Faraway: Old Wives' Tale

Mar 26, 2009 10:38

Sam war unendlich erleichtert, als Hope ihn wieder zu seinem Bruder lies und dabei erklärte, dass es diesem soweit gut ging. "Ich habe ihm ein starkes Beruhigungsmittel gegeben. Er wird jetzt eine Weile schlafen." Tatsächlich wirkte Dean friedlich und entspannt, die ständigen Furchen der Sorge waren verschwunden und Sam konnte auch keine Spur mehr von Schmerz entdecken. Er wirkte um Jahre jünger und... harmlos, unschuldig. Zwei Attribute, die er niemals auch nur im selben Satz mit dem Namen seines Bruders nennen würde. Sam wunderte sich, wie Dean wohl wäre, hätten sie ihre Mutter niemals verloren. Sanft? Freundlich? Offen?

"Wie geht es dir, Sam?" riss ihn Hopes Stimme aus seinen Gedanken. Der jüngere Winchester antwortete nicht sofort und sein Zögern entging ihrer Gastgeberin nicht. "Was ist es, Sam?"
"Ich...", der jüngere Jäger seufzte. Wie konnte er Hope erklären, dass er eine 'böse' Stimme in seinem Kopf hatte, ohne dass sie ihn für durchgeknallt hielt? "Ich glaube, irgendetwas geschieht mit mir..."
"Wie meinst du das?"
"Irgendjemand, oder -etwas, versucht mich zu beeinflussen. Teilweise recht erfolgreich, wie ich leider zugeben muss..."
Hope nickte nachdenklich.
"Entschuldige bitte mein Verhalten von vorhin... bevor du mich ruhiggestellt hast."
Hope nickte erneut.
"Es ist... wie eine Stimme. Wie mein Gewissen, nur etwas deutlicher. Das macht es nicht gerade leicht, die fremden Impulse auch als solche zu identifizieren", sagte Sam entschuldigend.
Hope konnte ein Lächeln nicht ganz unterdrücken. Jeder Andere wäre wohl an Sams Stelle ausgeflippt, aber der jüngere Winchester sprach darüber, als würde er ein Buch analysieren, als wäre es etwas alltägliches, fremde Stimmen in seinem Kopf zu hören. Das sagte einiges über sein bisheriges Leben aus... "Wie klingt diese Stimme? Kannst du sie mir beschreiben?"
"Meistens wie Dad, manchmal auch wie Dean oder ich selbst."
Hope runzelte nachdenklich die Stirn. Das half ihnen leider auch nicht weiter. Im Stillen ging sie alle Wesen durch, die soetwas bewerkstelligen konnten, aber es war Sam, der den entscheidenden Einfall hatte und sie auf die richtige Idee brachte.
"Wir müssen herausfinden, wo dieses Ding ist. Ob es in mir ist, ob es nur mental mit mir kommuniziert oder ob es überhaupt einen Körper hat."
"Gut", sagte Hope, "komm, leg dich hin." Sie deutete auf die ausgezogene Couch.

Sam kam ihrer Aufforderung mit gemischten Gefühlen nach. Er war zwar neugierig, was jetzt passieren würde. Allerdings hatte er auch ein wenig Angst davor. Hope setzte sich neben ihm auf das Bett und sagte leise: "Ich würde ja eigentlich lieber damit warten, bis Dean wieder aufgewacht ist..." "Wenn er wieder aufwacht. Wer weiss, was sie ihm gegeben hat. Sie will nur mit dir alleine sein. So bist du eine leichtere Beute." Sam versuchte die Stimme zu ignorieren und sagte stattdessen zu Hope: "Aber die Zeit haben wir vielleicht nicht." Er versuchte so entschlossen wie möglich zu klingen, auch wenn die Stimme in seinen Gedanken recht haben konnte. Aber Sam wollte nicht darüber nachdenken. Das Pochen in seinem Kopf war mit alter Vehemenz zurück und irgendetwas in ihm war sich sicher, dass die Kopfschmerzen nichts mit seiner Gehirnerschütterung zu tun hatten. "Ich bin bereit. Fangen wir an. Was muss ich tun?"

Unter Hopes Führung entspannte sich der jüngere Winchester, obwohl er das gar nicht für möglich gehalten hatte. Dann richtete er seine Sinne, seine gesammte Aufmerksamkeit nach innen. Lange Zeit tat sich gar nichts. Sam atmete ruhig, fühlte in sich hinein, sämtliche Anspannung verschwunden. Er hatte ein wenig Angst einzuschlafen, aber dann war sie wieder da, die Stimme. Dieses Mal klang sie wie sein Vater. "Du darfst ihr nicht die Kontrolle überlassen." John sagte noch mehr, aber Sam schenkte den Worten keinerlei Aufmerksamkeit. Stattdessen konzentrierte er sich auf den Ursprung. Erst ganz leicht, dann, als der jüngere Winchester alle seine Sinne darauf konzentrierte, immer deutlicher konnte er die Anwesenheit einer anderen Präsenz spüren. Sobald er sich sicher war, deren Ursprung lokalisiert zu haben, versuchte Sam wieder aufzuwachen. Er musste es Hope erzählen.

"In deinem linken Ohr also?" Hope runzelte die Stirn und fühlte Sorge in ihr aufsteigen. Das gefiehl ihr gar nicht. Sam nickte und präzisierte seine Aussage: "Aber ganz tief drinnen." Hope seuftzte und stand auf. Sie ging zu Deans Bett, kontrollierte die Monitore und versuchte ihre Gedanken zu ordnen. Als sie sich wieder zu dem jungen Mann umdrehte, hatte der sich aufgesetzt, die Füße auf den Boden gestellt, die Hände in seinen Schoß gelegt und beobachtete sie aufmerksam. "Hast du irgendeine Idee, was das sein könnte?" Hope seuftzte erneut, überprüfte die Einstellung des Tropfs und sagte dabei: "Ich fürchte ja." Sie verschränkte die Arme vor der Brust und drehte sich zu Sam, wollte seine Reaktion auf ihre nächsten Worte sehen: "Ich denke, du weißt, was ein Ohrwurm ist?" Auf dem Gesicht des jungen Mannes spiegelte sich Verwirrung und Erstaunen. Dann kam Zweifel hinzu und Hope ergriff erneut das Wort: "Ja, ich meine die länglichen, ekelhaften Käfer mit dem Öhr hinten dran. Du kennst sicherlich die Geschichten, wonach die Dinger dir ins Ohr kriechen und Eier legen oder gleich das Gehirn auffressen. Wie jede Geschichte steckt auch hier ein Fünkchen Wahrheit dahinter. " Sie konnte richtig dabei zusehen, wie die Farbe aus Sams Gesicht entwich. Angeeckelt blickte er sie an und Hope setzte sich wieder neben ihn, nahm seine Hand und fuhr fort, obwohl sie lieber andere, tröstendere Dinge gesagt hätte: "Ich habe schon von bösen Gestalten gehört, die diese oder ähnliche Käfer nutzen, um die Kontrolle über jemanden zu übernehmen. Sie stellen eine Verbindung zwischen sich und dem Tier her und lassen es dann ins Ohr ihres Opfers kriechen. Von dort aus verrichtet es dann sein eckelhaftes Werk." Sam mußte unwillkürlich an die Würmer denken, mit denen Khan Noonien Singh im zweiten Star Trek Kinofilm Checkov und noch irgendeinen Föderations-Captain unter seine Kontrolle gebracht hatte. Und er erinnerte sich auch daran, daß der Wurm wieder aus Checkov herausgekommen war. "Wie werde ich das Ding wieder los?" Hope sah die Hoffnung im Blick des Jungen und fühlte ihr eigenes Herz schwer werden. Sie hatte keine Ahnung. Offensichtlich deutete Sam ihr Schweigen richtig, denn er atmete ein Mal tief durch und sagte dann: "Wie ist das Ding überhaupt in mein Ohr gekommen? Ich denke hier ist das nicht passiert, oder?" Sie schüttelte bestimmt den Kopf und der jüngere Winchester fuhr fort: "Also wahrscheinlich in der Höhle... Meinst du, dieser Homo frigus war auch davon befallen? Werde ich zu so einem Wesen werden, wenn wir den Käfer nicht aus meinem Kopf bekommen?" Hope runzelte die Stirn. "Warte Sam..." Er hatte gerade etwas gesagt, das sie vielleicht benutzen konnte... Wenn dieses Insekt wirklich in dem Ding in der Höhle gewesen war, warum hatte es dann seinen Wirt verlassen? Wegen der Flammen? Nein. Es mußte vorher aus dem Ohr gekrochen sein, sonst wäre es im Feuer verbrannt. "Sam, ich habe eine Idee. Aber sie wird dich nicht gefallen."

Dean fühlte sich so richtig wohl. Er schlief nicht, er döste nur ein wenig, aber vielleicht war ja gerade das der Grund für seine gute Stimmung. Das Bett war warm und weich und so richtig gemütlich, wie ein Bett eigentlich nur sein konnte, wenn man schon vor fünf Minuten aufgestanden sein sollte. Er fühlte kaum Schmerzen, nur ein dumpfer Druck bei jedem tieferen Atemzug. Deswegen hatte er schon vor einer Weile bekonnen, nur mehr flach zu atmen. Und dann waren da noch die Stimmen von Hope und seinem Sammy. Irgendwo ganz in der Nähe unterhielten sie sich leise. Er verstand die Worte nicht, alles drang nur gedämpft an sein Ohr. Aber er konnte sich kaum ein entspannenderes Geräusch vorstellen. Seinem Bruder ging es gut, also ging es Dean selbst auch gut. Manche Dinge waren doch so simpel. Auch wenn der ältere Winchester es eigentlich nicht wollte, so fühlte er doch, wie er langsam von den Tiefen seines Halbschlafes langsam an die Oberfläche zurück trieb. Gesprächsfetzen drangen bis zu seinem Gehirn vor, obwohl er mit ihnen nicht viel anfangen konnte. Sammy und Hope sprachen über Insekten. Seltsam. Dean versuchte wieder einzudösen, war noch nicht wieder bereit aufzuwachen. Dann hörte er Hope sagen: "Du mußt sterben." Mit einem Mal war er wach. Er erinnerte sich an etwas, das Sam zu ihm gesagt hatte. Sein kleiner Bruder hatte versucht ihn davor zu warnen, daß ihre Gastgeberin ihnen Böses wollte. Er hatte das als Hirngespinst abgetan - oh, verdammt! Warum hatte er nicht auf Sam gehört? Wie immer hatte sein kleiner Bruder recht gehabt. Dean kämpfte gegen seine Schwäche an, versuchte sich aufzurichten und stellte fest, daß er doch Schmerzen hatten. Und die waren gar nicht ohne...

Sam hörte Hope nachdenklich zu. Ihm gefiehl ihre Idee nicht sonderlich - immerhin beinhalte sie seinen Tod. Aber er mußte ihr doch auch recht geben. Wenn das Ding nicht zufälligerweise noch im äußeren Gehörgang hockte, würden sie den Käfer nicht mit einer Pinzette greifen können. Und ganz ehrlich, die Vorstellung, daß ihm Hope den Kopf aufsägte um an das Tier zu kommen, war noch unangenehmer. Sam saß vollkommen still da, als Hope mit einem Otoskop in sein Ohr hinein schaute. Der jüngere Winchester hoffte inständig, daß sie den Käfer sehen würde. Bitte, bitte, bitte. Nur dieses eine Mal will ich Glück haben. Hope zog das Gerät wieder heraus, schüttelte den Kopf und Sams Hoffnung schwand. "Es tut mir leid, da ist Nichts. Allerdings habe ich die Stelle gesehen, an der der Ohrenkäfer durch dein Trommelfell durch ist. Somit haben wir jetzt wenigstens Gewißheit, womit wir es zu tun haben." Na toll. "Und was jetzt?" Sam wischte sich die plötzlich feucht gewordenen Handflächen in einer nervösen Geste an seiner Jean ab. "Jetzt werden wir alles für dein kontrolliertes Ableben vorbereiten." Der jüngere Winchester schluckte. Er hatte kein gutes Gefühl bei der Sache und die Stimme in seinem Kopf war inzwischen wieder lauter geworden. Ein Klappern lenkte seine Aufmerksamkeit in den anderen Bereich des Zimmers, wo sein Bruder lag - liegen sollte. Denn Dean lag nicht mehr im Bett. Er hatte sich aufgesetzt und war gerade im Begriff aufzustehen. Der Schlauch vom Tropf baumelte frei, Dean hatte ihn offensichtlich aus seinem intravenösen Zugang entfernt, aber der ältere Winchester hing noch mit dem Drainage-Schlauch am Bett fest, wie ein Hund an einer kurzen Leine. Sam sprang auf und war deutlich vor Hope bei dem schwankenden Jäger angekommen. "Sammy... du darfst nicht... sie will dich töten!" stammelte Dean, als sein kleiner Bruder ihn stützte und vorsichtig wieder zurück aufs Bett drückte. Der ältere Winchester gab langsam nach, setzte sich wieder hin, lies Hope allerdings nicht aus seinen Augen. Sein Atem kam in Stößen, seine Hände waren zu Fäusten geballt, sodaß die Knöchel weiß hervortraten. Sam war klar, daß sein Bruder starke Schmerzen haben mußte, aber was auch immer er von ihrer Unterhaltung mitbekommen hatte, er mußte es in den falschen Hals bekommen und eigene Schlüsse daraus gezogen haben, denn Dean wirkte hochgradig aufgeregt.

Dean schien nur mehr aus Schmerzen zu bestehen, aber er mußte Sammy beschützen. Nur dieser Gedanke hielt ihn noch aufrecht. Sein kleiner Bruder legte einen Arm um ihn und sprach leise auf ihn ein. "Dean, hör mir zu und beruhige dich wieder. Hope will mich nicht umbringen. Da ist etwas in meinem Kopf. So etwas wie ein besessener Käfer. Das Ding versucht mich zu kontrollieren und ich weiß nicht, wie lange ich mich noch dagegen wehren kann. Erinnerst du dich noch an den Homo frigus? Wenn du nicht willst, daß ich so ende, müssen wir den Käfer loswerden. Aber das geht nur, wenn das Ding glaubt, daß ich im Sterben liege!" Homo frigus? Ah, der Eissiedler. Dean hätte sich denken können, daß Sam dem Wesen so einen streberhaften Namen gegeben hatte. Er fand seine eigene Kreation weitaus cooler. "Sammy..." Dean blickte seinem Bruder in die Augen und versuchte zu erkennen, wie ernst es ihm war. "Du willst das wirklich..." Sam nickte. "Hope wird alles überwachen. Ich schlafe ein, der Käfer kriecht aus meinem Ohr und ihr weckt mich wieder auf. Ganz einfach. Kein Grund zur Sorge." Aber Dean sah das anders.

Kapitel 21»

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