BERLIN! Bist Du bereit? - Tanz der Vampire, Berlin, 18./19.11.2011

Dec 08, 2011 20:14

BERLIN! Bist Du bereit?

Ich bin mit dem festen Vorsatz in die Vorstellung gegangen, sie nicht mit Wien zu vergleichen. Jeder inszeniert anders, Geschmäcker sind verschieden, Ansichten auch. Leider muß ich gleich zu Beginn feststellen: Ich bin kläglich gescheitert! Das „Schlimme“ an Wien ist, daß man gnadenlos verwöhnt wird: Tolles Orchester, erstklassige Schauspieler, wahnsinnig schönes Bühnenbild. Das wird einem allerdings erst bewußt, wenn man das gewohnte Nest einmal verläßt.

Besonders auffallend ist das im Vergleich zu Wien deutlich reduzierte Orchester. Gerade bei den lauten und starken Liedern und Übergängen wummert und schrillt es gehörig und der künstliche Synthesizer-Klang wird deutlich. Dabei wäre die Akustik im Theater des Westens wirklich ein Traum.

Das Bühnenbild wirkt leicht eingestaubt und „billig“. Der Schnee auf dem Wirtshaus erinnert an Zuckerguß aus dem Grimm’schen Hexenhäuschen und die Särge in der Gruft lassen sofort am Pappmaschee denken. Vermutlich sind sie daraus auch gemacht, man sollte es nur eben nicht sehen.

Bei den Kostümen bin ich gemischter Meinung. Das rote Ballkleid ist leider ein bisserl zu kurz geraten, und die grellgelben Einsätze und Handschuhe der Sei-Bereit-und Carpe-Noctem-Vampire sind optisch grausam. Und beim Herrn Grafen und Sohn gibt es viel zu viele Rüschen überall. Sehr schön fand ich hingegen die Kostüme der Ewigkeitsvampire. Teilweise sehr verspielt und „sissihaft“, was einen schönen Kontrast zu dem „Vampir an sich“ bildet.

Extrem gestört hat mich an dieser Inszenierung die viele Kulissenschieberei. Da wurde ständig von oben, von der Seite, von hinten rauf, runter, vor und zurück gefahren und geschoben. Zuerst dachte ich, daß die Bühne eventuell zu klein ist für eine Drehbühne und dies die einzige Möglichkeit der Inszenierung ist. Dem war aber nicht so, denn beim Gebet hat sich das Haus gedreht. Leider auch nur da. Für mein Empfinden bringt die Berliner Lösung sehr viel unnötige Unruhe ins Stück, die Übergänge wirken hart, unrund und wenig elegant.

Die Darsteller:

Beim Professor kamen wir an diesem Wochenende in den Genuß einer Doppelbesetzung - Veit Schäfermeister zum einen und Sven Prüwer zum anderen. Und Beide machten ihre Sache wirklich gut. Veit Schäfermeister singt unglaublich klar und deutlich. Interessant, welche Namen beim Bücherlied plötzlich so zum Vorschein kamen. Die Höhen, die die Rolle hat, beherrscht er mühelos und das Tattrige  bringt er gekonnt rüber. Noch unterhaltsamer war jedoch Sven Prüwer. Er spielt die Rolle mit unglaublich viel Situationskomik - ich kann mich nicht erinnern, mich schon jemals in der Gruftszene so amüsiert zu haben. An den Höhen muß er jedoch noch ein bißchen arbeiten, die klingen bei "Wahrheit" noch sehr krächzig.

Kai Hüsgen gab einen guten Chagal ab. Ein bißchen verschlagen, ein bißchen hinterhältig, ein bißchen schleimig - alles in allem völlig in Ordnung.

Was man leider weder von Barbara Raunegger (Rebecca) noch von Stefan Büdenbender (Koukol) sagen kann. Barbara’s Darstellung ist langweilig, blaß und stimmlich sehr dünn. Schauspielerisch kommt überhaupt nichts an, auch Chagal’s Sterbeszene wirkt künstlich und unnatürlich. Stefan’s Koukol ist keinen Deut besser. Einfallslos und ohne den gewohnten Charme und Esprit. Dieser Koukol ist in keinster Weise liebenswert.

Auch Goele de Raedt’s Magda paßt einfach nicht. Es ist schwer, das Warum in Worte zu fassen, weil man ihr weder darstellerisch noch gesanglich etwas vorwerfen kann. Für mich wirkt sie einfach zu stämmig und eher wie eine dumme Bauernmagd. Besonders auffallend war das im zweiten Akt bei der Gruftszene, wo sie weder verführerisch noch sexy, sondern billig und trampelhaft rüberkam.

Michael Heller hingegen war ein richtiger Bilderbuchalfred. Niedlich, naiv, tollpatschig, aber nicht doof und in den richtigen Momenten auch willensstark. Ich mußte sehr schmunzeln, als er in der Gruft auf die Frage ob er sich denn gar nicht schäme, richtig trotzig meinte: Doch! Aber.ich.kann.das.trotzdem.nicht!!! „Für Sarah“ war herzzerreißend schön und auch die Wandlung zum Vampir am Ende fand ich sehr gelungen.

Amelie Dobler hinterläßt bei mir einen zwiespältigen Eindruck. Optisch sehr passend mit ihrem elfenhaften Gesicht. Auch schauspielerisch stark. Vor allem die Szene im Bad, als sie Alfred umgarnt, um baden zu können, hat sie großartig gelöst. Stimmlich überzeugt sie mich nicht. Ruhige Passagen singt sie sehr schön, aber wenn es in die Höhen geht, wird sie schrill und grell. Die roten Stiefel hatten einen leichten Aua-Faktor und hätten auch ein bißchen mehr Tempo vertragen.

Daß Marc krank war, war für uns ein Glücksgriff, weil wir in den Genuß von Robert Marx als Herbert kamen. Ich mag seine Interpretation des Grafensohnes sehr. Dunkler, nicht so tuntig, viel gefährlicher und furchteinflösender, wie es sich für einen Vampir gehört. Über seine Kostüme läßt sich streiten. Vor allem die glitzernde Silberhose lenkt die Blicke eindeutig auf eine bestimmte Körperregion, die in diesen Hosen aber durchaus sehr ansehnlich ist.

Über Drew Sarich als Graf von Krolock ist eigentlich bereits alles gesagt worden. Drew spielt die Rolle wie man es aus Wien gewohnt ist - kraftvoll, intensiv, gefühlvoll und bewegend.

Ich hatte beinahe schon vergessen, wie unglaublich verletzlich der Herr Graf bereits beim Finale des ersten Aktes wird. Mich begeistert, wie zärtlich er mit dem Schwamm umgeht und wie verführerisch er Alfred umgart, was in diesem großartig in die Länge gezogenen „befrei’n“ endet. Und wie bewegend die "Unstillbare Gier" ist. Absoluter Gänsehautfaktor. Die am Ende in blaues Licht getauchte Bühne gibt der Aura des Grafes zusätzlich etwas magisches und mythisches.

Schade ist, daß er nach "Gott ist tot" nicht mehr durch den Zuschauerraum abgeht, sondern gleich rechts durch die erste Tür. Dieser Blick beim Schreiten hatte immer etwas hypnotisches. Dafür ist das hohe "Sei bereit, Sternkind" bei der Totalen Finsternis zurückgekehrt. Interessante Einblicke gestattet die Wendeltreppenlösung in der Ahnengalerie, auf der der Graf von Anfang an steht, um Sarah zu beobachten. Die Finger auf dem Geländer spielen ihre ganz eigene Melodie und Drew's Mimik fasziniert - während seine Blicke Sarah folgen, wechselt sein Ausdruck ständig von interessiert zu mitleidig bis fast zu spöttisch und Sarah's Ende ist bereits in diesem Augenblick besiegelt.

Das nicht vorhandene Wiener Ende schmerzt allerdings gewaltig. Mir fehlt etwas, wenn der Professor seine letzten Worte trällert und dann gleich die Vampire zum Tanz laden. Mir fehlt die Zwischenmusik und mir fehlt vor allem der Eindruck, daß der Graf, egal, was der Professor denkt, die Fäden in der Hand hält. Das Letzte, was man von Krolock sieht, ist das Zurückweichen vor dem Kreuz. Für meine Begriffe ist das nicht konsistent, weil die Botschaft  sein soll, daß die Vampire die Oberhand behalten. Sollte da nicht auch der Obervampir wieder zurückkehren?

Trotz der vielen Kritik, die sich ja letztlich nur aus kleinen Momentaufnahmen zusammensetzt, waren es großartige Abende im Theater. Die Vampire bleiben einmalig, wenn sie zum Tanz laden, und alleine Drew’s unvergleichliche gefühlvolle Interpretation des Grafen Krolock läßt das ganze bereits zum Ereignis werden.

Eines ist sicher: Die Sternkinder kommen zurück...

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