Hohe Diplomatie

Aug 18, 2024 18:29

Sommerchallenge-Prompt: Reverse - Am seidenen Faden - fürs Team
Fandom: Tatort Münster
Genre: Humor
Handlung: Zwölfjährige waren viel einfacher im Umgang, wenn man selbst nicht mehr zwölf war.
A/N: Gehört zu diesem AU, das ich in der Sommerchallenge 2021 begonnen habe. Da ich die Kapitel vielleicht nachträglich noch anders sortiere, poste ich erstmal nur auf LJ. Das Prompt ist hier ein wenig schwach ausgefallen … in meinem Kopf sah das noch anders aus.
Länge: ~ 650 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten


***

Als er am nächsten Morgen nach kurzem Klingeln die nachbarschaftliche Wohnung betrat, konnte er den Patienten dank eines durchdringenden Hustens sofort im Wohnzimmer lokalisieren. Ein schneller Rundblick bestätigte die Situation: ein blonder Haarschopf lugte unter einer Wolldecke auf dem Sofa hervor, im Fernsehen lief etwas buntes und kindgerechtes (vermutlich, es wurde viel geschossen), und Thiel hatte soviel Vernunft besessen, seinem Sohn Wasser neben das Sofa und Hustensaft auf den Tisch zu stellen.

„Guten morgen, Herr … äh … Thiel Junior.“ Wie hieß der Knabe nochmal?

„Hallo …“ Müde Augen schauten unter der Decke hervor und er griff schnell nach dem Hustensaft, um die Inhaltsstoffe zu kontrollieren. Frischgepresster Thymian - es gab schlimmeres im Bereich der sogenannten Naturmedizin. Thymian hatte immerhin wirklich schleimlösende Wirkung. Und so wie sich das Husten angehört hatte, waren bislang nur die oberen Atemwege beteiligt. Eine ordinäre Erkältung also.

„Wie geht es dir?“

„Gut.“ Der Junge setzte sich auf und warf ihm einen trotzigen Blick zu. „Ich brauche keinen Babysitter.“

Oha. Die Situation war diffizil und verlangte ein Höchstmaß an Diplomatie. „Gewiß, gewiß.“ Er räusperte sich. „Ich bin sicher, daß du alleine zurechtkommst, aber es beruhigt deinen Vater, wenn er weiß, daß ich hin und wieder nach dir schaue.“

Das Gesicht wurde ein klein wenig weniger trotzig, und der Junge griff nach der Fernbedienung, um den Ton auszumachen. Eine wahre Erleichterung, wie er das bei dem Lärm aushalten konnte, war ihm ein Rätsel.

„Der Kopf tut weh.“

Kein Wunder bei der Geräuschkulisse. Aber er verkniff sich einen entsprechenden Kommentar, um den gerade erreichten Waffenstillstand nicht zu gefährden. Stattdessen ging er zum Fenster, um frische Luft in die Wohnung zu lassen. „Mehr Sauerstoff, das hilft. Aber wenn die Kopfschmerzen schlimmer statt besser werden, kann ich dir auch ein Schmerzmittel geben.“ Er drehte sich um. „Hat dein Vater dir was zum Essen vorbereitet?“

„In der Küche ist noch Pizza -“ ein neuerlicher Hustenanfall „- von gestern.“

„Pfff …“ Er schüttelte tadelnd den Kopf. Da war aber noch Luft nach oben. „Ich bringe dir nachher einen Teller Hühnerbrühe vorbei, die wirkt Wunder bei Erkältungen.“

„Hat Ihre Mutter die früher gekocht?“

Das Thema hatte er eigentlich vermeiden wollen, kranke Kinder sehnten sich ja oft nach ihrer Mutter und das war nun mal etwas, bei dem er gar nicht helfen konnte. Deshalb nickte er einfach nur, auch wenn es in Wirklichkeit sein Kindermädchen gewesen war, damals, als er noch ein Kindermädchen hatte. Danach hatte er ohne Hühnerbrühe auskommen müssen.

„Vielleicht versuchst du nochmal zu schlafen, und ich komme mittags wieder und wir schauen, wie es deinen Kopfschmerzen dann geht.“

***

Und da behauptete seine Schwester immer, er habe so viel Takt wie ein Elefant im Porzellanladen! Dabei hatte er diese knifflige Situation doch hervorragend gemeistert, dachte Boerne, als er am späten Nachmittag in seine eigene Wohnung zurückkehrte. Das hätte gleich am Anfang durchaus kippen können, aber mit seinem Verweis auf Thiels Sorgen hatte er die Lage gekonnt entspannt. Die Hühnerbrühe und ein potentes Schmerzmittel hatten Lukas Stimmung zusätzlich gehoben und selbst das mit der Konversation hatte sich überraschend einfach geregelt. Zwölfjährige waren viel einfacher im Umgang, wenn man selbst nicht mehr zwölf war. Tatsächlich hatte er selten einen so interessierten Zuhörer gehabt, wenn er von seiner Arbeit erzählte. Da war der Junge ganz anders als sein Vater - was Thiel unappetitlich fand, fand Lukas cool. Das erinnerte ihn ein wenig an seine eigene Begeisterung für die Wissenschaft, als er im gleichen Alter gewesen war. Von seinem Vater hatte der Junge das nicht, so viel war sicher. Hatte Thiel ihm eigentlich mal erzählt was seine Ex-Frau machte? Da konnte er ihn heute Abend ja mal nach fragen. Oh, und den Frosch mußte er noch besorgen. Vermutlich lernte der Junge bei ihm krank mehr als in einem halben Jahr Biologieunterricht - ein guter Ausgleich für die versäumten Schulstunden. Thiel würde ihm dankbar sein, soviel war sicher.

***

g: fanfic, g: alternate universe, p: thiel / boerne, !120 minuten, g: slash, f: tatort münster

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