Bingo-Story: Zerstört

Nov 06, 2013 01:02

Genre: keine Ahnung
Wortanzahl: 550
Bingo-Prompt: Beichte
Zusammenfassung: Yu-Tang hatte während seiner Tat wahrscheinlich keine Sekunde darüber nachgedacht, wie viele Leben er damit zerstören würde
A.N.: Ich habe festgestellt, das ich bei meinen Oneshots zu Herzrasen im Moment einfach nicht weiterkomme. Es erzwingen zu wollen bringt nichts, wie die letzten Wochen gezeigt haben; also widme ich mich jetzt zuerst einmal ein paar anderen Dingen.
Über Sinn und Unsinn des nachfolgenden Textes lässt sich wie immer diskutieren


„Ich erinnere mich… ich… ich kann mich wieder erinnern…“ Boerne wirkte geradezu ungläubig, fast etwas abwesend, als er sich nun langsam umdrehte.
Kein Laut war zu hören, doch seine leise gemurmelte Erkenntnis hatte die lähmende Starre, die sich nach Dr. Martins letzten Worten im Raum ausgebreitet hatte, durchschnitten, als hätte er sie herausgeschrien.

Einer nach dem anderen, wie ferngesteuert, wandten sich auch die übrigen Anwesenden um. Ein Augenpaar nach dem anderen richtete sich auf den jungen Chinesen, der im Büro auf der anderen Seite des Flures an die Fensterbank gelehnt stand.

Man hatte Boernes und Dr. Martins Aussage dort unter keinen Umständen hören können, doch der Ausdruck in den Gesichtern der Personen, die sich nun der Reihe nach zu Yu-Tang herumdrehten, war offensichtlich eindeutig genug.
Seinen weit aufgerissen Augen nach zu urteilen, schien ihm klarzuwerden, dass es vorbei war. Dass alles vorbei war.
Sein Plan war gescheitert.

Thiel, der eilig aus seinem Sessel hochgesprungen und in das Nachbarbüro gelaufen war, kam wortlos zum Stehen, als er den fassungslosen Blick bemerkte, mit dem Miao ihren Verlobten fixierte. Langsam schien ihr zu dämmern, was Thiel und den anderen bereits klargeworden war.

Unsicher irrten Yu-Tangs Augen zwischen ihnen hin und her, während er nervös am Bund seiner Jacke herumfingerte.
Und dann platzte es plötzlich aus ihm heraus. „Songma hat uns alle in Gefahr gebracht!“ Zittrig schnappte er nach Luft, als er seiner inzwischen sichtlich bestürzten Partnerin ins Gesicht sah. „Miao!“ Sein Blick rutschte tiefer. „Unser Baby!“

Er verstummte kurz, doch dann, mit einem Mal, mischte sich Erregung in seine Stimme. „Aber sie hat nicht damit aufgehört…“ Sein bis gerade erschrecktes, ängstliches Gesicht verzerrte sich, wich einer aufgebrachten Miene. Der zuvor fast hilflos anmutende junge Mann wurde immer lauter und zorniger. „Das hätte sie nie getan!!“
Wie um Verständnis heischend blickte er sich um, sprach nun drängender, während sich Verzweiflung in seine Stimme mischte. „Als Alim Can tot war… da musste ich etwas unternehmen! So konnte es doch nicht weitergehen!“

Nach diesem Geständnis blickte er von einem zum anderen. Aber er erntete nur Schweigen; auch Thiel brachte kein Wort über die Lippen.

Die Verzweiflung, die in dieser Beichte durchgeklungen war, war echt. Und doch empfand Thiel keine Sekunde Mitleid für ihn. Konnte kein Mitleid empfinden für einen Mann, der, statt sich Hilfe bei den Behörden zu holen, eine junge Frau brutal ermordet hatte. Der skrupellos genug gewesen war, diese Tat einem Unschuldigen in die Schuhe schieben zu wollen; der billigend in Kauf genommen hatte, dass dieser Mann den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen würde und dem es völlig gleichgültig gewesen wäre, wenn die Überdosis Drogen, die er ihm verabreicht hatte, ihn umgebracht hätte.

Yu-Tang hatte während seiner Tat wahrscheinlich keine Sekunde darüber nachgedacht, wie viele Leben er damit zerstören würde.
Songmas Leben. Sein eigenes.
Zum Glück nicht Boernes.

Nein, mit einer solchen Person konnte Thiel kein Mitleid haben.

Während Yu-Tang noch hektisch auf seine Verlobte einredete, begann die junge Frau zu schluchzen. Es war ein herzzerreißendes, jammerndes Klagen, das Thiel einen Schauer über den Rücken jagte. Hilflos machte er ein paar Schritte auf sie zu, als sie in sich zusammensackte - und in diesem Moment, als er das Ausmaß ihrer Verzweiflung erkannte, wurde ihm klar, dass Yu-Tang auch ihr Leben zerstört hatte. Ihres und das ihres ungeborenen Babys.

Nein; mit einer solchen Person konnte er kein Mitleid haben.

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