Nowhere Boys: Die beste aller möglichen Welten

Feb 07, 2014 14:27

Fandom: Nowhere Boys
Worte: ~ 1200
Inhalt: Spielt nach der ersten Staffel. Oscar hat Felix ein paar Dinge zu sagen.



Die beste aller möglichen Welten

“Was du uns erzählt hast”, sagt Oscar leise, “war nicht alles, was passiert ist.”
Es ist nur ein Fakt, den Oscar ausspricht. Felix kann weder einen Vorwurf heraushören, noch ein Drängen, die ganze Geschichte zu erzählen. Sie sitzen beide auf dem ranzigen Sofa, das Felix vor ein paar Wochen im Sperrmüll gefunden hat und unbedingt in sein Zimmer schleppen musste. ‚Vor ein paar Wochen‘ kommt ihm jetzt vor wie ein anderes Leben.

Felix zuckt die Schultern. „Es war nicht alles furchtbar interessant.“

Er hat die Gitarre auf seinem Bauch liegen und klimpert darauf herum, Oscar hört ihm zu und hängt seinen Gedanken nach. Sein kleiner Bruder war schon immer ein Träumer, völlig anders als er selbst. Felix konnte noch nie still sitzen und sich lange selbst beschäftigen. Er brauchte immer irgendwas zu tun oder zu beobachten und die Aufmerksamkeit anderer. Oscar dagegen ist sich selbst meistens genug. Felix erinnert sich, dass das schon immer so war. Felix mit fünf Jahren: bringt alles vor ihm in Sicherheit. Oscar mit fünf Jahren: gib ihm ein bisschen bunte Knete oder einen Schuhkarton und er ist für Stunden beschäftigt.

Oscar dreht sich zu ihm und sieht ihn an, lange und prüfend. „Kann ich dir ein Geheimnis erzählen?“

„Klar.“

„Als du weg warst hab ich von dir geträumt.“

Felix lacht. „Aw Brüderchen, ich hab dich auch vermisst.“

„Nein“, sagt Oscar ernst. „Du warst in einer Welt, wo ich nicht im Rollstuhl sitze und Ellen war kein Goth und du konntest zaubern. Du hast das Amulett von dort mitgebracht.“

Oscar tippt mit einem Finger auf den schwarzen Stein, der unschuldig auf Felix‘ Brust liegt.

Felix sieht ihn verblüfft an.

„Und seit du zurück bist, kann ich… uhm. Sachen fühlen.“ Oscar zuckt etwas hilftlos mit den Schultern. „Schwer zu erklären.“

„Ich kann Feuer kontrollieren“, platzt es aus Felix heraus.

„Cool!“

Felix zögert einen Moment, aber dann fällt ihm kein guter Grund ein, irgendetwas vor Oscar geheim zu halten. „Du bist das fünfte Element.“

„Wie die rothaarige Frau in dem Film?“

Felix runzelt die Stirn. „Uhm… ja? Mehr oder weniger. Feuer, Wasser, Erde, Luft… und Geist.“

„Cool.“ Oscar grinst zufrieden.

„Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung, was genau abgeht“, gibt Felix zu. Es ist nur fair, zu warnen. Apropos warnen. „Wenn ich nicht der einzige bin, sollte ich vermutlich mit den andern reden.“
Er überlegt einen Moment lang, ob er das jetzt gleich machen sollte, aber es ist nach zehn und die andern sind wahrscheinlich froh, wenn sie nach elf Tagen mal satte 24 Stunden lang nichts von ihm sehen, also besser später.

Oscar ist für eine ganze Weile still, während Felix auf der Gitarre ‚Smoke on the Water‘ vor sich hin schrammelt. Dann holt er tief Luft und Felix weiß, dass ihm das, was sein Bruder als nächstes sagt, nicht gefallen wird.

„Das warst du, oder? Du hast irgendwas gemacht und deshalb seid ihr verschwunden und wir haben jetzt diese… Kräfte.“

Felix schweigt lange, dann nickt er. „Ich wollte diesen Zauberspruch ausprobieren. Hat aber nicht geklappt.“ Seine Stimme bricht bei den letzen Worten, aber das ist hundert Prozent Pubertät und hat absolut nichts damit zu tun, wie elend er sich jetzt wieder fühlt.

Und plötzlich hängt ihm Oscar um den Hals. Und obwohl er sich unbeholfen auf ihn rauf gerollt hat und Felix‘ Gitarre halb zerquetscht, umarmt Felix seinen Bruder und drückt ihn fester an sich. „Tut mir leid“, flüstert er in Oscars weiche Haare. Immer wieder. „Tut mir leid, tut mir leid, tut mir leid.“

Er hört auf, weil Oscar seinen Arm boxt. Ziemlich hart für so ein halbes Hemd. „Du bist ein Idiot.“

„Ich weiß.“

Oscar stöhnt. „Nein, wirklich nicht. Dir ist das Ausmaß deiner Idiotie absolut unklar.“

„Ich werd‘ irgendwas finden, was funktioniert. Ich weiß zwar nicht wie, aber wir scheinen jetzt ziemlich stark zu sein, also mfghng?“

Oscar hat sich aufgerappelt und presst eine Hand auf Felix‘ Mund. Seine eigenen Lippen sind zusammengepresst, wütend entschlossen, aber seine Augen sehen Felix beinahe flehend an. „Halt mal für fünf Minuten die Klappe, ja?“

Felix nickt und Oscar holt wieder tief Luft.

„Danke.“

„Maf?“ fragt Felix verblüfft. Oscar nimmt seine Hand weg. „Was?“ wiederholt Felix.

„Danke, dass du es versucht hast.“

Felix runzelt die Stirn. „Du brauchst mfrgrf…“ Ja, er könnte Oscar in die Hand beißen und ihn von sich runter werfen. Rein physikalisch. Aber er schnauft nur frustriert und verlässt sich darauf, dass sein Eyeliner das böse funkeln seiner Augen angemessen unterstreicht.

„Und“, sagt Oscar seelenruhig, so als hätte es keine Unterbrechung gegeben, „danke, dass du es weiter versuchen wirst, schätze ich. Aber zwei Sachen, ja?“
Felix grummelt und versucht, seinen Kopf wegzudrehen. Er will wirklich nicht mit Oscar darüber reden. Sie haben nie darüber geredet und das hat ganz hervorragend funktioniert und war sehr gut erträglich. Oscars klebrige kleine Hand auf seinem Mund hält ihn fest.

„Felix!“

Er rollt die Augen und sieht seinen Bruder dann mit soviel Widerwillen wie möglich an.

„Erstens: es war nicht deine Schuld. Wir haben zusammen gespielt und ich bin vom Baum gefallen. Du hast versucht, mir zu helfen.“ Felix windet sich, aber Oscar lässt nicht locker. „Es ist total beschissen gelaufen und weißt du, ich bin wütend, weil andere Kinder von Bäumen fallen und nichts passiert und weil es wirklich jeden in dieser Familie fertig macht. Aber wieder andere Kinder fallen von nem Baum und brechen sich das Genick oder sie fallen nie von nem Baum und haben keinen idiotischen großen Bruder, der für sie dunkle Mächte beschwört.“

Felix lacht oder vielleicht schluchzt er, es ist schwer zu sagen. Tränen von Oscar tropfen auf sein Gesicht und vermischen sich mit seinen eigenen.

„Und das ist das zweite“, sagt Oscar. „Du musst mir versprechen, vorsichtig zu sein.“ Obwohl er weint scheint sich sein Blick direkt in Felix‘ Seele zu bohren. So hat er seinen Bruder noch nie gesehen. Oscar ist immer ein bisschen zu ernst, aber er war auch immer ein Kind. Wie ein schlecht gelauntes Katzenbaby. Nun kommt er Felix mit einem Schlag um soviele Jahre älter vor, vielleicht sogar älter als er selbst. Er scheint mit dem nächsten Satz zu zögern, aber dann gibt er sich einen sichtlichen Ruck. „Weil ich nicht tauschen würde.“

Er sieht Felix noch einen Moment lang mit diesem seltsamen ernsten Blick an, dann rollt er sich von ihm herunter und sitzt wieder neben ihm auf der Couch.

Felix wischt sich Tränen von Gesicht und versucht seine Atmung unter Kontrolle zu bekommen.

„Versteh mich nicht falsch“, sagt Oscar. Seine Stimme klingt beinahe normal. „Ich würde jede Menge Scheiße mitmachen, damit ich wieder laufen kann, aber wenn ich nur die Wahl hätte zwischen dieser Welt und der anderen…“ Er greift nach Felix‘ Hand und drückt sie.

Felix räuspert sich, bis sein Hals sich einigermaßen normal anfühlt und krächzt ein mattes „Okay.“

Sie sitzen eine ganze Weile länger schweigend nebeneinander. Felix fühlt sich komisch, irreal. So wie man sich vermutlich fühlen sollte, wenn man in eine Parallelwelt reist und gegen Dämonen kämpft und wiederkommt und Feuer lenken kann. Aber das war eigentlich kein Ding, das war cool. So im Großen und Ganzen. Das hier ist etwas viel Seltsameres: eine Parallelwelt in der normalen Welt, in der er nicht Schuld daran ist, dass seine Familie ein verdammtes Irrenhaus ist und in der sein Bruder ihn nicht heimlich hasst. Er ist sich nicht sicher, ob er daran glauben kann.

„Felix?“ Oscar klingt begeistert und völlig auf einen neuen Gedanken konzentriert, so als wäre das eben ein ganz normales Gespräch gewesen und kein bisschen weltbewegend.

„Hm?“

„Meinst du, ich kann vielleicht lernen, Gedanken zu lesen?“

deutsch, nowhere boys

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