Sommerchallenge-Prompt: Krimi/Thriller - Moorleiche - fürs Team
Fandom: Tatort Münster
Genre: möglicherweise Pre-Slash
Handlung: Ihr erster gemeinsamer Mordfall lässt keine zwei Monate auf sich warten. Und das im beschaulichen Münster. Alternate Canon zu „Der dunkle Fleck“.
A/N: Ich habe den Fehler gemacht, mich durch das Prompt auf den Münster Canon zurückführen zu lassen. Aus nah am Canon finde ich immer schwierig, aber nun gut. Mal schauen, wohin das führt. Gehört zu
diesem AU, das ich in der Sommerchallenge 2021 begonnen habe. Da ich die Kapitel vielleicht nachträglich noch anders sortiere, poste ich erstmal nur auf LJ.
Länge: ~ 800 Wörter
Zeit: ~ 50 Minuten
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Er war noch kein halbes Jahr in Münster, als ihm der erste Mordfall zugeteilt wurde. Wobei „zugeteilt“ nicht ganz das richtige Wort war, er war da eigentlich selbst reingeschlittert, als er auf dem Weg vom Baumarkt nach Hause einen vermeintlichen Einbruch beobachtet hatte. Und Mordfall war auch nicht ganz richtig, denn zunächst war es erst einmal nur um eine vermißte Person gegangen. Er hatte jedoch schon ziemlich früh ein ungutes Gefühl, was das Verschwinden von Jennifer Müllers Mutter anging - ein Gefühl, das durch die Blutspuren in der Garage nicht unwesentlich befeuert wurde.
Tatsächlich war das dann auch das erste Mal, daß er mit Boerne direkt zusammenarbeitete. Sein Vermieter und Nachbar hatte auf der Arbeit den Ruf, schwierig zu sein, aber Thiel kam eigentlich ganz gut mit ihm zurecht. Das Untersuchungsergebnis zu den Spuren in der Garage kam prompt frei Haus geliefert, und jenseits aller Flapsigkeit wußte Thiel das Tempo und die Präzision, mit dem die Arbeit erledigt wurde, doch zu schätzen.
Und dann tauchte auch schon der nächste Fall auf, im wahrsten Sinne des Wortes. Eine Moorleiche, und leider keine von der prähistorischen Sorte. Das war ihnen zuerst natürlich noch nicht klar, aber Boerne war so oder so ganz aus dem Häuschen. Schwafelte von Veröffentlichungen, die sich aus diesem Fund ergeben würden, und was für eine einmalige Chance das für ihn als Rechtsmediziner sei. Wenn er den anderen nicht besser gekannt hätte, hätte er ihn für komplett takt- und gefühllos gehalten. Der Meinung waren wohl auch seine Kollegen, aber ihn erinnerte Boerne in dem Moment vor allem an den Mann, der voller Begeisterung mit seinem Sohn Frösche sezierte. Nicht, daß er das nachvollziehen konnte, aber aus irgendeinem Grund begeisterte der Fund einer Moorleiche Boerne wirklich.
Er ließ es sich dann aber doch nicht nehmen, dem anderen gehörig unter die Nase zu reiben, dass er als erstes erkannt hatte, dass es sich um eine zeitgenössische Leiche handelte. Die Turnschuhe waren kaum noch zu erkennen, aber er hatte sie erkannt. Da konnte Boerne noch so oft „ein blindes Huhn findet auch mal ein Korn“ sagen, übersehen hatte er das dennoch. Dafür identifizierte er dann in Windeseile das Opfer anhand eines künstlichen Hüftgelenks als eine ehemalige Mitschülerin.
„Wie klein ist Münster eigentlich?“ Die Frage hatte ihm schon die ganze Zeit auf der Zunge gelegen, und als sie auf dem Weg zu den Eltern der Toten waren, mußte er sie einfach loswerden. Nicht nur, dass ihr Leichenfund eine Mitschülerin (und Flamme) aus Boernes Jugendzeiten war, nein, auch sein Vermißtenfall hatte einen Bezug zu dieser Familie. In Hamburg, so viel war sicher, wäre das nie passiert.
„Münster ist die westfälische Metropole schlechthin, Herr Thiel.“ Boerne warf ihm einen strengen Blick zu. „Bloß weil ich zufällig Stephanie Alsfeld kannte, heißt das noch lange nicht, daß hier jeder jeden kennt.“
„Und Frau Müller?“
„Zwei Zufälle. Sowas kann schon mal passieren.“
Ihm war das ja mindestens ein Zufall zu viel. Aber dann kam das Anwesen der Alsfelds ins Blickfeld und er verkniff sich weitere Kommentare. Für einen Moment dachte er, er sei im falschen Film und würde irgendwo unter englischem Landadel ermitteln. „Schicke Hütte.“
„Die Alsfelds gehören zum Kreis der alteingesessenen Münsteraner Familien.“
„Kapitalistische Ausbeuter also.“ Er lachte, als er Boernes empörten Blick sah. „Kein Wunder, daß Sie bei Stephanie nicht zum Zug kamen.“
„Erstens sind die Boernes mindestens ebenso alteingesessen wie die Alsfelds, und zweitens hatte das andere Gründe.“
Die Geschichte mit dem geplünderten Weinkeller und dem Flügel hörte er dann auf dem Weg zum Haus und merkwürdigerweise war er Boerne dankbar dafür. Todesnachrichten zu überbringen war nicht gerade der Teil seines Berufes, der ihn begeisterte. Selbst wenn es in diesem Fall nach so vielen Jahren vielleicht eher einer Erleichterung war, endlich Gewißheit zu haben.
***
Der Besuch bei den Alsfelds war, alles in allem, wirklich unangenehm gewesen. Was für seltsame, kalte, unangenehme Menschen. Einzig der Bruder schien ihm einigermaßen normal zu sein. Die Mutter konnte er gar nicht einschätzen. Bei dem Vater hatte er zumindest das Gefühl, daß ihn der Verlust seiner Tochter schmerzte. Aber die Gutsherrenart, mit der er ihm vorschreiben wollte, was als nächstes zu geschehen hatte, konnte er überhaupt nicht ab. Und die Art, mit der er Boerne zur Schnecke gemacht hatte - als hätte er immer noch einen Fünfzehnjährigen vor sich, den er einfach abkanzeln konnte. Nicht daß ein solches Benehmen einem Kind gegenüber besser gewesen wäre, eher im Gegenteil.
Boerne war äußerlich ruhig geblieben und hatte Alsfeld in seine Schranken gewiesen, aber er hatte förmlich sehen können, wie er dabei innerlich die Fäuste ballte. Soviel Selbstbeherrschung hatte er dem anderen gar nicht zugetraut. Trotzdem, als sie Schloß Drakula endlich wieder den Rücken kehren konnten, hatte er das Gefühl, daß Boerne kurz vorm Explodieren war.
„Alles in Ordnung?“
„Ja.“ Boerne holte tief Luft. „Nein, nicht wirklich.“
Thiel seufzte. „Ich sag das ja nicht gerne über Eltern, die ihr Kind verloren haben, aber -“
„Der Alte war schon immer ein mieses Arschloch.“ Boerne hatte nun wirklich die Fäuste geballt. „Ich dachte, meine Erinnerung wäre vielleicht … Aber nein. Er ist wirklich so.“
„Ja.“ Sie sahen sich an, und Boerne entspannte sich langsam wieder.
„Aber hier geht es um Stephanie, zur Hölle mit dem Alten.“
„Ganz meine Meinung. Aber Frau Klemm gegenüber drücken Sie das besser ein bißchen diplomatischer aus.“
Boerne schnaubte. „Keine Sorge.“
***