Seeds of Love
Artist:
watchersgoddess Author:
annj_g80 Disclaimer: Nichts gehört uns.
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Teaser:
Seeds of Love
Der Raum ist so trostlos wie er es verdient hat. Die Decke verliert sich in der Dunkelheit über seinem Kopf, das Echo seiner Schritte verhallt, als würde es wie Rauch durch einen Abzug entweichen. Zentimeter-dicker Staub dämpft das Knirschen unter seinen Sohlen, sein Umhang legt eine Schneise aus dunklem Stein frei. Doch weiter und weiter zieht er seine Runden, verliert den Mittelpunkt des Raumes nie aus den Augen. Wie ein hungriges Tier, das seine Beute umkreist und sich nicht sicher ist, ob es dem Gegner gewachsen ist.
Der Spiegel strahlt etwas aus, eine Präsenz, oder eine Energie. Was genau, kann er nicht sagen. Aber es ist fremdartig, einschüchternd und mehr als irritierend. Er steht einfach nur da, regungslos, emotionslos. Kalt. Doch wie sehr der unbewegte Schein trügt, das weiß sein Beobachter ganz genau. Denn dieser Spiegel nimmt mindestens genauso viel, wie er zu geben versteht.
Was genau er Severus zu geben hätte? Er weiß es nicht. Und um ehrlich zu sein, ist er nicht einmal sicher, ob er es wissen will. Einen Blick riskieren und damit in die eigene Seele blicken?
Severus grunzt freudlos, zieht sein Schritttempo an und beginnt eine weitere Runde. Er hätte wissen müssen, dass Dumbledore es sich nicht nehmen lassen würde, ihn hier unten noch etwas zappeln zu lassen.
Die Rückseite des Spiegels hätte ebensogut jedem anderen Spiegel gehören können. Selbst aus der Entfernung von mehreren Metern sieht er die unzähligen Kratzer. Abgeblätterte Farbe und Risse machen das Holz nicht sonderlich ansehnlich und als er wieder die andere Seite des Raumes erreicht, sieht er auch wieder die stumpfe Oberfläche des Glases. Blind vom Alter und Staub. Das unregelmäßig Flackern der Fackeln tun ihr übriges: Der Spiegel gehört in ein Museum. Oder auf den Altmüll. Nicht aber in ein altes Kellerverlies Hogwarts'.
Seit Jahren steht er hier. Um genau zu sein seit über fünf Jahren. Der alte Narr hatte mit diesem unberechenbaren Blitzen in den Augen behauptet, der Spiegel würde noch für einige Wahrheiten sorgen, die ansonsten für immer verborgen bleiben würde.
Severus kann ein erneutes Schnauben nicht verhindern, zieht verächtlich die Lippe in die Höhe und bleibt schließlich stehen, das Gesicht dem Spiegel zugewandt. Noch steht er zu weit weg, um etwas darin erkennen zu können und seine Beine machen es ihm nicht leicht. Seine Füße schwer wie Blei, seine Hände kalt. Nun, seine Hände sind immer kalt, aber dieses Mal fällt es ihm auf.
Er umrundet den Spiegel weiter, doch seine Kreise werden enger, seine Neugier regt sich, will Aufmerksamkeit. Andererseits, warum sollte Severus sich der Neugier beugen nur um herauszufinden, dass seine Seele so tot und abgestorben ist, dass sie nicht einmal mehr wünschen kann?
Er zögert, bleibt stehen. Der Spiegel steht neben ihm, die Oberfläche im 90 Grad Winkel zu seinem Blick. Die Staubschicht darauf daumendick und flockig. Es sieht grau aus, als wäre der Spiegel so tot wie sein Standort.
Vielleicht funktioniert er ja nicht mehr?
„Du kannst den Spiegel zerbrechen und doch würden dir die Scherben die Wahrheit sagen“, hallt eine brüchige Stimme zu Severus und auch wenn er sie erwartet hat, zuckt er zusammen und fühlt sich ertappt.
„Die Wahrheit wäre wohl kaum mehr als ein Puzzle, das man zusammensetzen müsste“, erwidert Severus und strafft seine Gestalt, um Dumbledore aufrecht entgegenzutreten. „Und ich bezweifle, dass ich in Zukunft die Muße für eine solche Beschäftigung haben werde.“
Der Direktor lächelt. Es ist kein amüsiertes Lächeln, dieses hat er in Severus' Gegenwart schon vor langer Zeit eingestellt, sondern eher ein gnädiges. Eines, dass Severus die Schuld in die Eingeweide treibt, als wäre sie ein glühender Eisenhaken.
Der alte Mann hält seine verkrüppelte Hand schützend an den Oberkörper gepresst.
Severus wirft einen fragenden Blick darauf, doch Dumbledore schüttelt nur den Kopf. „Ab heute Nacht wird sie mir keine Schmerzen mehr bereiten.“
Severus schluckt, wendet sich ab von seinem Mentor und sein Blick fällt erneut äußerst ungewollt auf den Spiegel.
„Wusstest du, dass auch die tiefsten und verborgensten Wünsche sich ändern können?“, murmelt Dumbledore und baut sich vor dem Spiegel auf. Er sieht hinein, seine Augenbraue hebt sich ein Stück. Ansonsten gibt er keine Regung von sich. Will es offenbar Severus überlassen, ob er das Wissen verkraftet.
Severus liegt die Frage auf der Zunge, doch wenn er eine Antwort hört, kann er für nichts garantieren. Noch bevor die Grausamkeit seiner Worte ihm wirklich bewusst wird, spuckt er sie aus wie einen bitteren Geschmack.
„Was auch immer du siehst, es wird nicht dein Leichnam sein, für den zu sorgen ich verdammt bin.“
Sein Atem stockt, sein Herz galoppiert. Ihm ist schlecht und er will nichts anderes, als dass diese Nacht und der ganze vermaledeite Alptraum vorbei sein wird. Doch ganz tief im Innern weiß er, dass er im Grunde erst anfängt.
„Du wirst also nicht kneifen?“ Dieses Mal klingt Dumbledore tatsächlich etwas amüsiert und Severus beißt seine Zähne zusammen, um nicht noch eine dumme Antwort zu geben. Der alte Mann nickt, dreht sich um und verlässt mit schlurfenden Schritten den Saal. Der Tränkemeister weiß, dass es das letzte Mal sein wird, dass er ihn sieht, ohne ihn mit einem Zauberstab zu bedrohen.
„Ich werde nicht kneifen“, sagt er, wohl eher um sich selbst zu überzeugen, und sieht Dumbledore lange Zeit nach.
Er ist wieder alleine mit dem Spiegel, der hinter ihm steht und ihn wortlos neckt. Ihn auffordert, nicht so feige zu sein.
„Also gut“, murmelt er und dreht sich um.
Im ersten Moment sieht er nur sich selbst, seine Gestalt verzerrt und hager und blass. Er kneift die Augen zusammen, beugt sich etwas nach vorne. Die Umrisse einer Person zeichnen sich ab, so klar und fließend, dass die Staubschicht scheinbar vor Ehrfurcht flüchtet. Eine glatte, reine Oberfläche gibt den Blick frei auf eine Frau. Hochgewachsen, stolz. Sie hat ihm den Rücken zugewandt, sieht auffällig in eine andere Richtung ohne ihn zu bemerken. Ihre braunen Haare liegen lose auf ihrem Rücken, ihre zierlichen Hände liegen in gefalteter Weise vor ihr und sie scheint nach etwas zu suchen. Dann dreht sie sich zu ihm, fast zufällig, sieht ihm genau in die Augen, als ob sie ihn das erste Mal sehen würde. Als wäre sie die Einzige überhaupt, die ihn wirklich sehen konnte.
Als wäre sie die Einzige, die wusste, das seine Seele noch nicht tot und abgestorben ist.
Sie nickt ihm zu, lächelt und wendet sich wieder ab.
Severus tut es ihr gleich.
Als er den Saal verlässt, weiß er, dass er den Blick in den Spiegel nicht benötigt hätte. Seit jeher weiß sein Herz ganz genau, was sein tiefster innigster Wunsch ist und sorgt zu seinem Leidwesen wohl auch dafür, dass er es nie vergessen wird.