Harry Potter and the Cursed Child (parts 1 & 2)

Oct 03, 2018 12:30

Palace Theatre, London


Ja, die Prämisse gilt noch immer, auch wenn es die Skripte jetzt als Buch zu kaufen gibt. Sie verteilen auch noch immer "#keepthesecrets"-Badges, also kann ich leider nichts zur Handlung sagen. Nur, dass sie da beginnt, wo der Epilog von Band 7 aufhört.

Das Palace Theatre ist das Juwel unter den West End Theatern. Als sie HPCC ankündigten und sagten, dass sie das Palace haben, war klar, dass es der perfekte Platz dafür ist. Besser hätten sie es nicht treffen können. Das Gebäude sieht aus wie eine große rote Burg aus Backstein, und es ist umfassend renoviert. Dabei haben sie sogar die alte Marmor-Wandverkleidung wiedergefunden. Ein wunderschönes Theater. Und es hat Drachen als Lampenhalter. Was will man mehr?
Natürlich bedingt das historische Gebäude auch, dass sie den Denkmalschutz im Auge behalten müssen, nicht einfach alles möglich rausreißen und ersetzen können - aber mal ehrlich, wer würde das wollen? Es würde garantiert nicht besser.
Auch ist das Palace recht groß. Parkett, drei Ränge. Für den obersten muss man unter allen Umständen schwindelfrei sein. Aber wir haben Parkett gesessen. Reihe 4. So nah dran war ich im Palace noch nie (das beste bis jetzt war Reihe 5). Tolle Sicht, nah dran, perfekte Plätze.

HPCC ist ein Schauspiel. Die Kenntnis aller sieben Bücher wird vorausgesetzt, auch wenn es im Programmheft Kurzusammenfassungen gibt und sie sich Mühe geben, die wichtigsten Dinge zu erklären. Zumindest die Handlung von Buch vier sollte aber in den wichtigsten Zügen bekannt sein - außerdem gibt es im Publikum sowieso keine Laien. Alleine das ist beeindruckend. Dass man ein Theaterstück schreiben und als große Show im besten West End Theatre aufführen kann, und dabei voraussetzen kann, dass mehr oder weniger das gesamte Publikum sieben Bücher gelesen hat, und genau darum kommt. Normalerweise entstehen aus solchen Voraussetzungen eher kleine, von Fans geschriebene Stücke in Mini-Theatern.

Wie gesagt, zur Handlung darf ich nichts sagen, aber es ist keine Überraschung, dass die wichtigsten Charaktere alle dabei sind. Dazu die nächste Generation, sprich, die Kinder von Harry und Ginny, Hermione und Ron, und Draco und seiner Frau. Die bestreiten dann auch die eigentlichen Abenteuer. Die Abräumerrolle ist Scorpius, auch wenn ich den stellenweise schon ein bisschen überzogen fand. Aber er bleibt glaubwürdig, und das ist das Entscheidende.

Abgesehen von den einzigartigen Voraussetzungen ist HPCC auch anders als jedes andere Theaterstück, das ich in meinem Leben gesehen habe: Es ist inszeniert wie ein Film. Wie ein Film wird es ununterbrochen von Musik untermalt, die mal subtil, mal nicht subtil für Stimmungen und Effekte sorgt. Jeder Schritt ist durchchoreographiert, jede Szene durchgetaktet. Es gibt nichts, was Zufall ist, was aus dem Takt fällt, ein Füller ist oder auch nur aufhält. Das Ganze läuft durch wie ein Uhrwerk, ohne dabei mechanisch oder gar unmenschlich zu wirken. Im Gegenteil, das Stück ist sehr menschlich und seine Charaktere und ihre Reaktionen sind es auch. Aber es ist dichter inszeniert als alles, was ich jemals gesehen habe, bis ins letzte Detail, und das verleiht ihm sehr viel Intensität und Kraft. Als ich das Skript las, habe ich gedacht "naja", aber es dann zu sehen ist tatsächlich etwas ganz Anderes. Jeder Preis, der an die Verantwortlichen gegangen ist, ist gerechtfertigt. Sehr beeindruckend.

Dabei hilft natürlich eine bewegliche und stimmungsvolle Kulisse. Das Palace bietet wie gesagt das perfekte Umfeld, die Bühne besteht aus einer holzvertäfelten Wand und mehreren viktorianischen Stahlpfeilern. Dazu haben sie diverse Türen, Tische, Betten, Koffer und natürlich Treppen, die sie herumfahren können, und die von Hogwarts über das Ministerium bis zum Forbidden Forest und Ginnys Küche alles darstellen. Auch das klappt reibungslos, dynamisch, glaubwürdig und sieht einfach toll aus.

Letzter Punkt auf der Liste sind die Special Effects, die mit dem Wirken von Magie einhergehen, und auch hier kann ich nur betonen, wie perfekt die funktionieren, wie toll sie aussehen und wie viel Arbeit da hinein geflossen sein muss, damit das eben so aussieht. Alles sitzt auf den Millimeter, auf die Sekunde, jede Bewegung stimmt und hat Sinn. Und hier hat auch endlich mal der Flugeffekt Sinn - heutzutage muss im Theater ja immer geflogen werden, egal, ob das zur Handlung passt oder nicht, aber hier passt es. Oder besser, war zwingend notwendig. Dass es toll aussieht, wiederhole ich auch gerne nochmal. Sie hatten einen Magic Consultant, oder wie sich so ein Job auch immer nimmt. Aus gutem Grund.

Das alles klingt jetzt nach einem Feuerwerk aus Theatermaschinerie, das alles andere erschlägt, aber auch das ist nicht der Fall. Im Gegenteil, die Story bleibt immer im Vordergrund, vor allem aber bleiben die Charaktere immer im Vordergrund, und das ist das Wichtigste, denn darum geht es. Die Handlung dient nur dazu, die inneren Konflikte, die Gefühle und Motivationen deutlich zu machen und ihnen ein Forum zu geben. Das meine ich, wenn ich sage, dass das Stück menschlich ist. Darum geht es. Um Menschen.
Müßig zu erwähnen, dass die Cast toll war. Waren sie. Das ist das West End.

Ja, mit dem Hintergrund eines riesigen, generationen-übergreifenden Fandoms war klar, dass es einen Hype geben würde. Aber irgendwo ist der Hype schon gerechtfertigt. Es ist innovativ, es ist toll gemacht und egal ob man die Charaktere mag oder nicht, es ist einfach ein richtig starkes Stück Theater.

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