Ein Meer von Gefühl - Premiere: Drew Sarich als Krolock, 6.11.2010
Wie hatte ich auch nur eine Sekunde annehmen können, daß ich Drew‘s Krolock nicht lieben würde? Was hatte ich gehaddert, gezweifelt, überlegt; versucht, mich mit dem Gedanken abzufinden. Krolock war für mich immer ein Langweiler, ein arroganter Kotzbrocken ohne jegliche Faszination gewesen, dem ich nie auch nur ein bißchen Sympathie abgewinnen konnte. Und plötzlich war alles anders...
Premieren sind wirklich etwas ganz besonderes. Man kann die Spannung in der Luft spüren, die Neugierde, die Ungewißheit auf das, was da kommen mag und noch keiner kennt. Die Leute wirbelten alle wie wild durcheinander. Fieberhaft wurde überlegt, ob man denn gleich oder vielleicht doch erst später ein Programmheft kaufen sollte. Und wie würde er sein - der „Neue“?
Ich bildete dabei keine Ausnahme. Schon den ganzen Nachmittag hatte mich eine fiebrige Aufgeregtheit gepackt, die nur langsam nachließ.
Als der Saal sich verdunkelte und die übliche Ansage bezüglich Handys und Mitschnitten kam, mußte ich lächeln: Es war Drew‘s Stimme, die durch‘s Ronacher klang. Erst in diesem Moment wurde mir wieder bewußt, wie sehr ich ihn doch vermißt hatte…
Das Stück begann, alles war mir vertraut bis, ja bis der Graf das erste Mal den Saal betrat. Lange bevor der große Mann in seinem weiten Umhang überhaupt zu erkennen war, drehte ich mich um. Und als er an mir vorbeischritt, hatte ich das seltsame Gefühl wie die Tage zuvor, als ich die ersten Fotos gesehen hatte: Vor mir stand ein Fremder, in dem ich einfach nicht Drew erkennen wollte. Doch das sollte sich keine Minute später ändern.
Bestimmt kam es mir entgegen, daß sich der Graf bei „Gott ist tot“ zuerst abwendet. Nur die so vertraute Stimme trug die ersten Eindrücke ins Publikum. Drew begann - und mit einem Mal fiel die gesamte Anspannung von mir ab. Ich wußte sofort, daß ich es mögen, nein, daß ich es lieben würde. Auch wenn Krolock ein Untoter ist, hauchte Drew ihm mit einem Mal Leben ein. Er setzte Akzente und betonte das „Gott“ so dramatisch, daß ich zusammenzuckte. Und als er die letzen Zeilen ganz hoch, ganz leise und ganz zart ausklingen ließ, hatte mich seine Magie schon eingefangen.
Drew‘s Bühnenpräsenz ist unglaublich stark, und während ich Krolock früher immer als eintönig empfunden hatte, zeichnete Drew gerade bei der Szene „Vor dem Schloß“ faszinierend vielschichtig die unterschiedlichsten Charakterzüge seiner Figur:
Ein bißchen was von seinem Leid blitzte bereits auf, als der Graf von der unheilbaren Krankheit der Traurigkeit erzählte. Doch als er sich ertappt fühlte (großartiger Blick!), wischte er alle aufkeimende Sentimentalität mit einem beherzten „Hahaha“ vom Tisch. Für den Zuschauer war die Maske schon ein wenig gefallen, jedoch auf seine Gäste wirkte der Herr Graf wie der vollendete Gastgeber, als er sie willkommen hieß. Verschlagen umschmeichelte er, man möchte fast sagen „umschleimte“ er den Professor, und die Art wie er „DER Professor AbRONsius“ betonte, läßt mich vermuten, daß dies ein zweites „Büdde“ werden könnte. ;) Alfred gegenüber wurde er verführerisch und verständnisvoll. „Sink mit mir ins Meer der Zeit“ war zart und berührend schön und bereits in diesem Moment wäre ich bereit gewesen, ihm bedingungslos auf die Suche nach dem schwarzen Gral zu folgen.
Bei der „Totalen Finsternis“ kreierte Drew eine wunderschön dichte Atmosphäre, indem er sich anfangs völlig zurücknahm und mit dem Ensemble verschmolz. Er muß sich auch gar nicht künstlich in den Mittelpunkt singen, seine Anziehungskraft ist auch so unfaßbar stark. Sein Gesicht spiegelte den inneren Kampf, den er mit sich ausfocht, wieder: das Verlangen, sich sofort das zu nehmen, was er begehrte, nämlich Sarah, und sogleich die Reue darüber, daß er der Versuchung fast erlegen wäre. Es ist wunderschön wie er das „Sternkind“ stimmlich verschönert und damit Sarah völlig in seinen Bann zieht.
c: VBW
Zu wünschen wäre allerdings, daß Marjan mit und nicht gegen Drew singt. Sie muß gar nicht so brüllen, ich glaube, daß Drew ihr auch so genug Raum läßt, um glänzen zu können.
Die „Unstillbare Gier“ war eine Abwärtsspirale der Gefühle. Bereits die ersten Zeilen waren so voller Hoffnungslosigkeit, daß man den Eindruck bekam, es kaum aushalten zu können. Plötzlich war es wieder da, dieses Meer von Gefühl, durch das dieses Mal jedoch der Graf gehen mußte, und das ihn schier zu überwältigen drohte. Er litt, mit jeder Sekunde mehr, und die Qual der Jahrhunderte fand einen vorläufigen Höhepunkt in den „Ketten“, die ihn nie loslassen. Die Art, wie Drew sie betonte, machte einmal mehr deutlich, wie er alleine mit einem einzigen Wort eine Fülle von Emotionen heraufbeschwören kann. Krolock schien zu verzweifeln und er bereute - seine Taten, sein Leben und seine Unfähigkeit mit den Menschen, die er zerstörte, Mitleid oder Erbarmen empfinden zu können. Drew‘s Stimme wechselte von laut zu leise, von kraftvoll zu schwach und einmal brach sie fast. Und manchmal entscheiden ein paar Sekunden alles: Denn wenn er quasi in allerletzter Sekunde die Gräber hinunterläuft, hat man das Gefühl, einen Abstürzenden vor sich zu haben, der sich nur noch mit Müh und Not am Abgrund halten kann.
Doch im Tanzsaal kehrte der starke Herrscher zu seinen Untertanen zurück. Selbstherrlich fast beanspruchte er die Schönheit der Nacht nur für sich allein. Das „zum bleiben verdammt“ sang Drew in drei Etappen in fast schwindelerregende Höhen, was es zu einem unvergeßlichen Höhepunkt des Ganzen machte. Und Krolock‘s Verlangen nach Sarah verwandelte sich für einen kurzen Moment in Liebe, als er ihr zärtlich über den Hals strich und sie ansah, wie es nur ein Liebender tut, bevor er sich endlich das nahm, was er begehrte.
c: VBW
Den Tanz absolvierte er mit fast stoischer Gelassenheit. Drew‘s Abneigung für‘s Tanzen ist ja bekannt und irgendwie macht er sich dabei immer ein wenig über sich selbst lustig. Große Lacher gab es für den Blick, den er Alfred zuwarf, als dieser ihn mit einem Kerzenleuchter „bedrohte“. Fast in Zeitlupe sah der Graf an sich herab und schien kurz zu überlegen, ob er wenigstens so tun sollte, als hätte er sich erschreckt. ;)
Mit Drew Sarich ist ein Graf der großen Emotionen ins Ronacher eingezogen, dessen Spiel und Gesang voller Facettenreichtum und Faszination sind. Krolock ist der Magier der Nacht und genau das ist es, was Drew auf der Bühne um sich verbreitet: Magie. Er packt einfach seine Farbkiste aus und beginnt zu malen. Und während er malt, durchschreitet er dieses Meer von Gefühl, das sonst eigentlich den Menschen vorbehalten ist. Er trägt einen inneren Kampf mit sich aus, er bereut, er lacht, er verzweifelt und für wenige Sekunden im Tanzsaal liebt er.
Drew‘s Krolock lebt und das intensiver und kraftvoller als je zuvor. Seine Stimme ist rockig-rauchig und dann wieder sanft und sacht. Sie fesselt, umschmeichelt und verführt, so daß sie fast vergessen läßt, wie immens gefährlich dieser Mann doch ist. Alles stimmt und wirkt rund, und wenn er sich in diese großartigen Höhen singt, die er so meisterhaft beherrscht, dann nie um des Selbstzweck Willens oder wegen der Effekthascherei, sondern weil es paßt, weil es unterstreicht und nicht übertüncht. Er setzt ausgewählte, beeindruckende und begeisternde Glanzlichter, die das Ohr nicht mehr verlassen wollen. Und doch ist er der Graf der leisen Töne, der oft nicht mehr braucht als seine wunderschöne Stimme, um das auszudrücken, was er fühlt: Denn es sind vor allem die kleinen, weichen Zwischennuancen, die besonders tief ins Herz treffen und dort für immer in Erinnerung bleiben. Es bedarf so unfaßbar wenig für ihn, um zu berühren.
Und obwohl Krolock plötzlich diese unglaubliche Verletzlichkeit zeigt, zweifelt man nie auch nur im geringsten daran, daß er am Ende derjenige sein wird, der all die Fäden in der Hand hält. Der, dem Sarah bedingungslos folgen wird, um die Traurigkeit der Nacht auf ewig zu spüren.
Persönliches Fazit:
Überwältigt! Ich hätte nie geglaubt, daß man eine Rolle so anders spielen, so unglaublich schön verändern kann. Und mit ihr das gesamte Stück. Auch wenn es für mich während der Premiere ein seltsames Gefühl war, einen „Fremden“ auf der Bühne zu sehen, aus dessen Mund Drew‘s Stimme kam, begann ich Krolock sofort zu lieben. Das, von dem ich geglaubt hatte, das es ausbleiben würde, war da. Gefühl - ein ganzer Ozean voll. Es gab dem Grafen eine neue Tiefe und eröffnete Verständnis, vielleicht sogar Sympathie für ihn.
Vielleicht mag ich einfach alles, was Drew macht. Vielleicht. Aber vielleicht auch deshalb, weil er alles mit so unglaublicher Hingabe und Leidenschaft macht, ohne sich selbst in den Mittelpunkt zu stellen. Weil er so völlig in seinen Rollen aufgeht und in seiner Stimme dieses Meer von Gefühl ist, das selbst die Arktis zum schmelzen bringen würde...
Premierenbesetzung:
Graf von Krolock - Drew Sarich, Sarah - Marjan Shaki, Alfred - Lukas Perman, Professor Abronisius - Gernot Kranner, Chagal - James Sbano, Rebecca - Katherina Dorian, Magda - Melanie Ortner, Herbert - Marc Liebisch, Koukol - Thomas Weissengruber