Jan 14, 2007 21:34
Die Psychohistorie untersucht historische Vorgänge der ferneren und unmittelbaren Vergangenheit mit Mitteln der Psychologie und Psychoanalyse.
Gibt die herkömmliche Geschichtswissenschaft Antworten auf die Frage, "wie?" bestimmte Vorgänge abliefen, so befasst sich die psychohistorische Wissenschaft mit dem "warum?" und dem "warum so?".
Während sich die Psychologie und Soziologie mit dem kurzfristigen Verhalten einzelner Menschen und Gesellschaften auseinandersetzt, betrachtet die Psychohistorie generationsübergreifende Zeitspannen.
Inhaltsverzeichnis
[Verbergen]
* 1 Bereiche der Psychohistorie
* 2 Ursprünge der Psychohistorie
* 3 Abgrenzung zur Psychohistorik
* 4 Literatur
* 5 Weblinks
Bereiche der Psychohistorie [Bearbeiten]
Es gibt drei miteinander verbundene Bereiche psychohistorischer Studien:
1. Die Geschichte der Kindheit, die sich mit Fragen befasst wie beispielsweise:
* Wie sind Kinder in der Menschheitsgeschichte aufgezogen worden?
* Wie haben sich Familien gebildet?
* Wie und warum hat sich die Erziehungspraktik verändert?
* Wie hat sich die Stellung und der Wert von Kindern in der Gesellschaft in der Geschichte verändert?
* Wie und warum haben sich die Ansichten der Gesellschaft über Kindesmisshandlung und -vernachlässigung geändert?
* Warum verleugnet unsere moderne Gesellschaft immer noch die Realität der Kindesmisshandlung?
1. Die Psychobiographie versucht, die Motivationen von bestimmten Individuen in der Geschichte zu finden.
2. Die Massenpsychohistorie beschäftigt sich mit den Motivationen von Gruppen und Gesellschaften in der Geschichte und Gegenwart. Die Untersuchung befasst sich maßgeblich mit der Wirkung von politischen Reden und deren Karikatur auf das unterbewusste Denken der Bevölkerung.
Ursprünge der Psychohistorie [Bearbeiten]
Man könnte Sigmund Freud wohl als Vater der Psychohistorie bezeichnen, insbesondere seine Betrachtungen der Gesellschaft betreffend. Freud selbst arbeitete mit Woodrow Bullitt an einer Studie zu dem amerikanischen Präsidenten Woodrow Wilson.
Die erste akademische Ausarbeitung der Psychohistorie nach Freud findet sich bei Erik Erikson's Buch "Young Man Luther", in welchem der Verfasser nach einer Wissenschaft sucht, mit der man die Folgen des Lebens Einzelner auf die Geschichte untersuchen kann. Dem waren zahlreiche biographisch orientierte Studien von Freud selbst und anderen Psychoanalytikern (z.B. Marie Bonaparte) voraus gegangen. Während der 1960er, bildete Erikson zusammen mit Robert Lifton und Bruce Mazlish die Wellfleet Group, ein von der American Academy of Arts and Sciences gesponsertes Projekt, um Psychohistorie als Forschungsfeld zu definieren. Lifton hat später bedeutende Arbeiten zu den Ursachen und Auswirkungen von Kriegsverbrechen vorgelegt.
Lloyd deMause ist ein Pionier der Psychohistorie und hat auf diesem Gebiet immer noch großen Einfluss. Andere erwähnenswerte Psychohistoriker sind Alice Miller und Julian Jaynes, obwohl sie selten als solche bezeichnet werden.
In der deutschen Gesellschaft für Psychohistorie hat Uta Ottmüller wiederholt auf den wichtigen Aspekt des Geschlechterverhältnisses für die Gestaltung der Kindheit hingewiesen. In ihrem Ansatz für eine psychohistorische Friedensforschung spielt auch die transgenerationale Traumatisierung eine wesentliche Rolle.
Die Bücher von Klaus Theweleit werden zwar üblicherweise nicht zur Psychohistorie gezählt, setzen sich aber auch mit dem Verhältnis von Psychoanalyse und Geschichte auseinander.
Abgrenzung zur Psychohistorik [Bearbeiten]
Die Bezeichnung "Psychohistorik" ist erst durch den Science-Fiction-Autor Isaac Asimov erfunden worden. Die Psychohistorik dient dazu, aufgrund mathematischer Berechnungen die Wahrscheinlichkeiten zukünftiger Ereignisse und Handlungen einer Gesellschaft zu bestimmen (beispielsweise, wann ein Krieg ausbricht oder wann eine bestimmte politische Richtung eingeschlagen wird). Der fiktive Erfinder des Begriffs, Hari Seldon, sagt selbst, „Sociohistory“ wäre eine bessere Bezeichnung für dieses Fach. Die an Freud anknüpfende Psychohistorie hat mit Asimovs „Psychohistorik“ also kaum etwas gemein.
Die Psychohistorik spielt im Foundation-Zyklus eine tragende Rolle.