierig hatte er beide Hände auf ihren Bauch gepresst und Willow spürte die Wärme, die von seinen Händen ausging. Er lebte wirklich wieder. Das war ein Wunder. Er hob langsam seinen Blick, als sie ihre letzten Worte gesagt hatte, und sah sie lange einfach nur an. Willow lief eine Gänsehaut über den Rücken.
„Und ich mag Baby...“, flüsterte er dann und Willow spürte Tränen in ihren Augenwinkeln brennen. Hastig senkte sie den Blick und nickte nur. „Hey, ist alles okay?“, fragte er sanft und strich mit seiner Hand an ihrer Wange entlang. Willow wünschte sich, er hätte es nicht getan, denn nun konnte sie die Tränen nicht mehr am Fließen hindern. Er krabbelte ein wenig weiter nach rechts und kam dann ein Stück auf sie zu. Willow sah, wie er die Decke dabei zerwühlte.
„Ja, es ist alles bestens... Es ist nur schön, dass ich endlich mit jemandem reden kann... über das alles...“ Sie nickte erneut ein wenig und ein schwaches Lächeln erschien auf seinem Gesicht, ehe er sie in seine Arme zog.
„Du kannst mit mir über alles reden“, versprach er ihr und Willow genoss die Nähe, die er ihr gab. Er wiegte sie eine ganze Zeit sanft vor und zurück, bis sie sich wieder beruhigt hatte. Dann lehnte er sich erneut gegen die Wand, jedoch ohne sie aus seinen Armen freizugeben. Schließlich lag sie halb über ihm, den Kopf auf dem Bauch und beobachtete mit ihm zusammen das Treiben vorm Rockefeller Center.
Fünf Minuten vor Mitternacht brachte er sie dazu, noch einmal aufzustehen. Willow war in einen leichten Dämmerschlaf gesunken, doch als sie an das Fenster trat und den Blick über die Stadt wandern ließ, die nun vollkommen dunkel schien und auf das Feuerwerk wartete, war sie schnell wieder wach. Im Fernsehen wurde bereits alle zehn Sekunden angesagt, wie lange es noch dauern würde, ehe das neue Jahr begann. Angel sah sie von der Seite her an und Willow spürte ein nervöses Kribbeln in ihrer Magengegend.
„Was wünscht du dir fürs nächste Jahr?“, fragte er plötzlich leise und Willow warf ihm einen überraschten Blick zu.
„Da hab ich mir ehrlich gesagt noch keine Gedanken drüber gemacht...“, gab sie schließlich zu und stützte sich auf der Fensterbank ab. Ihr Atem hinterließ trübe Spuren auf dem Glas. „Eigentlich nur, dass es besser wird als das alte“, beschloss sie dann zu sagen und spürte seine Hand auf ihrem Rücken. Mit einem beruhigenden Rhythmus strich er darüber, so wie er es zuvor auf ihrem Arm getan hatte.
„Das wird es. Ich verspreche es dir...“ Sie richtete sich wieder auf bei seinen Worten und ihre Blicke trafen sich. Willow wusste nicht genau, was er damit meinte, doch sie kam auch nicht mehr zum Fragen, denn in diesem Moment begann der finale Countdown.
Ihre Blicke rissen nicht ab, während die Menge immer näher zum neuen Jahr zählte und als dann endlich gejubelt und angestoßen wurde, lächelte er sie verschmitzt an. „Frohes neues Jahr, Willow.“
„Frohes neues Jahr“, erwiderte sie und ließ sich in eine erneute Umarmung ziehen. Sie zögerten beide einen Moment, als sie sich voneinander getrennt hatten, doch als sich Angel langsam auf sie zu bewegte, streckte sie sich ihm entgegen, bis sich ihre Lippen zu einem sanften, unschuldigen Kuss trafen. Ein Willkommensgruß im neuen Jahr.
Dann beobachteten sie fast andächtig das Feuerwerk, das sich wenige Minuten nach Mitternacht über der Stadt erhob. „Die Aussicht ist atemberaubend...“, murmelte Willow und sah ihn kurz an, als seine Hand nach ihrer tastete.
„Ja, vielleicht hätten wir auch ein paar Raketen kaufen sollen...“
„Wozu denn? Du hast immerhin eine Hexe hier.“ Und sie fuhr einmal mit ihrer Hand durch die Luft und ein Schauer bunter Funken legte sich über das Schlafzimmer. Sie verschwanden nicht so schnell wie die normalen Raketen und Angel war von diesem Anblick faszinierter als von dem vor seinem Fenster.
Willow hatte in seinem Bett übernachtet. Angel hatte sich auf das Sofa zurückgezogen und solange eine unruhige Nacht verbracht, bis sie um etwa halb vier neben ihm gestanden und ihn in sein Bett geholt hatte. Sie sehnte sich nach ein wenig Gesellschaft, nachdem sie das letzte halbe Jahr schon in ständiger Einsamkeit verbracht hatte. Er schlang von hinten einen Arm um sie und Willow schlief schließlich mit einem zufriedenen Lächeln auf dem Gesicht ein.
Erwachen tat sie jedoch alleine. Sie blinzelte ein paar Mal nervös und sah sich in der fremden Umgebung um. Es dauerte einen Moment, bis ihr wieder einfiel, wo genau sie sich befand. Doch als sie sich dann erinnerte, erschien ein Lächeln auf ihrem Gesicht.
Sie stand auf und folgte den Geräuschen, die aus der Küche erklangen. Einen Augenblick lang beobachtete sie Angel, wie er dabei war, ein Frühstück zu arrangieren. Er trug ein weißes T-Shirt und eine Boxershorts und Willow lehnte sich mit verschränkten Armen gegen den Türrahmen. „Guten Morgen“, riss sie ihn schließlich aus seinem Tun und er wirbelte ein wenig erschrocken herum.
„Oh, guten Morgen“, erwiderte er dann ihren Gruß und lächelte kurz. „Das Frühstück ist gleich fertig. Setz dich doch schon mal.“ Er deutete auf einen langen Tisch im Esszimmer, auf dem er zwei gegenüberliegende Plätze gedeckt hatte. Sie sah eine große Kanne Orangensaft, einen Korb Brötchen, Aufschnitt und vor allem Kaffee, die um die hellen Tischsets verteilt waren.
„Kannst du eigentlich Gedanken lesen?“, fragte sie begeistert und goss sich eine Tasse des heißen Gebräus ein.
„Vielleicht... Aber trink nicht zu viel davon, das ist nicht gut fürs Kind...“ Sie sah ihn erstaunt an und konnte sich dann ein leises Kichern nicht verkneifen.
„Okay, Daddy...“, meinte sie dann scherzhaft und er sah sie erstaunt an, schien dieser Bezeichnung im ersten Moment größere Bedeutung beizumessen, als sie beabsichtigt hatte.
Dann fasste er sich jedoch und trat mit einem kleinen Korb an den Tisch, in dem sie zwei hartgekochte Eier erkennen konnte. „Wie hast du dir das eigentlich in der Zukunft gedacht? Also, wenn das Kind erstmal da ist?“ Sie runzelte verwirrt die Stirn, während sie sich ein Brötchen aufschnitt.
„Was meinst du?“
„Okay, dann anders...“ Er schien ein wenig um Worte zu ringen und Willow sah ihn neugierig an. „Was hältst du davon, wenn du bei mir einziehst?“ Sie blinzelte ein paar Mal. Dann legte sie ihn Messer zur Seite. Holte tief Luft.
„Angel, das kann ich nicht machen... Ich gehöre doch gar nicht hierher...“ Verlegen senkte sie den Blick.
„Aber das kann sich doch ändern. Sieh mal, es ist riesig hier. Und es ist einsam. Ich bin zwar in der Woche nicht oft da, aber wenn du damit keine Probleme hast... Und ich hätte keine Probleme damit, ein Zimmer für dich zu räumen. Und für das Kind finden wir auch eines. Einfach nur eine Wohngemeinschaft. Vielleicht erstmal solange, bis du wieder studieren und nachher auch arbeiten kannst, wenn es dir sonst zu unangenehm ist.“ Er sah sie fast flehend an und Willow hasste diesen Blick. Sie würde eigentlich nichts lieber tun, als bei ihm einzuziehen, denn diese Wohnung war ein Traum. Mal ganz abgesehen von dem Bewohner.
„Bist du dir sicher, dass du dir das antun willst? Ich meine, noch ist Neujahr, da sind Vorsätze schnelle gefasst...“ Sie sah sich unwohl um und als Angel sicher nickte, fiel ihr keine Entschuldigung mehr ein. „Na ja, man könnte es ja mal versuchen...“
„Das könnte man. Und ich finde, das sollten wir auch.“ Nun machte er sich selbst daran, ein Brötchen aufzuschneiden. Willow jedoch saß still am Tisch. „Ist was?“, fragte er schließlich verwirrt und sah sie prüfend an.
„Warum tust du das alles für mich?“ Ihre Augen verengten sich ein wenig und als sie das schelmische Lächeln auf seinem Gesicht sah, fürchtete sie, dass er wieder eine furchtbar simple Antwort haben würde, die alles so einfach scheinen ließ. Und eine solche bekam sie dann auch.
„Ich hab dir doch versprochen, dass dieses Jahr besser wird als das letzte. Und ich halte meine Versprechen.“
ENDE
11/100