zweiter Versuch

Feb 11, 2007 16:24

Titel : spontan
Autor : (Problem)FALL
Fandom : Original
Thema : #2 „auf frischer Tat ertappt“ (in gewisser Weise auch #1 „Valentinstag“)
Danksagung an : kaiya07 (weil sie „unüblich“ dreimal gelesen hat und es trotzdem gut fand … ^^“), tsutsumi (wegen ihrer schönen ‚Grins-Aussage’, bei der ich so frei war, sie noch einmal aufzugreifen)
Wörter : 1015 (laut WORD)

Sie wusste nicht genau, warum und für wen sie das tat. Vielleicht auch einfach nur für sich selbst, man musste schließlich nicht immer nur an andere denken. Egoismus war in gewissem Maße völlig okay. Man musste nur wissen, wann, wo und wie viel und vielleicht war heute der Tag, an dem sie einfach alles, was sie tat, nur für selbst tat und nicht einen Gedanken an andere verschwendete. Nicht einmal an ihren großen Bruder, der manchmal tagelang bei ihr wohnte, nur weil er mal wieder sich mit seiner Frau in den Haaren gehabt hatte. Die Gründe dafür waren ihr nicht bekannt, es interessierte sie auch nicht. Er war ihr Bruder. Mehr Gründe gab es für sie nicht, ihn aufzunehmen, wann immer er es nötig hatte.

Noch einmal betrachtete sie die liebevoll angeordneten Kunstkerzen auf dem obersten Fach ihrer Schrankwand im Wohnzimmer, bevor sie die kleine Leiter hinab stieg. Ihr Blick zog jedoch gleich wieder nach oben, prüfend, wie es aus dieser Perspektive wirkte. Einen Moment lang musste sie leicht grinsen. Ihr großer Bruder wäre sicher auch ohne diese Leiter an den oberen Teil der Schrankwand heran gekommen. Er war sichtlich größer als sie. Doch das störte sie nicht. Wie gesagt : Er war ihr Bruder.

Sie hatten sich schon immer so gut verstanden. Natürlich gab es die regelmäßigen Auseinandersetzungen zwischen ihnen, wie es sie nun einmal zwischen Geschwistern gab. Allein schon der natürliche Neid, auf das Leben des jeweils Anderen, obwohl man mit dem Eigenen völlig zufrieden, mit Sicherheit auch glücklich war. SIE war es jedenfalls. Glücklich. Zufrieden mit sich, ihrem Leben, ihrem Gästezimmer, das sie immer für ihren Bruder bereit hatte und sie war zufrieden mit der Anordnung der Kunstkerzen auf ihrer Schrankwand. Auch, wenn das eigentlich mit dem Rest wohl nicht viel zu tun hatte.

Ein bestätigendes Nicken ihrerseits und die Kerzen hatten ihren Stammplatz fest erhalten. Einen Platz, an dem sie ab jetzt die nächsten Jahre stehen würden, bis sie sich traute, sie einmal abbrennen zu lassen. Doch bis dahin würden sie wohl nur hübsch aussehen und vor sich hinstauben, so weit oben auf der Schrankwand. Trotzdem war sie zufrieden mit ihrer Platzwahl und wandte sich von ihnen ab, klappte die kleine Leiter zusammen, die sie in den Flur ihrer Wohnung brachte und dort am Rand, an die Wand gelehnt, stehen ließ. Wegräumen konnte sie sie später noch. Besuch erwartete sie nicht.

Sie mochte solche Kleinigkeiten, wie diese Kerzen, die eigentlich niemand brauchte und die eigentlich nur herumstanden. Staubfänger. Kleine Dinge, die man wöchentlich abwischen musste, damit man nicht allzu sehr ihnen ansah, dass es Staubfänger waren. Von ihren Kolleginnen wurde so etwas gern ‚Klim-Bim’ oder ‚Trödel’ getauft. Dinge, die man nicht wirklich brauchte und die man trotzdem gern um sich hatte. Reine Ästhetik vielleicht?

Mit einem kurzen Handgriff hatte sie die zurück gebundenen Haare wieder geöffnet, da sie ihr vorher im Weg gewesen wären, hätte sie sie offen gelassen. Der Haargummi landete achtlos auf der Kommode im Flur neben dem Telefon in einer kleinen Glasschüssel, wo sie auch Haarklemmen und Spangen liegen hatte, die sich mitnahm, wenn sie morgens wusste, dass sie so etwas nachmittags oder abends brauchen würde.

Noch einmal besah sie sich in dem Spiegel, der auch dort hing und ordnete sich die Haarsträhnen neu, bevor sie sich wieder dem zuwandte, was sie noch tun wollte. Ihr Blick sank ab auf ein Schlüsselbrett, von dem sie einen kleinen, eher unscheinbaren Schlüssel nahm, der jedoch entgegen der eigenen Größe, einen vergleichsweise großen Anhänger ein Plüschtieres hatte, das ein Schild in Händen hielt mit der Aufschrift ‚Briefkasten’. Ein Geschenk, das sie vor ein paar Jahren von ihrem Bruder zum Valentinstag bekommen hatte. Etwas ungewöhnlich, aber er schenkte ihr immer etwas. Es war aber auch eher so, dass seine Frau ihn dazu zwang, das zu tun. Sie war in solchen Dingen doch wirklich hartnäckig und ernst. Ebenso eine Frau, die kleine Staubfänger mochte.

Mit Hausschuhen und einer dünnen Tagesjacke bewaffnet, um nicht bei diesen Temperaturen im kurzen Oberteil durch das Haus zulaufen - der Briefkasten befand sich im Erdgeschoss - stieg sie die zwei Etagen hinab. Einen Fahrstuhl hatte ihr Haus zwar, einen ziemlich großen sogar, doch das letzte Mal hatte sie ihn zum Einzug benutzt. Das war auch schon ein paar Jahre her.

Etwas erstaunt blieb sie stehen, als sie erkannte, dass in dem Moment, da sie die letzten Stufen hinab kam, ein junger Mann etwas in ihren Briefkasten zu werfen versuchte. Jedoch schien die Sendung dicker zu sein, als der Briefschlitz es zuließ, diese im Kasten aufzunehmen. Sofort musste sie lächeln, als sie ihn erkannte. IHN würde sie wohl noch die nächsten Jahre immer wieder erkennen, rief es ihr doch immer wieder die Erinnerung in sie zurück, wie sie sich getroffen hatten und wie er sie gewisser Weise - um drei Ecken herum - angeschmachtet hatte. Etwas, das ganz offensichtlich noch nicht nachgelassen hatte.

„Ertappt!“

Sie ließ es sich nicht nehmen, wieder zu grinsen. Wie kam es nur, dass sie immer auf einmal noch bessere Laune hatte, als schon vorher, wenn sie ihn traf? Vielleicht lag es einfach an seiner Art? Etwa, wie er jetzt erschrocken herumfuhr, das kleine Päckchen nur mühsam festhalten konnte, als er zusammen zuckte und es abrupt aufgab, es im Briefkasten verstauen zu wollen. Ein bisschen fand sie es gemein, dass er sich nach der Abgabe gleich wieder aus dem Staub machen wollte, doch allein die Geste ließ sie gleich darauf lächeln.

Er tat es ihr gleich, lächelte und zog einen kurzen Augenblick die Schultern nach oben, senkte den Blick auf das nun leicht ramponierte Päckchen ab, das er ihr dann entgegen hob, während sie die letzten paar Stufen und Schritte zwischen Treppe und Briefkästen hinter sich brachte, die Jacke etwas um sich zog, um nicht zu frieren. Doch das kleine, rote Päckchen - offensichtlich mit Pralinen gefüllt - nahm sie trotz allem an sich, hörte derweil auf seine Worte, weshalb er nicht nach oben gekommen war.

„Ich wusste nicht, inwiefern Sie zuhause sind und wollte kein störendes Klingeln an der Tür sein.“

Vielleicht gab es doch einen Grund, weshalb sie sich ausgerechnet HEUTE solche Mühe mit den Accessoires gemacht hatte.
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