Eindeutschung und Integration - Name oder Gesicht?

Jul 23, 2013 11:34

Пост специально написан на немецком.

Was ist wichtiger bei einem Menschen, der Name oder das Gesicht?

Ich möchte, dass mein Freund eine Namensänderung macht und seinen Namen "eindeutscht". Er soll seinen russisch klingenden Vornamen gegen etwas für deutsche Ohren weniger Exotisches eintauschen - Yevgenii zu Eugen ändern. Das liegt auf der Hand und ist eine sehr einfache, schnelle und billige Prozedur, die normalerweise beim Einbürgern vollzogen wird oder später jederzeit nachgeholt werden kann. Damit ist er auch einverstanden und hat bereits einen Termin vereinbart.

Was allerdings viel schwieriger ausfällt, ist die Änderung des Nachnamens. Die amtliche Regelung ist da sehr strikt und hat, wie erwartet, viel mehr Wenn und Aber als erlaubte Dinge. Es gibt zwei Wege - die "Eindeutschung" und die Namensänderung, die auch ein Nicht-Ausländer machen könnte. Man kann den Nachnahmen anscheinend aber nur dann ändern (außer bei Heirat), wenn man einen sehr triftigen Grund dafür hat. Ein Nachname, der deutscher klingen soll, ist wohl nicht Grund genug. "Eindeutschen", wie den Vornamen, kann man den Nachnamen nicht so einfach. Man kann nur ein, zwei Buchstaben ändern, hier und da ein Y wegnehmen, ein -n bei -man hinzufügen oder so etwas Ähnliches. Man darf allerdings nicht ein Stück des Nachnamens abschneiden, um z.B. aus Goldinsky Gold zu machen. Das geht vielleicht bei Russlanddeutschen, aber nicht bei allen anderen Ausländern, kenne mich da nicht aus. Der Nachname muss von Klang und Bedeutung erhalten bleiben. Man darf auch nicht einen komplett anderen Namen annehmen, auch wenn es der Mädchenname der Mutter ist, weil auch das Argument nicht gut genug ist, dass man den Namen einfach erhalten möchte. Der Nachname des Vaters wird von anderen Erben, Neffen etc., weitergegeben, der Mädchenname der Mutter, den sie übrigens bei der Heirat nicht abgelegt hat, kann nur vom einzigen Sohn am Leben gehalten werden. Das überzeugt die deutschen Behörden nicht. Ein guter Grund wäre laut Standesamt z.B. ein unglücklicher Name wie Herr Fick, Axel Schweiß, etc. Alles, womit man gemobbt werden kann und was psychische Probleme verursachen kann. Ich bin mir sicher, dass man in einem solchen Fall noch ein Gutachten vom Psychologen beilegen müsste, dass der Name wirklich ein Problem darstellt. Gibt man allerdings als Grund an, dass man mit einem ausländisch klingenden Namen eventuell bei der Arbeit oder sonstwo benachteiligt sein könnte, gilt das nicht. In Deutschland gibt es ja offiziell keine Ausländerfeindlichkeit, alle sind freundlich und integriert.

Das erinnert mich sofort an den Vorfall vor 6 Jahren. Bei der Einbürgerung in 2004 habe ich den Vatersnamen nicht in den Pass reingeschrieben bekommen. In 2007 beantragte ich einen neuen Reisepass und siehe da, der Vatersname stand drin. Ich zeigte meine Geburtsurkunde, wo stand, dass der Vatersname entfällt. Aber das Standesamt zwang mich, die Geburtsurkunde neu übersetzen zu lassen, natürlich auf meine Kosten. Ich habe damit argumentiert, dass ich deutsche Staatsbürgerin bin, dass der Vatersname in Deutschland nicht geführt wird, dass er bei meinem sonst deutsch klingenden Namen seltsam aussieht und zu Fragen führt, aber nichts half. Das Lustigste dabei war, dass der Name meines Vaters bei der Einbürgerung "eingedeutscht" worden ist und ich somit einen neuen Vatersnamen hätte, der aus dieser "eingedeutschten" Version gebildet wurde. Liebes Standesamt, das ist nun wirklich absurd. Ich machte also eine Namensänderung auf eigene Kosten, mir ging es ums Prinzip.

Das Argument meines Freundes, das er sich nun nach allen Debatten und E-Mails mit dem Standesamt zurechtgelegt hat, lautet, dass wir trotz eines deutschen Namens nicht deutsch aussehen und es nie werden. Es hat also keinen Sinn, sich wochenlang mit den Behörden anzulegen, viel Geld zu bezahlen, um dann trotzdem gefragt zu werden, woher wir denn ursprünglich kommen. Bin ich damit einverstanden? Ja und nein.

Ich gebe ihm völlig Recht, dass unser exotisches Aussehen immer wieder zu Nachfragen führt. Da wir aber auch nicht wie typische Russen oder Ukrainer aussehen, verwirrt das sehr. Die meisten wundern sich, wenn sie eine wahrheitsgemäße Antwort bekommen, und fragen weiter nach, warum wir denn keine typischen Iwan- und Natasha-Gesichter haben, wie ein aufrichtiger Deutscher sich die eben vorstellt. Spätestens ab hier habe ich keine Lust mehr und bin nicht mehr so freundlich, weil ich es nicht einsehe, jedem Fremden meine Herkunft erklären zu müssen. Wenn ich zurückfrage, was mein Gegenüber denkt, aus welchem Land könnte ich stammen, kommt meistens die Türkei in Frage. Das will ich auch nicht zu oft hören, weil dann sich die Türkenklischees überschlagen. Was ich in letzter Zeit am meisten antworte, sind Länder wie Italien, Spanien, Griechenland, Portugal, Rumänien. Da reagieren die Leute komischerweise entspannter drauf. Und falls mich einer nach der Sprache fragt, sage ich, dass ich sie nicht so toll beherrsche, weil ich hier geboren wurde.

Ich spreche akzent- und fehlerfreies Deutsch, ich kenne die Deutschen und weiß, wie sie ticken. Und trotzdem, in fast jedem Gespräch mit jemandem, den ich nicht kenne, kommt irgendwann die Frage, woher ich komme. Und das wird auch eine Namensänderung in Lieschen Müller nicht verändern. Vielleicht hat mein Freund ja Recht, wir können heißen wie wir wollen, aber man schaut eben aufs Gesicht, nicht auf den Ausweis.

Aber mir geht es ums Prinzip. Ich möchte die Möglichkeit haben, komplett - sprachlich, namentlich, kulturell - integriert zu sein. Weder mein Freund noch ich haben uns die Emigration ausgesucht, unsere Eltern haben die Wahl für uns getroffen. Aber wir sind hier aufgewachsen, finden das Land schön, wollen hier leben und arbeiten. Ist es nicht das, was die Behörden von uns Ausländern wünschen? Aber warum legen sie uns dann so viele Steine in den Weg? Die Deutschen mögen einfach keine Ausländer. Sie lachen solange gerne über Künstler, wie sie Türken, Russen und andere bloßstellen, aber wenn ein Kaya Yanar die Deutschen auslacht, lachen sie nicht mit. Nach fast 20 Jahren hier bin ich nicht mehr richtig Ukrainerin, dafür war ich zu klein bei der Emigration. Ich bin aber auch nicht wirklich Deutsche, ich fühle mich nicht deutsch, wenn ich erklären muss, woher ich komme. Es ist wieder ein Beweis, dass wir Menschen zwar alle gleich sind, aber manche sind doch gleicher als andere. Und dass Deutschland in Sachen Integration zwar öffentlich schon teilweise zu weit gegangen ist, aber in den Köpfen die Ausländerfeindlichkeit und das Misstrauen herrschen. Und das wird so bleiben.

deutsche sprache, размышления, эмигранты

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