Titel: Müde bin ich, geh' zur Ruh'
Schreiberling:
agadinmarFandom: Fluch der Karibik
Pairing: Jack Sparrow/James Norrington
Wordcount: 1.345
Prompt: 89. Arbeit
A/N: Ein Schelm, wer Böses dabei denkt ;D
Summary: Ein schlafloser Pirat und eine eigenwillige Therapie
Die Geschichte habe ich auf meinem USB-Stick wiedergefunden - geschrieben vor über einem Jahr. Warum ich sie nicht gepostet habe, weiß ich nicht (Vielleicht habe ich das sogar und finde lediglich den Link nicht mehr).
Seine Finger gleiten über den schlüpfrigen Flaschenhals, bringen die bauchige Flasche zwischen zwei teuren Kissen zur Ruhe, während die Mischung aus warmen Rum und schweren Gewürzen auf seiner Zunge brennt. Mit dem Handrücken streicht er ein paar kitzelnde Strähnen aus der Stirn und schiebt das verschwitzte Kopftuch weiter hinauf.
Die Beherrschung fällt ihm zunehmend schwerer, je länger er in Norringtons verschwitztes Gesicht blickt und so schließt er für wenige Minuten die Augen.
Alles in ihm kribbelt, putscht ihn gegen seine Erschöpfung auf, und eigentlich hätte er Norrington längst wegschicken sollen, doch aus irgendeinem Grund, den er nicht ganz versteht, kann er es nicht. Dabei weiß er genau, dass dies weder die erste, noch die letzte Nacht ist, die er in seiner Gesellschaft verbringt.
Der Rum hat ihn nachsichtig gestimmt, beruhigt ihn, wie er es schon seit Jahren kann, und entwirrt seine Gedanken. Langsam lösen sich die grauen Nebelschwaden in seinem Kopf und formen sich zu den sturmgrauen Augen, die ihn schon den ganzen Nachmittag verfolgen. Herausfordernd. Unnachgiebig. Stark.
Mit einem Seufzer lässt sich Jack zurück in die weichen Daunen sinken. Indische Seide und feine Stickerei, Kissen, die noch den Duft vom Ende der Welt tragen, versinken völlig im Schatten des vor ihm knienden Mannes, den er nicht leid wird zu betrachten.
Es sind seine Augen, denkt er und muss Lächeln. Die Meerwasseraugen, die sie zu all dem getrieben haben, weil sie Botschaften schleudern, wie andere Männer Messer. Nur, dass sie ihr Ziel nie verfehlen und sich sogar von hinten in seinen Kopf, in seine Gedanken bohren können. Sogar im Schlaf kann er sie spüren.
Darum will er auch jetzt noch nicht schlafen, obwohl er so schläfrig ist, dass ihn nicht mal Kanonenfeuer wach halten würde.
Jack legt den Kopf schief, wie er es immer macht, wenn seine Gedanken rasen, und er fragt sich ein weiteres Mal, welcher Fügung er es verdankt, dass Norrington auf seinem Schiff, in seiner Kajüte ist. Doch eigentlich hat ihn das Warum nie groß gekümmert und so schiebt er auch jetzt die Gedanken beiseite wie lästiges Ungeziefer.
Der Commodore - der frühere Commodore hat den zerlumpten Rest seiner Uniform achtlos in eine Ecke geworfen, ein verdrecktes Häuflein, wie der Commodore selbst. Das ehrenvolle Blau genauso verblasst wie früherer Ruhm, und Jack kann nicht sagen, ob ihm diese neue Ausführung nicht fast besser gefällt.
Schon alleine der Gedanke daran, wer da vor ihm kniet, jagt eine Gänsehaut über seinen Rücken. Fast so, als könne er Gedanken lesen, öffnet Norrington die zerbissenen Lippen und raunt mehr, als dass er spricht: „Ist etwas?“
Schweiß perlt in dicken Tropfen über die Stirn und über gerötete Wangen, verfängt sich in dem losen Haar an den Schläfen. Jack genießt, wie sich die starken Sehnen in Norringtons Armen spannen, starke Seile unter weißer Haut, die nie die Sonne gesehen hat, aber ein paar ansehnliche Muskeln versteckt.
Jack findet, dass Norrington sehr gut hier her passt, auf Händen und Knien. So viel besser als jeder andere seiner Männer, die ihn nie in solch eine Euphorie versetzen könnten.
Die Arme zucken, vibrieren unter seinem Gewicht als er Jacks Blick erwidert, natürlich ohne seine Bewegungen zu verlangsamen oder gar innezuhalten. Er weiß, dass Jack ihn beobachtet, jede Bewegung aufsaugt wie ein Schwamm - und Jack weiß, dass er es weiß und genießt es umso mehr. Nie würde Norrington Schwäche zeigen. Nicht hier und schon gar nicht vor ihm.
„Was denn, Sparrow?“, stöhnt er erneut, untermalt von zwei tiefen Atemzügen.
Die gepressten Worte lassen Jack Grinsen. Frischer Schweiß durchwebt die Luft, drängt sein Aroma zwischen Kerzenwachs, Rum und Gewürze, und für einen Augenblick driftet er komplett davon, versinkt in dem unbekannten Meer aus Gerüchen.
Warm und entspannt fühlt er sich, ganz leicht und berauscht zu gleich, und es dauert, bis er dieses neue Gefühl zuordnen kann. Macht, flüstert es in seinen Gedanken. Eine diebische Freude beschleicht ihn, als er seine Augen erneut über Norringtons verschwitzen Körper wandern lässt. Auf Händen und Knien gebeugt, die Haare ein wildes Vogelnest, ist er die Seele aller Schätze und fordert Jack geradezu heraus.
Jack leckt sich über die Lippen, wartet noch einen endlosen Moment ehe er schließlich antwortet. Geduld fiel ihm nie besonders leicht, doch diesmal hat er die Ungewissheit in Norringtons Augen, die er gerne noch ein wenig hinauszögern möchte. Dieser Blick gefällt ihm.
Langsam lehnt er sich vor, stützt sich auf seine Ellen und lächelt ihn an. „Härter.“
Seine Stimme ist dunkel und rollt wie ein ferner Donner durch den kleinen Raum. Er ist überrascht wie überzeugend er klingt, sogar in seinen eigenen Ohren. Ein Wort umhüllt einen Befehl, der keinen Widerspruch duldet.
Norringtons Finger graben sich tief in das Tuch, weiße Knöchelchen blitzen als Kronen durch den Dreck als er sich wortlos fügt. Hektische Flecken erblühen auf seinen Wangen, kriechen hinab bis zu seinen Schultern, und sein Atem verwandelt sich in ein rastloses Keuchen.
Mit einem Mal ist das spröde Japsen das einzige was er hört, als würde es das Meeresrauschen, die Stimmen an Deck und das Geschrei der Möwen einfach ausblenden.
Jack fragt sich, wo Norrington die Kraft hernimmt und ist versucht, ihn ein weiteres Mal herauszufordern, noch weiter zu treiben, doch stattdessen presst er die Lippen zusammen und schweigt.
Draußen ist es bereits dunkel und das Kerzenlicht macht die Erschöpfung in Norringtons Zügen nur noch deutlicher. Die feinen Linien um Augen und Mund scheinen zu verschwimmen und Jack weiß, dass Norrington es nicht mehr lange aushalten wird. Und eigentlich will er das auch gar nicht.
„Commodore“, neckt er, nur zu genau wissend, wie sehr es ihn reizt. Sein alter Rang wirkt wie ein geheimes Signal, das die Bewegung noch ruppiger, noch schneller werden lässt, als müsse er Jack etwas beweisen.
Kichernd räkelt sich Jack auf den bequemen Laken, als er sieht wie gut sich die ewigen Marionettenfäden immer noch ziehen lassen, und er rutscht zum Rand der Bettstatt. Sein Kopf dreht sich im leichten Schwindel von zu viel Rum und zu wenig Schlaf, doch er schafft es sich aufzusetzen. Dann steht er auf, balanciert über den glänzendfeuchten Holzboden und geht vor dem knienden Commodore in die Hocke. Mit einem Goldzahngrinsen entwindet er den alten Putzlumpen aus Norringtons verkrampften Fingern, streicht fast sanft über das heiße Fleisch der wunden Fingerkuppen.
„War das - alles, Sparrow?“ Seinen Namen rotzt er ihm fast entgegen, doch auch das kann über das laute Keuchen nicht hinwegtäuschen und die roten Augen funkeln eher matt, denn wütend.
Amüsiert sieht Jack wie die Oberarmmuskeln unter den aufgerollten Hemdsärmeln flattern, ein Zittern, das sich bis in die aufgeweichten Finger erstreckt. Auch wenn Norrington es verstecken will, ist seine Müdigkeit nicht zu übersehen. Heute Nacht wird ihn die Erschöpfung wahrscheinlich länger schlafen lassen, als je zuvor in seinem Leben. Und wenn Norrington schläft, dann kann auch Jack schlafen.
Gibbs schiebt sich an ihm vorbei und zieht Norrington auf die Füße, stützt ihn als der große Mann taumelt. „Komm, Jung. Da braucht wer `ne Mütze Schlaf. Komm, komm.“
Norrington hängt an Gibbs fetter Schulter wie ein Ertrinkender an einem Floß und lässt sich zur Tür ziehen, und Jack ist froh, dass Gibbs ihm die Arbeit abnimmt. Dann geht er zurück zu seinem Bett und zieht die Flasche Rum zwischen den Kissen hervor. Mit geschlossenen Augen nimmt er einen großen Schluck und hört nur, wie Kajütentür ins Schloss fällt.
Zufrieden wirft er sich auf sein Bett, macht sich nicht einmal die Mühe, die schweren Stiefel auszuziehen, sondern sinkt einfach in die herrlich weichen Kissen. Gibbs hat Recht, ein paar Stunden Schlaf wären himmlisch.
Er dämmerst bereits als sich die Holztür zu seiner Stube ein noch einmal öffnet und Gibbs bulliges Gesicht hereinlugt.
„Man könnt’ fast meinen, du hätt’st stundenlang das Deck schrubben müssen.“ Das Gebrabbel nimmt er nur ganz am Rande war und auch die rauen Hände, die ihm die dreckigen Stiefel von den Füßen ziehen und zudecken, spürt er kaum noch. Mühsam zwinkert er und will Gibbs wegschicken, doch dieser schüttelt den Kopf und nimmt die leere Rumflasche aus seinen Händen.
„Schlaf jetzt, Jack“, brummt Gibbs und wendet sich zum Gehen: „denn wenn du nich’ geschlafen has’, bist du ein rechter Teufel.“