Мнение редакции может не совпадать с мнением автора А мое мнение последнее время редко совпадает с книжными рекомендациями Дениса Шека.
Mai
10) Marc Friedrich: "Die größte Chance aller Zeiten"
Früher standen Apokalyptiker wie Marc Friedrich mit ihren "Das-Ende-ist-nah!"-Schildern in Fußgängerzonen, heute nennen sie sich "Anlageberater" und empfehlen Bitcoin-Investments. Mir ist offen gestanden unerfindlich, wie man in Gelddingen einem Menschen vertrauen kann, dessen hysterische "Jede Krise ist eine Chance"-Mantras von einem Verstand wie ein Vogelkäfig künden.
9) Sylvain Tesson: "Der Schneeleopard"
Ein Schriftsteller und ein Naturfotograf reisen nach Tibet, um eines der scheuesten und seltensten Tiere der Welt zu finden. Natürlich geht es dabei mehr um die Begegnung mit sich selbst als um die Begegnung mit dem Leoparden. Brillantes Nature Writing aus Frankreich.
8) Horst Lichter: "Ich bin dann mal still"
Horst Lichter ist ein grundsympathischer Schwaderlapp. Aber der mit Hilfe von Till Hoheneder auf Buchlänge ausgewalzte Bericht über acht Tage in einem Schweigekloster und seinen Versuch, innere Ruhe trotz zunehmenden Erfolgs seiner Sendung "Bares für Rares" zu finden, hätte die Welt nicht gebraucht.
7) Robert Marc Lehmann: "Mission Erde"
Im Auftrag eines US-Fernsehsenders stürzen sich einige selbsternannte Umweltaktivisten in den weltweiten Kampf gegen Dynamitfischer, illegale Tierhändler und Brandroder - natürlich alles vor laufenden Kameras. Ich weiß nicht, was widerlicher an diesem Buch ist: die Ergriffenheit ob der eigenen moralischen Überlegenheit, der martialische Ton, in dem das erzählt wird, oder der dreiste Narzissmus, der das ausgestellte Engagement bei weitem überwiegt.
6) Dr. med Anne Fleck: "Energy"
Die Ärztin Anne Fleck hat sich ein besonders perfides Geschäftsmodell zurechtgelegt: Sie möchte Menschen mit dem Symptom "Energiemangel" heilen. Nichts an diesen Tipps für ein besseres Immunsystem, eine gestärkte Verdauung, besseren Schlaf und so weiter ist falsch. Und dennoch hat mich dieser überflüssige Ratgeber für erfundene Krankheiten enorm ermüdet.
5) Richard David Precht: "Von der Pflicht"
Zwei verpflichtende "Gesellschaftsjahre", eines für Jugendliche, eines für Rentner, schlägt Precht in seinem neuen Buch zur "Erfahrung von Selbstwirksamkeit" vor. In der DDR nannte man solche Eingliederungsmaßnahmen für Nonkonformisten "Bewährung in der Produktion". In Erinnerung an die anderthalb Jahre, die mir der deutsche Staat unter dem Namen "Zvilidienst" raubte, schlage ich vor, Philosophen, die solche staatlichen Zwangsbeglückungsmaßnahmen vorschlagen, zu Liberalismusstudien nicht unter zwei Jahren zu vergattern.
4) Mai Thi Nguyen-Kim "Die kleinste gemeinsame Wirklichkeit"
Warum verdienen Frauen weniger als Männer? Ist "Alternativmedizin" Scharlatanerie? Sollte es eine Impfpflicht geben? Die Wissenschaftsjournalistin Mai Thi Nguyen-Kim erklärt am Beispiel von acht Themenfeldern zwar mitunter ein bisschen zu flapsig, aber überzeugend den Unterschied zwischen Fakten, Fiktionen und Interpretationen.
3) Frank Schätzing: "Was, wenn wir einfach die Welt retten?"
Schätzings neues Buch provoziert zur deutschesten aller Fragen: Darf der das? Als gewiefter Thrillerautor ein spannendes, verständliches und zur Änderung unserer Routinen motivierendes Sachbuch über den Klimawandel schreiben? Frank Schätzing darf das. Der kann das nämlich.
2) Sahra Wagenknecht: "Die Selbstgerechten"
Sahra Wagenknecht beschreibt mit schöner satirischer Schärfe ein neues juste milieu: In ihrem Beharren auf Diversität, Antirassismus, Cancel Culture und eine lockere Einwanderungspolitik propagiert die Lifestyle-Linke die Entsolidarisierung mit dem unteren Drittel unserer Gesellschaft und zieht statt Gesellschaftsanalyse die Denunziation Andersdenkender und der Vergangenheit vor. Selten habe ich mich beim Lesen eines Politikerbuchs mehr amüsiert.
1) Ferdinand von Schirach: "Jeder Mensch"
Eine von Ferdinand von Schirach initiierte Online-Petition soll die 2009 verabschiedete Charta der Grundrechte der Europäischen Union um sechs Artikel ergänzen, die unsere Rechte auf eine gesunde Umwelt, digitale Selbstbestimmung, Einhaltung der Menschenrechte in der Globalisierung, Grundrechtsklage vor europäischen Gerichten und Schutz vor uns ausforschenden Algorithmen fixieren. Auch wenn ich nicht glaube, dass etwa Artikel 4 mit seiner Forderung "Jeder Mensch hat das Recht, dass Äußerungen von Amtsträgern der Wahrheit entsprechen" den politischen Alltagstest bestehen würde: Schirachs Initiative ist eine gute Sache wie alles, was das Engagement für die Europäische Union fördert.
April
10) Joël Dicker: "Das Geheimnis von Zimmer 622"
Was ist falsch an diesem Satz: "Wäre er Anwalt gewesen, hätten seine Anwaltskollegen keine Klienten mehr gehabt."? Anwälte haben im Deutschen Mandanten, keine Klienten. Nun gut, das ist eher ein Tadel an die Übersetzerinnen Michaela Meßner und Amelie Thoma als am Autor. Aber just so daneben wie die Übersetzung ist auch die Konstruktion dieses verzopften Krimis um einen Mord in einem Luxushotel in den Schweizer Alpen und eine Intrige in einer Genfer Privatbank. "Nein, mein nächster Roman wird kein an den Haaren herbeigezogener Krimi sein!", lässt Joël Dicker darin einen Schriftsteller namens Joël Dicker sagen. Eins steht fest: Joël Dicker lügt.
9) Ewald Arenz: "Der große Sommer"
Ein Schülerroman, geschrieben von einem Lehrer: Das ist wie ein Roman über einen Fuchs aus der Feder eines Hasen. Aber Ewald Arenz gelingt in diesem Roman eine konventionell und doch kunstvoll erzählte Geschichte über einen Schulversager, die erste große Liebe und eine nostalgische Hommage an die Bundesrepublik des Jahres 1979. Ewald Arenz: ein Name, den man sich merken muss.
8) Carsten Henn: Der Buchspazierer"
Carsten Henn operiert in einem altbekannten Genre, dem BuchhandelsPorno. Selten habe ich einen Roman in die Hand genommen, der so gründlich in seinen selbst erschaffenen Klischees ersäuft wie diese peinliche Geschichte um einen 72-jährigen Buchhändler, der für jeden den passenden Schmöker zum Seelenstreicheln parat hat: "Er war ein schöner dunkelhaariger Mann, groß gewachsen, edle Wangenknochen, markantes Kinn - und eine Traurigkeit, die über allem lag wie grauer Puder. Er trug wie stets einen dunkelblauen Zweireiher mit einer frischen weiße Orchideenblüte am Revers, und seine schwarzen Lederschuhe glänzten, als ginge er zu einem Opernball." Diesen Schmonzes hätte Hedwig Courths-Mahler nicht besser hinbekommen.
7) Matt Haig: "Die Mitternachtsbibliothek"
Dass man sehr wohl auch niveauvolle Buchhandels- beziehungsweise Bibliothekspornos schreiben kann, beweist Brite Matt Haig in dieser Geschichte um eine Selbstmörderin, die im Limbo die Möglichkeit enthält, in der Bibliothek ihrer alternativen Lebensläufe zu stöbern.
6) Alena Schröder: "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid"
Dieser Debütroman erzählt eine Berliner Familiengeschichte über vier Generationen - der Titel bezieht sich auf ein von den Nazis geraubtes Gemälde von Vermeer - und liest sich nicht nur wahnsinnig süffig, sondern besticht durch erzählerische Intelligenz und soziologischen Scharfsinn. Eine Freude!
5) Helga Schubert: "Vom Aufstehen"
Ein Buch wie ein Fest
4) Dirk Rossmann: "Der neunte Arm des Oktopus"
Was wäre, wenn China, Russland und die USA eine Allianz bildeten, um dem Rest der Welt eine klimafreundliche Politik aufzuzwingen, eine effiziente Geburtenkontrolle durchzusetzen und erneuerbaren Energien den Weg freizumachen? Undemokratischer Alptraum oder schöne neue Welt? Schon klar, dieses Buch wurde mit der Werbemacht eines Drogiermarkt-Millardärs in die Bestsellerliste gedrückt. Aber das Romandebüt Dirk Rossmanns ist erstens amüsant und unterstreicht zweitens einmal mehr: Die Zukunft gehört dem alten reichen weißen Mann.
3) Benedict Wells: "Hard Land"
Wie gesagt: ein gutes Buch!
2) Amanda Gorman: "The Hill We Climb"
Diese zweisprachige Ausgabe von Amanda Gormans mitreißendem Gedicht zur Amtseinführung Joe Bidens löst literaturkritische Schizophrenie in mir aus: so stark der Originaltext, so müde, matt und mutlos die Übersetzung.
1)Juli Zeh: "Über Menschen"
Ein beredtes Zeugnis vom Humor Juli Zehs legt schon der Titel ihres jünsten Romans ab: Nach "Unter Leuten" erzählt Zeh jetzt also in "Über Menschen" von einer Aussteigerin aus Berlin, einem Dorfnazi in einem Kaff auf dem Land in Brandenburg und von der Suche nach Freiheit und Gemeinschaft in Zeiten der Pandemie. Dieser Roman stellt genau die richtigen Fragen an jene, die sich immer im alleinigen Besitz der richtigen Antworten wähnen. Ein Prüfstein für alle intellektuell Trägen, für die sich in ihren selbstgerechten Bubbles behaglich Eingerichteten, kurz: für unsere ach so moralisch korrekten modernen Pharisäer.
PS. Из вышеперечисленных рекомендуемых Денисом Шеком книг меня заинтересовал роман Alena Schröder: "Junge Frau, am Fenster stehend, Abendlicht, blaues Kleid" - семейная сага о четырех поколениях, начинающаяся в 1920 годах в Берлине.