CINEMA BIZARRE
ROCK MAG (April 2008)
[Übersetzung ©
eurydike]
ENDGÜLTIGER BESTIMMUNGSORT
Jetzt, wo ihr Album am 24. März auch in Frankreich erscheint, lassen uns Cinema Bizarre bereits erahnen, wie bald sie hier ihre ersten Konzerte geben werden, und zeigen uns etwas mehr ihrer…bizarren Persönlichkeit.
Dienstag, 12. März. 18.15 h. Ich habe einen Termin mit Cinema Bizarre im Hotel de Sers. Als ich ankomme, warten 150 Fans (149 Mädchen und einer, der sich verlaufen hat) davor, die Fotoapparate schon gezückt. Unmöglich, dabei nicht an Tokio Hotel zu denken.
Als ich eintrete, blicken mir alle nach: Nein, ich bin keiner der Band, aber in ein paar Minuten werde ich bei ihnen sein.
Drinnen sind Cinema Bizarre dabei, ihre Haare zu richten und ihr Makeup aufzufrischen. Jede Strähne sitzt perfekt, nichts hängt schief. Trotzdem, hinter der übertriebenen Schminke und dem androgynen Aussehen verbergen sich fünf einfache, einsatzfreudige Musiker, voller Begeisterung dafür, was um sie herum passiert. Erzählt mal.
Rock Mag: Was bedeutet Cinema Bizarre eigentlich?
Strify (Gesang): Cinema Bizarre... Das sind fünf junge Männer, die aussergewöhnliche Musik machen. Viele meinen, das Wort 'Bizarre' bezeichne etwas Fremdes, und das ist gut so, denn mit diesem Wort wollten wir zum Ausdruck bringen, dass es gut ist, anders als die anderen zu sein.
Luminor (Keyboard): Wir waren alle damit einverstanden, uns Bizarre zu nennen. Aber es fehlte noch etwas. Wir kamen dann darauf, dass unser Abenteuer an einen Film erinnert, einen anstössigen Film. Daher das Wort 'Cinema'. Dann haben wir uns gesagt, dass Cinema Bizarre wirklich klasse klingt und gleichzeitig Aufmerksamkeit erregt.
Die japanische Kultur hat euch sehr geprägt. Welches sind eure wichtigsten visuellen Einflüsse?
Yu: Ich mag Visual Kei sehr gerne, Bands wie Miyavi, Dir en grey. Die verschiedenen Stile dieser Musiker habe ich dann für mich zu einem neuen, eigenen Stil zusammengemischt.
Kiro: Ich liebe es, mir Modezeitschriften anzusehen, und wenn ich eine Jacke sehe, die mir gefällt, kaufe ich sie mir und passe sie noch individuell an.
Luminor: Was mich angeht, gab es keine japanischen Einflüsse. Mich beeinflusst der Dark Metal, was mir erlaubt, nach aussen zu zeigen, wie es in mir drin aussieht. Die Androgynität, zum Beispiel, die habe ich immer in mir getragen. Ich will nur das sein, was ich bin. Dieses geschminkte Gesicht ist tatsächlich mein wahres Gesicht.
Was sagt ihr, wenn man euch als deutsche J-Rock-Band betitelt?
Alle: Nein!
Strify: Wir wollten das niemals kopieren. J-Rock ist japanisch. Wir sind Deutsche und machen definitiv keine japanische Musik.
Luminor: Manchmal sagen uns Fans: "Ich liebe euch, ihr seid Deutsche und spielt J-Rock." Ich lache dann immer, aber am liebsten würde ich ihnen ein "Fuck off" an den Kopf werfen. (lacht)
Aber ihr mögt Mangas?
Strify: Ja, sehr, auch wenn ich immer weniger Zeit habe, sie zu lesen.
Yu: Ich bin verrückt nach Mangas. Habe etwa 500 Stück und kaufe mir jede Woche mindestens einen neuen dazu.
Ganz ehrlich: Was ist euch wichtiger, die Musik oder das Aussehen?
Strify: Das ist sehr unterschiedlich, für jeden von uns. Aber im Grossen und Ganzen ist die Musik das wichtigste. Das Aussehen ist aber auch sehr wichtig, deshalb macht eine Kombination dieser beiden Dinge unsere Identität aus.
Luminor: Ohne unseren Stil würde unsere Musik nicht funktionieren, genauso wie der Stil nicht ohne die Musik funktioniert.
Am 24. März kommt euer Album nun endlich in Frankreich raus. Warum habt ihr so lange gewartet?
Strify: Wir haben uns zuerst auf Deutschland konzentriert, weil das unsere Heimat ist. Wir mussten herausfinden, wie wir ankommen, und weil alles recht gut gelaufen ist, versuchen wir es jetzt auch in Frankreich. Und als das Album fertig war, erschien uns das als der richtige Zeitpunkt.
Luminor: Es stand immer schon fest, dass wir den Schritt nach Frankreich machen würden, denn unsere französischen Fans standen von Anfang an hinter uns. Unsere Band gibt es schon seit einigen Monaten und wir haben viele Fans hier.
Die grosse Lücke zwischen der Veröffentlichung in Deutschland und der in Frankreich stört euch also nicht? Ich meine, ihr macht hier jetzt Promo für ein Album, das schon fast ein Jahr alt ist…
Strify: Nein, überhaupt nicht. Es gibt schon einige Änderungen an der Tracklist, und es werden auch Remixe drauf zu finden sein. So hat man das Gefühl, dass man gerade ein nur etwas anderes Album gekauft hat.
Was bedeutet der Titel, Final Attraction?
Strify: Wir haben eigentlich schon seit 2005 einiges ausprobiert und sind einen langen Weg gegangen. Die Veröffentlichung dieses Albums ist für uns etwas Unglaubliches, eine grosse Etappe in unseren Leben. Wie der endgültige Anziehungspunkt oder das letzte Kapitel. Aber nicht im Sinne von "abschliessend" sondern eher von "DAS Kapitel".
Wer ist auf diesen Titel gekommen?
Strify (schaut Luminor an): Ehm... (Luminor schneidet ihm das Wort ab)
Luminor: Das war eine Entscheidung der ganzen Band (lächelt in die Runde). Wir sind eines Abends gemeinsam darauf gekommen.
Die CD-Hülle ist sehr futuristisch, wie aus einem George Lucas-Film...
Yu (Giarrist): Stimmt, wir wollten ein Layout kreieren, das an die Zukunft erinnert, etwas Neues, wie um den Menschen zu sagen: "Wir sind etwas Neues". Daher dieses Science Fiction-Thema.
Strify: Eigentlich sind wir auf der Suche nach einer besseren Zukunft. (lacht)
Eure erste Single, Lovesongs (They Kill Me), ist bei uns schon recht erfolgreich. Worum geht es in dem Lied?
Kiro: Um den Zustand, in dem man sich befindet, wenn man traurig ist und dann am Radio auch noch ein Liebeslied hört: das macht einen noch mehr kaputt!
Strify: Genau, zudem dreht es sich um Liebe, Freundschaft, Familie: um alle starken Beziehungen, die uns in einen erbärmlichen Zustand versetzen können, wenn sie schief gehen. Es ist beinahe ironisch, aber zwei Wochen vor dem Videodreh ist meine Grossmutter gestorben. Damit will ich dir nur vor Augen führen, dass ich tatsächlich in der perfekten Stimmung für den Dreh war.
In Deutschland gibt es bereits eine dritte Single...
Strify: Ja, die zweite war Escape To The Stars und jetzt ist gerade Forever Or Never rausgekommen. Es ging schon alles sehr schnell, aber wir gehen damit auf die grosse Nachfrage bei den Fans ein.
Ich habe den Clip zu Forever Or Never noch nicht gesehen, aber der zu Escape To The Stars ist, ähnlich wie die CD-Hülle, sehr futuristisch. Seid ihr beim selben Konzept geblieben?
Strify: Wir wollten ein Video machen, das das Thema der CD-Hülle aufnimmt. Und weil der Titel Escape To The Stars einen an etwas Futuristisches denken lässt, hat das ganz gut gepasst.
Luminor: Aber der Clip zu Forever Or Never hat damit nichts gemeinsam. Er ist dunkler. Wir spielen an einem Ort, der an ein gigantisches Spinnennetz erinnert. Und parallel dazu sieht man eine junge Frau, die sich in seltsamen Gängen verirrt und verliert. Der Clip ist anders, aber wir mögen ihn trotzdem sehr gern.
Aber sagt mal, drei Clips in fünf Monaten, das ist ja fast ein Weltrekord!
(Alle lachen sich schief.)
Strify: Ja, stimmt. Und für den Moment ist jetzt ganz klar Schluss. Den nächsten machen wir wohl Anfang Sommer.
Luminor: Alles wird auch in Frankreich veröffentlicht werden, und danach stellen wir den Zähler auf Null fürs zweite Album.
Normalerweise kann man ein Treffen mit einer Band gewinnen oder auch signierte Fotos. Aber ihr, ihr verlost eine signierte Plastikflasche an eure französischen Fans. Woher habt ihr denn diese Idee?
(Alle fünf schauen mich mit weit aufgerissenen Augen an.)
Strify: Worum geht's denn da?
Ihr seid nicht auf dem Laufenden?
Strify: Nein, überhaupt nicht.
Luminor: Ich habe davon gehört. Radio NRJ will diesen Gewinn anbieten.
Strify (hat einen Lachkrampf): Das ist ja unglaublich. Wahnsinnig lustig und gleichzeitig...bizarr!
Luminor: Wir heissen nicht umsonst Cinema Bizarre (lacht)!
Ihr habt Cinema Bizarre-Kreditkarten lanciert. Was ist da das Konzept?
Yu: Das ist für deutsche Jugendliche, die noch keine echte Kreditkarte haben dürfen. Es ermöglicht ihnen, ein Konto zu führen und übers Internet zu bezahlen. Mit den Karten kann man aber kein Geld abheben, es sind nur Sammlerobjekte.
Luminor: Es ist ein zweckmässiges System, das es Jugendlichen erlaubt, etwas auf eBay zu kaufen oder Musik runterzuladen.
Gibt's das Angebot auch in Frankreich?
Strify: Im Moment nicht. (Sie drehen sich alle zu ihrem deutschen Presseattaché um, der das Interview mitverfolgt und uns mitteilt, dass Visa die Zustimmung für andere Länder noch nicht gegeben hat.)
Bis im August sind im Moment keine zwanzig Daten geplant...
Strify: Wir gehen Schritt für Schritt vorwärts. Wir werden weiterhin Promotion machen und vorallem Konzerte geben: in Deutschland, Rumänien, Moldawien und in Dänemark. Und wir hoffen, bald auch in Frankreich spielen zu können!
Luminor: Selbstverständlich möchten wir sehr gern eine richtige Tournee machen, alle Länder besuchen. Aber wir warten lieber erst ab, um zu sehen, ob die Reaktionen auf das Album gut ausfallen.
Im Moment gibt es nur ein Album, das ihr live spielen könnt... Spielt ihr deshalb einige Lieder mehrmals?
Strify: Bisher haben wir das nicht gemacht, aber es ist tatsächlich vorgesehen.
Und welche Lieder sind das?
Strify: Oh, hier sind wir überfragt! (Er wendet sich an den Presseattaché, der mit einer Andeutung des Kopfes verneint.) Sorry, ich sag's dir, sobald das Aufnahmegerät aus ist. (lacht)
Passt schon... Und neue Lieder?
Luminor: Das ist noch nicht sicher. Falls ein paar Stücke zustande kommen und wir uns sicher sind, dass wir nichts mehr daran verbessern können, spielen wir sie vielleicht auf der Bühne. Aber das wird sich zeigen. Mit nur einem Album gibt es ja schon ein paar schöne Stücke!
Welches Lied funktioniert live denn am besten?
Luminor: Lovesongs (They Kill Me), weil das die Fans am besten kennen.
Strify: Zudem spielen wir es erst am Schluss, weshalb die Leute noch mehr ausflippen. Mich fröstelt, wenn die ganze Halle aufschreit, sobald die ersten Takte unserer Lieder erklingen.
Habt ihr einen Blog, in dem ihr euren Fans von der Tour erzählt?
Strify: Noch nicht, ist aber vorgesehen. Kompettentere Menschen, als wir es sind, sind dabei, ihn aufzuschalten. Von April an können wir ihn dann updaten.
Lebt ihr im Tourbus?
Luminor: Ja, wir schlafen nach den Konzerten darin, weil wir in die nächste Stadt weiterreisen müssen. Wir schlafen nur dann im Hotel, wenn wir Promotion machen.
Und was geht da so ab, im Tourbus?
Strify: Wir lachen viel! Es ist echt witzig, wir haben sehr viel Spass. Wir erleben hier etwas ganz Aussergewöhnliches und wollen das alles auskosten. Nur Luminor wird griesgrämig, wenn er im Bus schlafen muss. (lacht)
Luminor: Ich hasse das. Ich bin zu gross, ich fühl mich wie in einem Sarg (lacht)!
Strify: Wir finden es toll, er will sein Bett (lacht)!
Yu: Ich liebe es. Wir sind alle in unseren kleinen Schlafkojen, dort ist es wie in einem kleinen Haus! Wir können unsere MP3s hören oder im Gemeinschaftsteil des Busses PS3 spielen. Es ist wie ein fahrendes Hotel (lacht)!
Welche Spiele spielt ihr?
Yu: Grösstenteils Ballerspiele wie Halo 3, Assassin's Creed... Gut zum Abreagieren!
Und wer ist der Beste?
(Alle wenden sich Yu zu)
Yu: Ich hab Jahre an Erfahrung hinter mir (lacht)!
Gibt's Anekdoten von der Tournee?
Strify: Ja, weil es unsere erste Tour war, waren wir diesen Rhythmus überhaupt nicht gewöhnt. Darum waren wir so gut wie alle krank! Kiro hat sich in der Nacht nach dem ersten Konzert in einer Badewanne wiedergefunden!
Kiro: Ich hatte 40 Grad Fieber und war quasi bewusstlos, sie mussten mich mit kaltem Wasser wecken, das war schrecklich (lacht)!
Okay, seid mal ehrlich... Draussen hat es 150 Mädchen, die nur Augen für euch haben. Würdet ihr das ausnutzen?
Strify: Wow, das ist verdammt privat (lacht)!
Yu: Wir haben eine Regel: keine Fans im Tourbus. Nie, das ist verboten. Was sich jedoch ausserhalb des Busses abspielt, ist was anderes.
Und was heisst das...?
Yu (lacht böse): Nichts, nur dass jeder das macht, was er will!
Strify: Es ist nicht unser Ziel, Musik zu machen, um Mädchen abzuschleppen. Im Gegenteil, ich finde es sehr fies, dass so viele Kerle ihre Berühmtheit ausnutzen, um junge Mädchen zu täuschen, die ja noch in ner Identifikationsphase sind.
Yu: Das hast du letzte Nacht aber nicht gesagt! (Alle brechen in Gelächter aus)
Strify: Tu es vraiment imbécile(lacht)! (Schlagt das bitte in einem Deutsch-Französischen Wörterbuch nach.)
Seid ihr noch zu haben?
Strify: Ja, wir sind alle noch zu haben, ausser...
Luminor: Ausser ich. Bin in einer Beziehung. Und treu.