Garching-Wettbewerb: "Spuren der Heimat"

Jul 20, 2009 15:05

Wie im Con-Bericht angekündigt, hier meine Siegerstory vom Garching-Wettbewerb.

Titel: Spuren der Heimat
Autorin: Ziska
Zeichen: 5.971
Inhalt: Ein möglicher Romananfang für Band 2500.
Dank: Herzlichen Dank an Inga und Dieter fürs Testlesen.

~*~

Langsam kam es in Sicht: Galakto-City, die Weltraum-Hauptstadt der Liga Freier Terraner.

Im Vorbeiflug sah man zunächst von oben den transparenten Kuppelschirm über der Wohnstadt, der freie Sicht auf Neu-Gobi und den Luna-See erlaubte, dann das ganze imposante Gebilde von der Seite, die Aufbauten der Wohnstadt auf der einen und die des Raumhafens mit dutzenden gelandeter Schiffe auf der anderen Fläche der 80 km durchmessenden Scheibe.

Das Habitat auf der ehemaligen Umlaufbahn Terras trug den Gründungsnamen Terranias. Liga-Resident Julian Tifflor selbst hatte ihn ihm gegeben, damals nach dem Abzug TRAITORS: ein Symbol des Wiederaufbaus. Mittlerweile lebten 12 Millionen Terraner und andere Galaktiker hier.

Tifflors Schiff erreichte die Hafenseite, wurde vom Traktorstrahl der Leitstelle erfasst und senkte sich auf die Landeplattform.

Galakto-City, dachte Tifflor müde, war imposant. Aber es war nicht Terrania.

~*~

Jenseits der Sicherheitslinie lehnte eine schlanke Gestalt an der Wand. Der Mann war fast ein Schatten: Der dunkelbraune Anzug ergab kaum Kontrast zur Hautfarbe.

Während Tifflor in plötzlicher Eile die automatischen Sicherheitskontrollen passierte und den Regierungskomplex von Galakto-City betrat, verzog der Mann keine Miene. Erst als Tifflor direkt vor ihm stand und auffordernd die Brauen hob, ließ er ein schmales Lächeln sehen.

"Resident", grüßte er.

Tifflor erwiderte den Gruß mit einem knappen Nicken. Die betont lässige Pose des anderen erfüllte ihn mit Unruhe. "Warst du nicht auf Imart zur Einweihung der neuen SiTrans-Route?", fragte er leise.

Der Liga-Minister für Raumfahrt und interstellaren Verkehr grinste humorlos. "Niko hat sich nicht beschwert, dass ich eher zurück bin."

Tifflor gab ein neutrales Hmm von sich. Die Familie des Ministers lebte auf der Venus. Ob Mann und Tochter wirklich etwas von seiner Rückkehr hatten?

Der andere musterte Tifflor intensiv. "Gehen wir in mein Büro", sagte er kurz und schlenderte scheinbar gemütlich voran in Richtung des Pneumolifts.

Er erklärte nicht, warum er den Liga-Residenten abgepasst hatte. Und Tifflor fragte nicht: Wenn Yofi Manu Kusmin den Schweigsamen spielte, hatte das Gründe.

Erst hinter geschlossenen Türen fiel die aufgesetzte Lässigkeit von Kusmin ab.

"Das Space-Jet-Wrack, das am Agnion-Hyperriff gefunden wurde", sagte er abrupt und fuhr sich mit der Hand über den kahlen Schädel. "Es stammt von Terra."

Tifflor blinzelte. Einmal, zweimal, ein drittes Mal.

Sofortumschalter müsste man sein, dachte er, während er ein Dutzend Möglichkeiten aufwarf und abwog, ein Dutzend wilde Spekulationen verwarf.

"Von Terra", wiederholte er.

Terra war vor 60 Jahren im Hyperraum verweht.

Auf Kusmins Anweisung entstand vor ihnen ein Hologramm: das ausgebrannte Wrack eines diskusförmigen Raumschiffs.

"Die Agnoten haben es als AP-SJ-28 identifiziert", erläuterte er. Er sprach überdeutlich, wie er es nur tat, wenn er sich Mühe geben musste, ruhig zu bleiben. "Ein Beiboot der ALBERTO PATO, die nach RECHAS Daten zuletzt schwer beschädigt auf Terra in der Werft lag."

Das Boot hätte mit dem Mutterschiff - mit dem Planeten - untergegangen sein sollen. Stattdessen …

Ruhig bleiben. Tifflor meditierte Char'imchar, atmete tief durch.

"Deshalb also die Geheimniskrämerei", sagte er schließlich.

Kusmin nickte. "Kannst du dir vorstellen, wie die Öffentlichkeit reagieren wird? Wir sollten zusehen, vorher Fakten in der Hand zu haben."

"Was hast du eingeleitet?"

Der Minister zählte die Punkte an seinen Fingern ab: "Die vorhandenen Daten sind an RECHA gegangen." Die Biopositronik auf dem Marsmond Deimos hatte die Nachfolge NATHANS angetreten, der - wie ganz Luna - das Schicksal Terras geteilt hatte. "Bei diesem Grad der Zerstörung wird es allerdings schwer sein, etwas zu rekonstruieren." Er hob einen zweiten Finger. "Ich habe deshalb ein forensisches Expertenteam nach Agnion geschickt. Und", der dritte Finger, "Arkon hat hypermeteorologische Messbojen in der Nähe des Riffs. Ich habe um die Daten gebeten."

Tifflor ließ seinen Blick über das geschwärzte, stellenweise aufgerissene Terkonit der Jet gleiten. Das waren keine Hypersturmschäden. Was hatte den Raumer derart zugerichtet?

"Die Experten können uns sicher zumindest ein paar Antworten geben. Bis dahin …" Kusmin rieb sich nervös die Nasenwurzel und verstummte.

"Yofi?"

Der Minister starrte für einen Augenblick auf seinen Schreibtisch. Dann streckte er die Hand nach dem dort stehenden Familienholo aus und zog es heran. Eine Berührung am Sockel, und die Figuren erwachten zum Leben: Die kleine Aba in ihrem leuchtend roten Kasterbourous-Shirt sprang Aufmerksamkeit heischend auf und ab. Der holografische Niko flüsterte dem holografischen Yofi etwas zu und erntete ein Lächeln.

Abrupt schlug Kusmin mit der flachen Hand auf die Basis des Holos. Es erstarrte wieder.

"Mein Vater war auf Terra", sagte er leise. "Mutter und ich sind auf die Venus gezogen, aber ich habe ihn regelmäßig in Kumasi besucht. Dann brach der TERRANOVA-Schirm zusammen." Er schluckte. "Ich war fünf. So alt wie Aba heute."

Tifflor presste die Lippen zusammen. Wieviele Tausend Liga-Bürger hatten Familie oder Freunde auf Terra gehabt?

Sie alle würden fragen: Wie war die Jet zum Hyperriff gelangt?

Tifflor rief sich die dortigen Verhältnisse in Erinnerung. Energieausbrüche, Tryortan-Schlünde, Raumzeitrisse …

Stammte die Jet vielleicht aus der Vergangenheit? Einer Pararealität?

War die ALBERTO PATO wirklich in der Werft gewesen, oder war sie zum letzten Aufgebot gestartet, als die Traitanks durch den TERRANOVA-Schirm gebrochen waren? War sie dem Inferno im Solsystem entkommen?

Gab es irgendwo da draußen nach all den Jahren noch Überlebende der Heimatflotte?

Fragen über Fragen.

Besser, Antworten zu finden, bevor man alte Wunden aufriss.

"Bleibt uns nur, zu warten, was die Experten sagen", murmelte Tifflor.

Kusmin rieb sich nervös den Schädel und nickte. "Besser, den Leuten keine falschen Hoffnungen zu machen." Er blinzelte Tifflor zu. "Oder uns selbst."

Zu spät, dachte Tifflor.

(Fortsetzung folgt …)

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