Dec 03, 2006 14:13
"...dafür ist die Welt zu groß!" Zitat aus "Der Hauptmann von Köpenick"
Ich war gestern im Theater. War ne Idee meines kleinen Bruders. Jaaaa, wirklich. Mein kleiner Bruder, 17 ist er, hatte die Idee, dass wir doch mal wieder in Familie ins Theater gehen könnten *umfall*. Fangfrage: Was ist falsch an diesem Bild?
Wie auch immer. Er hat sich den "Hauptmann von Köpenick" ausgesucht.
Es war ein sehr gutes Stück. Besser noch, als ich gedacht hatte.
Es geht um den armen Schlucker Wilhelm Voigt, der in Berlin der Jahrhundertwende aus dem Gefängnis kommt (15 Jahre wegen Diebstahl) und nun versucht, einen Pass zu bekommen. Er geht ins Landratsamt, doch dort wird er wieder davon gejagt mit dem Ausruf "Keine Arbeit, kein Pass". Also versucht er eine Arbeit zu bekommen, wird aber wiederum fortgeschickt, frei nach dem Motto "Kein Pass, keine Arbeit".
Er ist ein sehr symphatischer Held, der Voigt, wird jedoch immer verzweifelter und verzweifelter, bis er auf die Idee kommt, im Polizeirevier einzubrechen, um sich einen Pass zu klauen.
Natürlich wird er geschnappt. Er kommt wieder ins Gefängnis für zehn Jahre und als er wieder rauskommt, fängt das ganze Spiel von vorne an. Kein Pass, keine Arbeit und umgekehrt. Das Resultat: Ihm wird die Aufenthaltserlaubnis entzogen für Berlin und er wird ausgewiesen.
Was folgt, ist eine Szene, die mich total berührt hat. Voigt ist bei seinem Schwager und unterhält sich mit ihm. Der Schwager, der Soldat Hoprecht, wurde bei einer Beförderung übergangen. Er sagt, das sei eben die Ordnung der Welt und es entbrennt eine hitzige Diskussion zwischen den beiden. Voigt sagt, die Ordnung ist nicht richtig, so wie sie ist, Hopprecht hält entgegen.
Ich werde mal einige Stellen zitieren, dich ich besonders einprägsam fand (ja, ich hab mir das Buch zugelegt :-D):
Hoprecht: 'n Mensch biste überhaupt nur, wenn du dich in ne menschliche Ordnung stellst. Leben tut auch ne Wanze.
Voigt: Richtig! Die lebt, Friedrich! Und weißte auch, warum se lebt? Erst kommt die Wanze, dann die Wanzenordnung! Erst der Mensch, dann die Menschenordnung!
Hoprecht: Du willst dich nicht unterordnen, dat isse's! Wer'n Mensch sein will - der muss sich unterordnen, verstanden?
Voigt: Unterordnen. Jewiß! Aber unter wat drunter?! Det will ick janz jenau wissen! Denn muss de Ornung richtig sein, Friedrich, det isse nich!
Etwas später:
Voigt: Vorhin - aufn Friedhof - wie de Brockn aufn Sarch runterjekullert sind - da hab ick's jehört - da war se janz laut, war se -
Hoprecht: Wer? Was haste jehört?
Voigt: De innere Stimme. Da hatse jesprochen, du und da is alles totenstill jeworden in de Welt, und da hab ick's vernommen: Mensch, hatse jesagt - einmal kneift jeder'n Arsch zu, du auch, hatse jesagt. Und denn, denn stehste vor Gott dem Vater, stehste, der alles jeweckt hat, vor dem stehste denn, un der fragt dir ins Jesichte: Willem Voigt, wat haste jemacht mit dein Leben? Und da muss ick sagen - Fußmatte, muss ick sagen. . Die hab ick jeflochten im Jefängnis, und denn sind se alle druff rumjetrampelt, muss ick sagen. Und zum Schluss haste jeröchelt und jewürcht um det bißchen Luft und denn wars aus. Det sagste vor Gott, Mensch. Aber der sagt zu dir: Jeh wech! sagt er! Ausweisung! sagt er! Dafür hab ick dir det Leben nicht jeschenkt, sagt er! Det biste mir schuldig! Wo is et? War haste mit jemacht?! ... Und denn, Friedrich - und denn is et wieder nischt mit de Aufenthaltsgenehmigung.
Wow!
Ich habe geweint im Theater. Das war so ergreifend so perfekt dargestellt, dass mir echt die Tränen gekommen sind.
Auf jeden Fall entwickelt er den Plan, sich als Hauptmann verkleidet ins Rathaus zu schmuggeln, was ihm auch gelingt. Allein wegen der Uniform und seinem militärischen Rumgebrüll tanzen alle plötzlich nach seiner Pfeife. Sein einziges Ziel war dabei die Beschaffung eines Passes, mehr nicht. Doch leider muss er feststellen, dass das zuständige Amt für Pässe nicht in diesem Gebäude ist. So geht die ganze Sache daneben.
Im Nachhinein stellt er sich unter einer Bedingung: Wenn er aus dem Gefängnis wieder rauskommt, WILL ER EINEN PASS!!!
Also ein Theaterstück, wie es besser nicht sein könnte. Lustig und ergreifend. Und wenn ich mal die Tatsache verdränge, dass Basti die ganze Zeit rumgestöhnt hat, dass ihm sein Hinter weh tut *umfall*, war es ein genialer Abend gewesen!
rl,
stuff