another story for your enjoyment (maybe)

Feb 16, 2008 00:11

Hier ist eine weitere Geschichte von mir. Die Prompts kamen von lanoyee

Nachtisch
© Dooropener 2008

„Nimm ihn mit!“

„WAS?“

„Nimm ihn mit, hab ich gesagt, Arschloch. Du hast ihn gekillt, dann kannst Du ihn auch rumschleppen.“

Jerry stützt sich immer noch an der Wand ab und bespritzt sie mit dem Inhalt seines Magens, aber ich hab das dumpfe Gefühl, dass nur noch Magensäure den Weg nach oben findet. Scheiße, ich glaube sogar, es zischen zu hören, als das Zeug den Beton trifft.

„Nimmst du ihn jetzt mit, oder muss ich dich daneben in den Boden stampfen?“

„Alter, ich...“

„Hör mir auf mit Alter... schnapp ihn und dann los, wir sind schon viel zu lange hier.“

Ich blicke in Marcs Gesicht und sehe, dass ihm die Galle kocht. Und ich weiß, wann der Punkt erreicht ist, an dem ihm die Faust ausrutscht und darauf hab ich heute Nacht nun wirklich keinen Bock. Nicht, dass er mich nicht schon früher verdroschen hätte, aber heute, nein, heute kann ich das nicht gebrauchen.

Ich packe die Leiche unter den Armen und werf sie mir über die Schulter. Hinter mir höre ich Jerry, er würgt wieder, als der zermatschte Kopf des Typen auf meinen Rücken klatscht. Okay, ich hätte nicht so oft draufstampfen müssen, aber es hat sich gut angefühlt, wie sich die Fresse unter meinem Stiefel in Brei verwandelt hatte. Erdbeersorbet mit Fruchtstücken, so sah das aus.

Ich folge Marc durch den Schlauch der Unterführung, vorbei an den Graffitis, die unsere Jungs vor ein paar Nächten hier hinterlassen haben. Coole Sachen, abgefahrenes Design. Sind gute Jungs, ich kenne die meisten von ihnen. Und dann haben wir diese Pissnelke beim Übersprühen erwischt. Der wusste nicht mal wie ihm geschah, da habe ich ihm schon die Fresse zertrümmert - gleich nachdem ihm Marc das Kreuz gebrochen hatte. Sein Sprung war geil gewesen, voller Anlauf, mitten in den Rücken, ich hab es brechen hören und stand locker zehn Meter weit weg. Jerry, das Weichei, fing an zu kotzen, als ein Auge aus dem Schädel sprang, weil ich nicht richtig getroffen habe. Stahlkappen in den Schuhen sind zwar klasse, nehmen einem aber doch das Gefühl dafür, die richtige Stelle zu treffen.

Die Röhre führt von der U-Bahn Station an der 33. Straße fort und scheint kein Ende zu nehmen, aber sie führt in den Park, und da gibt es genug Orte, um die Leiche loszuwerden. Verflucht, die finden fast jeden Tag einen Kadaver zwischen den Büschen, da macht einer mehr oder weniger nichts mehr aus.

„Wohin mit dem Arsch?“, will ich von Marc wissen. Er weiß was zu tun ist, zumindest sagt er es uns immer und wenn es dann mal Kacke läuft, nimmt er es auf seine Kappe. Da ist er schon cool, ich hätte nicht immer den Mut dazu, mich hinzustellen und zu sagen, dass es meine Schuld ist. Doch meistens hat er recht und daher ist er auch unser Anführer.

„In den Zoo.“

Jerry wischt sich die Kotze vom Kinn. „In den Zoo? Spinnst du? Um diese Zeit ist der doch geschlossen.“

Marc gibt Jerry eine Ohrfeige und ich muss gar nicht hinsehen; das Klatschen war laut genug und ich weiß, dass die Lippe blutet. Jerry blutet immer schnell. Ich weiß nicht, was das Weichei bei uns will, aber seine Tricks sind cool, ich hab noch nie so schnelle Finger gesehen. Schwupp, und er hat deine Brieftasche in der Hand. So schnell kann man gar nicht gucken. Das ist schon cool, aber eigentlich ist er ein Idiot. Wir brauchen ihn nur, wenn uns das Geld ausgeht, und Marc und ich, wir sind beide chronisch pleite.

„Du willst echt in den Zoo?“, frage ich Marc, aber ich frage anders, ich weiß, wie man mit Marc reden muss, damit ihm die Hand nicht ausrutscht. Kommt ganz allein auf den Tonfall an.

„Ja, und wenn noch einmal einer fragt, fang ich an zu schnitzen.“

Seine Hand spielt mit seinem Messer - ich kenne es und weiß, was er damit anstellen kann.

„Okay“, sage ich und gebe nach, „dann zum Zoo.“

Ich drehe mich um und fluche über das Gewicht auf meiner Schulter. Der Typ wird langsam schwer, aber bis zum Zoo ist es nicht weit, nur zweihundert Meter und ich kann das Tor schon sehen, das uns daran hindern will, den Tierpark zu betreten. Als ob es ein Tor in dieser Stadt gibt, das uns aufhalten kann.

„Auf drei, Jungs“, ruft Marc und Jerry und ich versuchen, den Kadaver einigermaßen gleichmäßig von einer Seite zur anderen zu schwingen. Ich an den Armen und Jerry an den Beinen. Scheiße, Jerry sieht echt mies aus. Wenn er noch etwas im Magen hätte, würde er wohl auf die Leiche kotzen, so sieht er aber einfach nur wie ein Zombie aus.

„Eins, zwei und…. scheiße, Jerry, schwing doch einfach, Du Idiot. Der Typ spürt nichts mehr.“

„Ich….“

„JERRY!“

Ich höre schon, wie Marc das Messer in der Tasche aufgeht. Wenn Jerry sich nicht zusammen reißt, wird es heute Nacht noch eine weitere Leiche geben und dann werd ich vielleicht auch kotzen. Nicht, weil mir Jerry leid tut, sondern, weil der Typ mich einfach ankotzt, ja.

„Okay.“
„Also, noch mal, eins, zwei und… drei.“

Der Sprayer mit dem zermatschten Kopf fliegt hoch, streift die Mauerkante und verschwindet hinter ihr. Den dumpfen Aufschlag hören wir und ich spüre ihn gleichzeitig in meinen Eingeweiden.

„So, fertig“, sage ich, reib mir die Hände an meiner Hose ab und zucke zusammen, als ich Löwen höre, die hinter der Mauer wütend brüllten.

„Die riechen das Blut“, sagt Jerry und es ist verdammt noch mal sein erster intelligenter Ausspruch an diesem Abend.

„Meinst du?“, frage ich und Marc grinst böse. Ich hasse sein Grinsen, ihm fehlen zwei Vorderzähne und die Lücken erinnern mich immer an bodenlose Brunnen, die mich verschlingen wollen.

„Dann geben wir ihnen doch was zu fressen. Ab, Jungs, über die Mauer oder muss ich euch Beine machen?“

Er hält schon wieder das Messer in der Hand, dieser Dreckspsycho, aber ich hab aufgegeben zu hoffen, dass er uns irgendwann wie Menschen behandeln wird. Daran, dass er uns als Gleichberechtigte sieht, wage ich nicht mal zu denken. Vorher wird die Hölle zufrieren oder Jerry mit Marcs Schwester in der Kiste liegen.

Ich halte meine Klappe, was mir sicher den einen oder anderen blauen Fleck erspart und ziehe mich an der Mauerkante hoch, von wo aus ich dann Jerry die Hand reiche und ihn zu mir hinauf reiße. Gott, ist der ein Leichgewicht, nur Haut und Knochen, kein Wunder, dass mit dem nichts anzufangen ist. Der hat vorher 'nen guten Teil von sich an die Wand gekotzt.

„Hier Marc, ich zieh dich rauf!“
„Als ob ich deine Hilfe brauche, Schwuchtel.“

Ich hasse es, wenn er mich Schwuchtel nennt, dabei nennt er fast jeden Schwuchtel, aber ich kann es nicht ab, von ihm so angemacht zu werden, als ob ich Schwänze lutsche. Der Wichser… wahrscheinlich träumt er davon, von mir in den Arsch gefickt zu werden.

Dummerweise setzt er ziemlich elegant über die Mauer weg. Gott, wie hätte ich mich gefreut, wenn er ausgerutscht und im Matschgesicht des Sprayers gelandet wäre, aber das kann ich vergessen, als er auf der anderen Seite herunter springt, in den Knien abfedert und mit seinem ekelhaften Lückengrinsen zu uns rauf sieht. Arschloch, denke ich und springe neben ihn. So schlecht bin ich auch nicht, denke ich, als Jerry herunter kommt und auf die Schnauze fällt, weil er das Gleichgewicht nicht halten kann.

„Alter, du bist echt peinlich.“

Marc hat eine tolle Art, seine eigenen Leuten aufzumuntern. Ich würde uns ja nie als Freunde bezeichnen, aber wir sitzen in einem Boot und er benimmt sich wie der Pascha in 'nem Harem, in dem sonst nur schwanzlose Eunuchen rumlaufen.

„Schnapp ihn dir wieder, Hanoi, und lass uns die Löwen anschauen.“

Ich kann mich nicht entscheiden, was ich schlimmer finde: Schwuchtel genannt zu werden, oder Hanoi… scheiße ja, meine Mutter ist aus Vietnam und ich rede mir heute noch ein, dass dieser Alkoholiker von einem Vater sie mal gemocht hat - an Liebe wage ich gar nicht zu denken - zumindest bis zu dem Tag, an dem er sie totgeprügelt hat, weil sie das Essen mal wieder nicht rechtzeitig auf den Tisch bringen konnte. Nachdem ich ihm die Kehle aufgeschnitten hatte, konnte ich besser damit leben. Ging ganz leicht, der hat seinen Rausch ausgeschlafen und das Messer flutschte nur so durch sein Fleisch.

„Arschloch“, sage ich, aber ich weiß, dass so was an Marc abprallt. Man kann ihn sonst was nennen, er nimmt es hin, solange er in der richtigen Stimmung ist. Sonst reicht schon ein „Hey“, um ihn das Messer zücken zu lassen. Vielleicht ist das einer der Punkte, die mich merken lassen, dass wir wohl doch so etwas wie Freunde sind. Seltsame Freunde, aber immerhin.

Ich stöhne, als ich mir den Sprayer wieder über die Schulter werfe und hinter Marc hertrotte. Jerry läuft neben mir und drückt sich sie Hand an die Nieren, wahrscheinlich hat der Schwächling Seitenstechen.

„Wo sind die Löwen?“

Ich kann nicht mehr lange, mein Rücken brüllt vor Schmerz und der Sprayer wird mit jedem Schritt schwerer.

Marc wendet sich in eine Richtung und wird von Jerrys Ruf aufgehalten. „Nein, nicht da lang, da geht es zu den Schlangen.“ Er deutet auf ein Schild, auf dem sich eines dieser Kriechviecher ringelt. So wie es die Schwanzspitze erhoben hat, sieht es nach einer Klapperschlange aus.

„Kennst dich wohl aus, hä?“ Marcs grinst boshaft.

„Ich war früher öfters hier, mit meiner Ma….“

Halt doch die Klappe, denke ich noch, aber Marc ist schneller.
„Ach, dass Muttersöhnchen war mit Mama im Zoooho“, singt er und Jerry fällt wieder in sich zusammen.

„Haltet einfach die Klappe und sagt mir, wie weit es noch ist, oder ich schmeiß diesen Wichser hier hin und dann könnt ihr selbst schauen, wie ihr zu den Löwen kommt.“ Ich hab langsam die Schnauze voll.

„Wir sind gleich da, Schlappschwanz“, sagt Marc in seiner unnachahmlichen Art und deutet nach vorne, wo ein großes Gehege ist, das von einer niedrigen Mauer eingefasst wird. Wenige Augenblicke später kann ich hinunterschauen und die Löwen sehen, die schlafend beieinander liegen und doch genau spüren, das wir hier oben stehen und sie begaffen.

„Also, los, geben wir ihnen was zu fressen. Komm, Miez, Miez… gleich gibt’s was zu futtern!“

Ich wuchte den Sprayer hoch, etwas reißt in meinem Rücken, doch das ist mir in diesem Moment egal. Ich bin nur froh, das Gewicht endlich los zu sein und schaue zu, wie der Sprayer mit wedelnden Armen vier Meter unter uns auf einem Stein aufschlägt und einen roten Streifen hinterlässt, als er langsam herunterrutscht.

Es kommt Bewegung in das Rudel. Die ersten Tiere erheben sich, Weibchen glaub ich, denn wenn ich mich richtig erinnere, haben die keine Mähne. Der mit der Mähne bleibt nämlich sitzen und wartet ab, was passiert. Ein Mann, klar, sollen die Weiber doch die Arbeit machen. Ruckzuck sind sie an der Leiche und die ersten schnüffeln schon und lecken an der fleischigen Masse, in die ich seinen Kopf verwandelt hab.

Ich will mir das nicht ansehen, kann aber auch nicht wegschauen, es ist ekelhaft und geil zugleich, wie der Fick mit einer alten Straßenhure, die keiner mehr anfassen will.

Die erste Löwin verbeißt sich in der Leiche und schleift sie ein paar Schritte weiter. Als ob das die Aufforderung für die anderen gewesen ist, beginnen auch die zuzubeißen und reißen Stücke aus dem Kadaver; er wird in handliche Häppchen zerfetzt, als sich die Tiere in einen Blutrausch hineinsteigern und der Löwe beobachtet alles von seiner erhöhten Position, so wie wir von oben herunterstarren und erst spät bemerken, dass wir die Viecher auch noch anfeuern.

„Ja, fresst die Sau, lasst es euch schmecken!“, und so einen Scheiß, aber im Angesicht des Todes werden auch die Menschen zu Tieren.

Die ersten Knochen kommen zum Vorschein und dann fliegt plötzlich etwas an mir vorbei, etwas das noch lebt und schreit und mit den Armen in der Luft umher greift und nach etwas sucht, woran es sich festhalten kann.

Der Schrei verstummt nur kurz und weicht einem Stöhnen, als Marc unten aufschlägt und ein Löwe zurückspringt um nicht von seinen Beinen getroffen zu werden. Dummerweise hat er damit schon ihre Aufmerksamkeit erregt und Jerry nimmt meine Gedanken und macht sie zu Worten.

„NACHTISCH… NACHTISCH… NACHTISCH… NACHTISCH…“

Jerry ist hysterisch, springt wie ein kleines Teufelchen an der Brüstung herum und Marcs Schrei verstummt abrupt, als eine der Löwinnen ihren Kiefer um Marcs Hals schließt. Blut spritzt.

„NACHTISCH… NACHTISCH… NACHTISCH… NACHTISCH…“

Er muss Marc hinuntergestoßen haben. Gott, kann ihn sogar irgendwie verstehen, aber es ist Marc verdammt, ein Arschloch vor dem Herrn, aber immer noch Marc.

„NACHTISCH… NACHtisch… NAchtisch… Nachtisch…“

Er wird ruhiger und das irre Feuer in seinen Augen beginnt langsam in sich zusammen zu fallen. Dann endlich nimmt er sich Zeit tief Luft zu holen und mich anzusehen.
„Alter, ich hab Hunger, lass uns ein paar Burger holen.“

Ich brauche einen Moment, um seine Worte zu verdauen, aber scheiße, die Welt ist nun mal ungerecht. Wer bin ich, mich daran zu stören.

„Okay, warum nicht.“

Es kann einen echt hungrig machen, anderen beim Essen zuzusehen.

Prompts: Unterführung, Magensäure, Klapperschlange

Kommentare wie immer willkommen... wobei ich anmerken will, dass ich die Geschichte während der Überarbeitung ins Präsens umgeschrieben habe. Evtl. hab ich das eine oder andere Wort übersehen.

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