Manifest: Morseverse

Aug 01, 2014 15:21


Inspector Morse begann seine Karriere in den Romanen von Colin Dexter. Den ersten (Last Bus to Woodstock, auf Deutsch Der letzte Bus nach Woodstock) hat Dexter 1975 geschrieben, bis 1999 erschienen 12 weitere sowie eine Kurzgenschichtensammlung.

Inspector Morse ist kein einfacher Mensch. Er trinkt zu viel, er ist unhöflich und außer für seine geliebte klassische Musik (insbesondere Wagner) und Kreuzworträtsel interessiert er sich für wenig (gut...er hat eine Schwäche für Pornohefte). Allerdings ist er ein sehr fähiger Ermittler der Verbindungen sieht auf die seine Kollegen nicht im Traum kommen würden. Zwar liegt er damit oft anfangs daneben aber nach und nach kommt er doch zur richtigen Lösung. Die Erleuchtung kommt nicht selten durch einen Denkanstoß von Sergeant Lewis, einer der wenigen Menschen, die es länger mit Morse aushalten. Lewis verfügt nicht über dieselbe klassische Bildung wie Morse, so muss Morse ihm (und dem Leser) so manche seiner Ideen, die ihm z.B. gekommen sind, weil er mal wieder griechische Tragödien gelesen hat, genauer erläutern. Dabei verwendet er nicht immer die freundlichsten Worte, aber eigentlich mögen die beiden sich doch.

Die Buchreihe war erfolgreich genug, dass ITV 1987 begann die Bücher zu verfilmen und die Verfilmungen waren erfolgreich genug, dass sie anfingen eigene Storys zu schreiben. So wurden bis zum Jahr 2000 12 der 13 Romane verfilmt und zusätzlich und 21 originale Episoden gedreht. In allen spielt John Thaw den Inspector Morse und Kevin Whatley Sergeant Lewis:




Zu den weiteren Charakteren gehören Morses Vorgesetzter Superintendent Strange gespielt von James Grout:


und der Pathologe Max DeBryn, gespielt von Peter Woodthorpe


In den späteren Folgen ist Claire Holman als Laura Hobson die Pathologin. Morse und sie verstehen sich blendend .

Die Serie bleibt was die Charakterisierung angeht sehr nahe an der Vorlage (nur Morses Liebe zur Pornographie wird unter den Teppich gekehrt) und Colin Dexter schätzt die Serie selbst sehr. Das zeigt zum einen dadurch, dass er in fast jeder Folge einen kleinen Cameo-Auftritt hat aber er geht sogar noch weiter und hat einige der Unterschiede zwischen Büchern und TV-Serie in den späteren Romanen/Neuauflagen geretcont : so war Buch!Lewis ursprünglich ein Walisischer Ex-Boxer, der einige Jahre älter als Morse ist. Kevin Whatley ist aus Newcastle und deutlich jünger als John Thaw...und plötzlich ist Buch!Lewis dann auch jünger. Genauso verwandelt sich Morses Oldtimer irgendwann von einem Lancia in einen Jaguar (nachdem die Produzenten wohl nur letzteren auftreiben konnten oder so).
Was bleibt ist die Tatsache, dass Morse Lewis nicht immer unbedingt freundlich behandelt. Lewis verarbeitet das auf seine Weise .

Die Serie spielt in Oxford und viele der Fälle betreffen die dortige Universität (so manche Fans fragen sich wieso es in Oxford überhaupt noch Dozenten gibt, da a) am Leben sind und b) nicht im Gefängnis). Auch Morse selbst hat in Oxford studiert aber das Studium abgebrochen nachdem die Beziehung mit seiner Verlobten (die je nachdem ob man Inspector Morse schaut oder liest entweder Susan oder Wendy heißt) in die Brüche gegangen ist und er sich mit seinem gebrochenen Herzen nicht mehr auf das Studium konzentrieren konnte.

Damit wären wir auch schon bei einem der wiederkehrenden Themen der Serie: Morse und sein Pech mit Frauen. In regelmäßigen Abständen trifft er Frauen, die kurze Zeit später das Zeitliche segnen (auf unnatürlichem Weg selbstverständlich), oder - wesentlich häufiger - mit- oder alleine verantwortlich dafür sind, dass jemand anderer das Zeitliche gesegnet hat. Es gibt durchaus auch andere Gründe dafür, dass die Dinge nicht so laufen wie Morse sie gern hätte aber ab und an läuft es sogar für eine Weile ganz gut. Die Reputation, dass sich jeder Einzelne von seinen Love-Interests als Mörderin herausstellt, ist also ein wenig überzogen, aber man kann nicht bestreiten, dass er selbst für TV-Land sehr großes Unglück mit seinen Beziehungen hat.

Insgesamt gibt es 8 Staffeln, die Serie wurde nie in Deutschland ausgestrahlt, die DVDs sind deswegen auch nur auf Englisch erhältlich. Die Bücher wurden übersetzt, aber auf Deutsch sind sie inzwischen nur noch gebraucht erhältlich. Auf Englisch sind sie nach wie vor als Taschenbuch und Ebook erhältlich.

Ich mag die Bücher sehr...mit Einschränkungen. Dexter kann wirklich gut schreiben und plotten. Allerdings merkt man den Büchern an, dass sie größtenteils in den 70ern und 80ern geschrieben wurden und gelegentlich fallen Sätze, bei denen sich den heutigen Lesern die Zehennägel hochziehen, weil sie doch recht sexistisch/homophob etc. sind. Der TV-Serie gelingt es meistens recht gut das alles zu umschiffen. Die ist sogar gelegentlich recht fortschrittlich für eine Serie aus den 80ern/90ern.

Lewis



Das Sequel zu Inspector Morse spielt einige Jahre danach. Lewis ist inzwischen selbst Inspector und löst jetzt seine Fälle mit Hilfe von Sergeant Hathaway (gespielt von Laurence Fox).

Wie Morse hat auch Hathaway ein abgebrochenes Studium hinter sich, allerdings nicht eines der Literatur sondern der Theologie. Er wollte mal Priester werden (die Gründe warum er es sich anders überlegt hat sind...kompliziert...und tragisch). Damit gelingt es der Serie recht gut den 'Geist' der Morse-Serie zu behalten,ohne dass die Serie wie eine bloße Kopie wirkt.

Neben Lewis selbst gibt es in der Serie auch einen weiteren alten Bekannten: Laura Hobson ist immer noch die Pathologin (und sie ist noch genauso wunderbar wie in Inspector Morse)
Neu dazugekommen ist außerdem Rebecca Front als Superintendent Jean Innocent:



Anfangs ist sie ein wenig skeptisch was Lewis angeht und ihr wäre es eigentlich lieber wenn er anstatt weiter aktiven Dienst zu leisten sich mehr in der Ausbildung engagiert, aber sie ändert ihre Meinung dann recht bald.

Wie Inspector Morse ist auch Lewis sehr Oxford-bezogen. Viele der Fälle führen die beiden in die Universität und sind teilweise noch viel mehr als Morse auf eine Literatur liebende Zielgruppe zugeschnitten: im Laufe der Serie sehen wir u.a. Morde inspiriert von Lewis Caroll und Jakobinischen Rachetragödien sowie eine Person die sich verdächtigt macht, weil sie Dickens falsch zitiert und einen Mörder der Shakespeare-Zitate bei seinen Opfern hinterlassen. (Shakespeare ist generell ein beliebtes Motiv )
Die obskureren Anspielungen werden dabei durchaus in der Serie erklärt, aber es ist durchaus hilfreich über ein Grundwissen über englische Literatur zu verfügen.

Ansonsten wird auch die 'Pech in der Liebe'-Trope auch weitergeführt. Und (leider) irgendwie auch auf die Spitze getrieben. Wie schon erwähnt ist es in Inspector Morse nicht so extrem wie es manchmal dargestellt wird. Außerdem betrifft es da nur Morse, da Lewis selbst glücklich verheiratet ist. Seine Frau stirbt aber zwischen den beiden Serien und damit können in Lewis er selbst und Hathaway unglückliche Beziehungen haben. Und die enden auch noch häufiger als bei Inspector Morse mit dem Tod oder der Verhaftung der Angebeteten.

Anders als Morse gibt es Lewis auf Deutsch im. Lewis - Der Oxford Krimi läuft Sonntag Abend um 22 Uhr im ZDF (und momentan gibts alte Folgen jeden Montag auf ZDFNeo)

Lewis kann man verstehen auch wenn man Inspector Morse nicht kennt. In den meisten Folgen wird er gar nicht erwähnt, ein paar Mal nur als derjenige, mit dem Lewis früher zusammengearbeitet hat. Sowas wie 'Ein Verbrecher den Morse und Lewis hinter Gittern gebracht haben kehrt zurück' gibt es nicht.

Lewis hat bisher 7 Staffeln, eine weitere ist gerade in Arbeit.

Endeavour



Neben dem Sequel gibt es inzwischen auch ein Prequel in dem der junge, noch Constable Morse (Shaun Evans) im Oxford der 60er Jahre Verbrechen aufklärt.

Mit von der Partie sind auch schon Strange (ebenfalls noch Constable):


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und Max DeBryn.



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(Generell finde ich ja alle Schauspieler für die Charaktere, die es schon in Inspector Morse gab gut gewählt. Aber James Bradshaw als Max ist so perfekt, dass ich nach wie vor der Ansicht, dass hier dunkle Magie/Zeitreisen o.ä. am Werk sind und er eigentlich Woodthorpe ist )

Natürlich gibt es auch einige brandneuer Charaktere, die in Inspector Morse weder vorkommen noch erwähnt werden. Mit denen können die Autoren also machen was sie wollen, ohne das man sich als Zuschauer sicher sein kann, dass sie es unbeschadet überstehen. (Und ja sie werden euch alle so ans Herz wachsen, dass ihr dafür beten werdet)



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Da ist zum einen Fred Thursday, gespielt von Roger Allam, Morses Mentor. Streng genommen sollte Thursday ja mit einem Sergeant zusammenarbeiten und einen Constable wie Morse nur die Laufarbeit machen lassen, aber er hat dessen Talent klar erkannt und ignoriert die Regeln deswegen mehr oder weniger.



Dann ist da Superintendent Bright (nehmt einen Keks wenn ihr die Namensregeln, die die Oxforder Polizei anscheinend für ihre Superintendents besitzt erkannt habt). Besonders im Pilotfilm wirkte er noch sehr wie der evil meddling Boss, der einfach die Genialität von Morse nicht erkennen will und ihm nur aus Bösartigkeit Steine in den Weg legt, aber im Laufe der Folgen wird langsam klar, dass Bright doch komplexer ist. Er macht sich zwar (viel zu viel) sorgen um die Politik und stößt deswegen sehr oft mit Morse, der einfach nur den Fall lösen (und zugegebenermaßen auch zeigen wie clever er ist) will und sich dabei nicht darum kümmert auf welche Füße er tritt zusammen. Bright ist ohne Zweifel schwach, aber besonders in der zweiten Staffel gibt es einige wirklich schöne Szenen, in denen klar wird, dass sich Bright dessen selbst bewusst ist (und dass er noch nicht ganz vergessen hat, dass es bei der Polizei darum geht Verbrechen, aufzuklären).

Außerdem gibt es noch Sergeant Peter Jakes.



via und ja um ihn vorzustellen musste ich unbedingt dieses tanz-gif nehmen. Das ist...ehm sehr plotrelevant.

Er und Morse kommen so gar nicht miteinander aus. Für Jakes ist Morse im Wesentlichen ein arroganter Rechthaber und er lässt ihn seine Abneigung recht deutlich spüren .

In Staffel zwei entspannt sich ihr Verhältnis ein wenig. Jakes und Morse wird klar, dass es ihnen eigentlich ums Gleiche geht: Verbrecher zu fassen. Jakes fährt die Beleidigungen ein wenig zurück und auch Morse gibt sich wieder Mühe. In seinem Fall heißt das einem überheblichen Dozenten die Jakes (und Strange) herablassend behandeln eines auszuwischen .

Zu guter Letzt ist da noch Dorothea Frazil, die Redakteurin der Oxford Mail, die Morse gerne mal mit Informationen aushilft (im Austausch für exklusive Stories natürlich)




gespielt von Abigail Thaw (und ja es ist die Tochter von John Thaw, der den ersten Inspector Morse gespielt hat).

Der junge Morse ist bereits ein Außenseiter, der sich in Gegenwart von Platten mit klassischer Musik wesentlich wohler fühlt als in der von Menschen aus Fleisch und Blut, aber er versucht (zumindest gelegentlich) das zu tun was 'normale Menschen' (oder das, was er dafür hält) machen. Endeavour zeigt also auch wie der junge Morse, der zwar nicht unbedingt ein Ausbund an Optimismus ist, aber durchaus noch ans Gute im Menschen glaubt, zu dem alten Zyniker wird, den wir aus Inspector Morse kennen.

Dazu muss er leiden. Sehr viel leiden.

Körperlich:






via da gibt es mehr aber die sind teilweise spoilerisch
Und das war nur Staffel 1. In der 2. geht es munter weiter:




Und seelisch, indem Menschen, die ihm nahe stehen, gequält werden und er nichts dagegen tun kann.



Ja Peter Jakes hat eine tragische Vergangenheit



via
Genauso wie Thursday.

Fröhlich sein, darf er nur sehr selten:


via
(Und es hält nie lange)

Endeavour ist auch verständlich ohne die anderen Serien zu kennen. Allerdings sowas wie Easter Eggs: kleine Anspielungen auf den Morse (und manchmal auch Lewis)-canon. Da wird mal in einem Nebensatz eine Person oder Tatsache erwähnt die später in Morse noch relevant wird, Dialoge werden recycelt und Morse kriegt so manche Labels einfach nicht mehr los.
(Gelegentlich passiert es aber auch einfach, dass bei einem Universum dieser Größe die Autoren nicht unbedingt mehr wissen was ihre Vorgänger vor 10-20 Jahren geschrieben haben...)

Dieses Jahr lief die zweite Staffel und die dritte ist in Planung. Auch hier gibt es noch keine Deutsche Synchro (ich habe die Hoffnung noch nicht aufgegeben, bei Lewis brauchen sie auch immer knapp zwei Jahre bis die Folgen endlich auf Deutsch kommen)

Fandom/Fanfiction/Pairings:

Was Inspector Morse angeht sieht es...sehr übersichtlich aus. Es gibt die eine oder andere Fanfic auf FF.net und AO3 und ich glaube mindestens eine davon ist Morse/Lewis aber wie gesagt, die Gesamtanzahl ist recht gering.

Das Lewis-fandom ist da wesentlich aktiver. Es gibt eine LJ-Community (inspector_lewis ), die Fanfics sind größtenteils auf AO3 zu finden. Das beliebteste Pairing ist Lewis/Hathaway (manchmal mit Innocent/Hobson im Hintergrund, die eine, oder andere mit den beiden als Hauptpairing gibt es auch), aber Lewis/Hobson ist auch recht beliebt und sogar die eine oder andere Hathaway/Innocent fic kann man finden.

Endeavour hat ebenfalls ein Fandom, nach nur zwei Staffeln ist das auch noch übersichtlich, aber es wächst beständig. Recht beliebt ist Jakes/Morse als Pairing, aber Morse/Thursday und Morse/Strange haben auch ihre Fans.

Besonders bei Endeavour spielt sich das Fandom größtenteils auf Tumblr ab. Es gibt FuckYeahMorse (fürs ganze Morseverse) und FuckYeahEndeavour (speziell für Endeavour) sowie ein prompt/kink-meme .

Für ein eigentlich noch recht kleines Fandom hat Endeavour auch schon erstaunlich viele Fanmixe (und sie sind ganz wunderbar)

Danke für eure Aufmerksamkeit (und an asthenie_vd die das ganze noch mal korrekturgelesen und mir eine Tüte Kommata gespendet hat)
Hier: Cupcakes für alle:

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