Prompt: Sci/Fi - Schlechter Ersatz (Päckchen 9 für Supersuperteam)
Team: Melpomene, Pluto und Ouroboros
Fandom: Tatort Münster
Rating: P6
Genre: AU, Humor, possibly Pre-Slash
Länge: ~ 950 Wörter
Zeit: ~ 60 Minuten
A/N: Dafür kommt das Prompt jetzt hier gleich mehrfach vor …
< hier ist
Kapitel 4 ***
Er trat in die Pedale. Daß er das noch einmal tun würde, hatte er schon fast nicht mehr geglaubt, aber jetzt hatte der Doktor ihn doch so weit gekriegt. Nach ihrem Tennis-Ausflug hatten ihm Muskeln wehgetan, von deren Existenz er bisher noch nichts gewußt hatte, und Spaß hatte es ihm auch keinen gemacht. Nicht sein Sport. Schon gar nicht mit Boerne, dessen wettkämpferische Natur leider wenig Rücksicht darauf nahm, daß er mit einem Anfänger spielte. Die anschließende Sauna und vor allem die Dusche war toll gewesen, aber trotzdem - das mußte er nicht nochmal haben. Trotzdem hatte er bei diesem Versuch gemerkt, wie sehr es ihm gefehlt hatte sich zu bewegen. Auf dem Schiff gab es dazu ja nur wenig Gelegenheit, von den kurzen Fußwegen einmal abgesehen. Manche Mannschaftsmitglieder nutzten die Flure zum Joggen, aber das war ihm zu voll und am Laufen hatte er noch weniger Spaß als am Tennis spielen.
Also saß er jetzt hier, auf dem Rad. Tickets zum „Radfahren“ waren einigermaßen gut zu bekommen, da sie aufgrund des geringen Platzaufwands eine ausreichende Menge von Trainingsrädern auf den Bewegungsdecks hatten. Vielleicht hatte der Doktor auch noch ein wenig nachgeholfen, jedenfalls hatte er nun 30 Minuten die Woche hier. Und er wußte mit jeder Minute, warum er das die ganze Zeit vermieden hatte. Daß auf den Bildschirmen eine Erdenlandschaft an ihm vorbeizog, machte die Sache nur noch schlimmer. Auch wenn es ohne diese visuelle Täuschung wohl kaum zu ertragen gewesen wäre, in dieser gerade mal 4 Kubikmeter großem Kabine vor sich hinzustrampeln. Die Bilder erzeugten eine Illusion von Weite und halfen gegen die klaustrophobischen Gefühle, die sich sonst schnell einstellen würden. Thiel schloß die Augen, atmete tief durch und trat weiter in die Pedale. Aber es war eben eine Illusion. Nur noch ein schwacher Abklatsch der Welt, die sie einst gekannt hatten. Boerne hatte es sicher gut gemeint und das Programm Münsterland ausgewählt, aber nächstes Mal würde er etwas aussuchen, was ihm völlig fremd war.
So oder so war es einfach nicht dasselbe. Es fehlte der Wind, die Luft, die Gerüche, das Gefühl von Sonne auf der Haut. Sogar Kälte und Regen hätte er diesem nichts vorgezogen. Das Gefühl, wenn man zu Winterbeginn das erste Mal bei Minustemperaturen unterwegs war und die Hände trotz Handschuhen ganz taub wurden vor Kälte. Wie sein T-Shirt am Körper geklebt hatte, wenn ihn ein Sommergewitter erwischt hatte. Thiel schluckte trocken. Und strampelte weiter, denn wenn es auch ein schwacher Ersatz war, war es besser als nichts, und sein Körper, der sich leichter täuschen ließ als sein Gehirn, fühlte sich nach so einer Bewegungseinheit wie früher, wenn er morgens zur Werft geradelt war.
***
„Sie sehen erholt aus“, begrüßte ihn Boerne, als sie sich nach der Kantine im Aufenthaltsraum trafen. Zufällig, wie Thiel sofort in Gedanken ergänzte. Das war der nächstgelegene Aufenthaltsraum zu ihren Quartieren, natürlich waren sie beide eher da als in einem anderen Raum. Wenn man nach Feierabend noch ein wenig Zeit totzuschlagen hatte, mußt man dafür ja nicht durchs halbe Schiff laufen oder gar Energie für die Aufzüge verschwenden.
„Auch’n Bier?“ Er fragte es jedesmal, obwohl er die Antwort kannte, aber das Augenrollen war es wert. Natürlich sparte der Herr Doktor seine Rationen für ein Glas Rotwein auf. Echter Wein, wie Borne gerne betonte, auch wenn Thiel stark bezweifelte, daß das, was Vaddern mit seiner Mannschaft da anbaute, noch viel mit Wein zu tun hatte. Und über den Herstellungsprozeß wollte er lieber auch nicht nachdenken. In Fässern lagerte hier jedenfalls nichts mehr. Aber so klammerte sich hier eben jeder an seine ganz persönliche Erinnerung. Für ihn war es die Illusion eines Feierabendbiers, für Boerne die Vorstellung, ein gutes Glas Wein zu trinken, aus Trauben, die an den Uferhängen irgendeines französischen Flusses in der Sonne gereift waren.
„Wieso so schwermütig?“ Boerne stupste ihn an. „Muskelkater?“
„Pfff.“
„Soll ich Ihnen ein Bier mitbringen?“
Wenn Boerne bereit war, sich durch die Menschenmengen zur Theke zu kämpfen, sagte er nicht nein. „Ich halte den Tisch.“
Die begehrten Sesselplätze waren schon wieder alle voll, Boerne hatte wenigstens noch einen der kleinen Stehtische ergattert. Wenn man sich Mühe gab, konnte man sich vorstellen, daß man mit seinem Bier am Tresen stand. Was Boerne sich dabei wohl vorstellte?
„Ist schon wieder ganz schön voll geworden“, erklärte der Doktor, als er mit zwei Gläsern in der Hand zurückkam.
Thiel schaute sich um. Von der aufständischen Stimmung der letzten Wochen war wenig übrig geblieben. Für eine Weile hatte es schlecht ausgesehen für den Kapitän, aber dann hatte sich die Lage beruhigt. Einem von Boernes Kollegen war es endlich gelungen, Nikotin nicht nur zu synthetisieren, sondern auch eine Methode der Einnahme zu entwickeln, die das bisherige Rauchen ersetzen konnte. Frühere Versuche mit Pflastern oder gar Zäpfchen - wer auch immer auf die bescheuerte Idee gekommen war - hatten sich ja nicht bewährt, aber diese kleinen Verdampfer schienen die oralen Bedürfnisse zu befriedigen, wie Boerne das nannte. Sogar sein Vater lief jetzt mit so einem Ding rum. Er befürchtete allerdings, daß er darin nicht nur synthetisches Nikotin verdampfte.
„Hauptmechaniker Thiel?“ Etwas schnippte dicht vor seinem Gesicht. „Sie sind heute ja wieder ganz besonders gesprächig.“
Thiel nahm einen Schluck. Wenn man erst einmal vergessen hatte, wie echtes Bier schmeckte, war das gar nicht so verkehrt. Vielleicht ging ihm das mit dem Radfahren auch irgendwann so. „Gibt nicht viel zu erzählen. Was war denn bei Ihnen so los?“
So etwas mußte man den Doktor nicht zweimal fragen. Boerne sprudelte los, und die Abendunterhaltung war gerettet. Jetzt mußte er nur noch ab und an ein „Tatsächlich?“ oder auch nur ein zustimmendes „Mhm“ einwerfen. Er hatte Mühe, ein Lächeln zu unterdrücken, als ihm etwas auffiel. Auch wenn sie sich erst hier auf dem Schiff kennen gelernt hatten - Boerne war definitiv noch das Original und kein Ersatz.
* tbc *
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Kapitel 6