Abstrakte Gedanken

Feb 13, 2006 15:38

   Zu lieben? Ja wie denn?..
   Da hab ich mich an das Gedicht von Lermontov erinnert, das ich einmal übersetzt hatte. Zwar etwas brüchig und nicht ganz deutsch, aber von der Stimmung her treffend:

So düster, so öde, und keine getröstende Hand
Zur Weile der seelischen Leiden.
Zu wünschen? Was nutzt es dem Herz und Verstand?
Und Jahre, all die besten Jahre - entgleiten.

Zu lieben? Ja wen denn? Für Zeit - ist der Mühe nicht wert,
Und ewig - unmöglich zu lieben.
Die Freuden und Qualen, wo einmal so sehnlich begehrt,
Sind gar miserabel und gar untertrieben.

Was sind Leidenschaften? Zerfällt denn ihr wonniger Schwarm
Dem Worte des Geistes zu Gnade.
So ist unser Leben - nach einem gelassnen Beschauen -
Nichts mehr als ein Witz, der so albern und fade.

Was ist denn interessant an diesen Versen? Sie beschreiben sehr genau den inneren Zustand von Lermontov selbst. Die Krankheit, die er nicht zu überwinden vermochte. Verzweiflung. Langweilen. Fehlen der Liebe in seiner Seele. Ein Mensch von hoher Gabe, von gewaltiger innerer Energie, wollte er die Welt nicht einfach so lieben, wie sie ist. Als Hellseher konnte er die weit höheren Strukturen sehen, wie die anderen Menschen, und er versuchte, alles nach diesen Vorstellungen von Gut und Böse zu richten, die für ihn offensichtlich waren. Doch er hat nicht begreifen können, dass es wieder noch höheren Strukturen gibt, wo sein Talent nicht hin greifen kann. Zuerst verachtet man die Mitmenschen, wegen ihrer Unfähigkeiten, dann fühlt man sich gottesgleich, dann ist die Aggression mit voller Wucht gegen die ganze Welt gerichtet... Die Welt wehrte sich; fast durch Zufall wird er von einem jungen Mann erschossen, welcher dies wohl gar nicht wollte.
   Eine überdurchschnittliche Gabe kann einen blind machen. Wo der Verstand und das Ideale in den Vordergrund gezogen werden und das Herz und die Liebe in Vergessenheit treten, da beginnt das Diabolische.
   Zum Glück gibt es da gewisse kompensatorische Mechanismen in unserem Wesen. Wenn der Verstand beginnt, destruktiv zu wirken, wird er normalerweise unterdrückt. Zum Beispiel, durch Schizophrenie.
   Hier ist eine interessante Frage: was ist Schizophrenie? Was sind die klinischen Merkmale? Kein guter Arzt wird die Frage beantworten können! Die heutige Medizin weiß überhaupt nicht, was Schizophrenie ist und wie man sie eindeutig definieren soll, geschweige denn Ursachen zu nennen. Der Vater von dem Begriff, berühmter Schweizer Eugen Bleuler, hat diese Krankheit zunächst als "Äußern der logisch nicht zusammenhängenden Aussagen" definiert. Also bitte, ich habe noch in Russland in der Uni gedacht, dass darunter wohl die meisten unseren Professoren gemeint werden. Genauso wenig versteht man, warum passiert Alzheimer. Doch die Ursache ist die gleiche: man verliert die Liebe zur Welt.
   Ich habe noch keinen liebenden Schizophrenen oder Alzheimer Kranken gesehen. Sie haben das Begehren, Verlangen, aber keine Liebe. Was ist der Unterschied? Zu langen heißt, innerlich zu nehmen, zu lieben heißt, innerlich zu geben. Man MUSS immer mehr geben, als nehmen, das ist ein Gesetz, denn nur so funktioniert die Selbstentwicklung und das Weiterleben. Wenn alle mehr produzieren, als verbrauchen, dann entwickelt sich die Welt, wenn nicht, dann geht die Welt zugrunde. Alle Wesen leben deshalb im Einklang mit diesem Gesetz, und wer es verletzt, der kriegt unvermeidlich Störungen.
   Der wichtigste Bedarf, nicht eben Bedürfnis, eines Menschen deswegen ist der, zu geben.
   Das Schwierige darin ist, dass man meistens nicht versteht, was richtiges Geben ist. Sehr oft ist zu hören: "Ich habe ihm soo viel gegeben, und kriege nicht einmal einen Dank dafür!" Wenn man für seine Opfer an die anderen etwas erwartet, sei es nur eine bloße Dankbarkeit, dann heißt es in der Tat, man will nicht geben, sondern nehmen, oder zumindest tauschen. Dies ist wieder eigennützliches, habsüchtiges Verhalten. Eine Liebe kennt kein Erwarten, sonst ist es keine Liebe, sondern eine Leidenschaft, eine Begierde. Der junge Werther nimmt sich deswegen das Leben, weil er keine Liebe hat, sonder nur Leidenschaften, seine Leiden. Zu geben ist loszuwerden. Zu geben heißt zu lieben.
   Wenn eine Frau ihr Kindlein stillt, denkt sie nicht einmal an Belohnung dafür. Das bringt lauter Sorgen, und trotzdem tut sie alles fürs Kind. Darum ist die Mutter zum Inbegriff der Liebe geworden. Darum heißt es, man soll niemals auf seine Eltern verzichten, denn dadurch verzichtet man unmerklich auf die Liebe schlechthin. Wenn man also Probleme mit Eltern hat, bedeutet das, man hat sich daran gewöhnt, mehr von ihnen zu nehmen, als ihnen zu geben, und der Konsum ist größer, als die Liebe.
   Das Geben kann man lernen. Man soll nur innerlich immer bereit sein, erwartungslos zu geben, dann passiert es in der Realität auch von sich hin, ohne weitschweifige Gedanken. Das Lieben kann man lernen.
   Aber, na ja, was für eine schwierige Sache es ist!..

творения, отблески

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