Aug 25, 2008 23:23
Titel: Invidia
Fandom: Tokio Hotel
Charaktere: Bill, Tom, OFC
Sünde: Invidia/ Neid
Word Count: 1090
Rating/Warnings: P16 // nichts, was für P16 ungewöhnlich wäre
Summary: Der Neid anderer...
Ich hasse diesen Tonfall. Es ist der Tonfall, den Frauen immer dann benutzen, wenn sie genau das Gegenteil von dem meinen, was sie sagen. Diese langgezogenen Silben mit diesem Hauch von vorgeschützter Unentschlossenheit, vom Klang her ähnlich leichter Häme, und dazu der schief gelegte Kopf und die großen Augen, mit denen sie einen nie direkt ansehen.
Das Prachtexemplar auf meinem Schoß lächelt dabei auch noch entschuldigend, als hätten wir ein intimes Abkommen: ich lüge dich an, du lügst mich an, wir sind quitt.
„Ja, schon, oder?“, grinst Tom, der eben aus dem Badezimmer kommt, wo er sich Basecap und Bandana umständlich vom Kopf gezerrt hat. Es ist seine Art, einfach irgendeinen Kommentar abzugeben, wenn er in ein offenes Gespräch platzt. Eigentlich meint er „Ich bin da, ich mach jetzt mit“, aber das so zu formulieren würden die meisten Menschen als verrückt und befremdend empfinden. Man darf nie genau das sagen, was man sagen will, liebe Kinder, denn das kauft einem keiner ab. Ehrliche Leute sind Lügner und haben massive psychische Probleme und dürfen nur mit Samthandschuhen und Kneifzange angefasst werden.
Tom hat auf keinen Fall verstanden, was sie behauptet hat, bevor er dazugekommen ist. Nämlich dass sie nicht von den kleinen Goldplättchen beeindruckt ist, die in unserem Schampus schwimmen. Mich beeindrucken sie ehrlich gesagt auch nicht, besser gesagt, nicht mehr. Rührt mir Diamanten in meine Cornflakes und ich tue meinetwegen erstaunt, aber einfaches Blattgold reißt mich schon lange nicht mehr. Ich habe schon genug von dem Zeug zu mir genommen, um Taler zu scheißen.
Ganz nebenbei bemerkt wäre der Verzehr von Diamanten eine interessante Todesart, extravagant und sicher sehr spektakulär, von der Metaphorik ganz abgesehen. Es wäre das buchstäbliche Verrecken am Luxus. Das einzige Problem wären die Schmerzen. So viele Vorteile die Klunker auch haben mögen, mir von ihren scharfen Kanten die Eingeweide zerschneiden zu lassen und innerlich zu verbluten, stelle ich mir nicht besonders angenehm vor.
„Nicht mal ein bisschen neidisch, dass du dir das nicht jeden Tag leisten kannst?“, necke ich sie. Ich bin süß und sie hat genauso süß „doch“ zu säuseln. Und dann könnte ich sie „bitte“ sagen lassen, bevor sie den Champagner von meinen Fingern lutschen darf. In meinem Kopf ist das Drehbuch schon fertig, sie muss nur noch mitspielen.
Aber sie tut es nicht. Sie schüttelt den Kopf und lacht wieder. Sie wiehert nicht mal oder gackert, sondern lacht ein helles, nettes Mädchenlachen. „Weißt du, Süßer“, sagt sie, während sie ihre warmen Hände auf meine Schultern legt, „ich würde nicht berühmt sein wollen. Viel zu viel Stress.“
Langsam werde ich sauer. Was sie da von sich gibt, ist definitiv der falsche Text.
„Du kannst es ruhig zugeben“, gurre ich. Sie kann nicht nur, sie muss.
Statt mir eine Antwort zu geben, dreht sie sich mit dem ganzen Oberkörper zu Tom und meint mit angetrunkenem Nachdruck: „So siehst du viel besser aus.“
„Neben Bill sieht jeder besser aus“, feixt Tom und zwinkert mir zu.
„Wichser“, zische ich zurück, aber nicht wegen dem Witz auf meine Kosten, sondern weil er nicht ein Stück ärgerlich wirkt. Da bringen wir diese Ische in ein Hotelzimmer mit fünf Sternen, kredenzen ihr vergoldeten Champagner und setzen sie auf die Knie des begehrtesten Teenageridols von ganz Deutschland und sie besitzt die Frechheit und tut so, als wäre das alles nicht mehr als ganz nett. Nichts, worauf man neidisch sein müsste.
Tom flakt sich neben mich und lässt sich theatralisch nach hinten fallen, bevor er sich auf seine Ellbogen aufstützt und zu uns hochschielt. „Manchmal wär´ ich auch ganz gern unbekannt. So´n stinknormales Opfer, dass jeden Morgen mit Mamis Rostlaube zur Lehrstelle karren darf und den Bus nehmen muss, wenn sie das Auto zum Einkaufen brauch.“
„Ohhhh“, kichert sie.
„Ja, ne? Und das kein Geld für geile Klamotten hat und das die Freundin mit dem besten Kumpel betrügt, weil es so `nen kleinen Schwanz hat“, suhlt er sich grinsend in Selbstmitleid und sie steigt voll darauf ein. Noch bevor er subtil andeuten kann, dass etwas Trost angebracht wäre, damit der arme, reiche Popstar nicht weinen muss, rutscht sie schon von meinen Knien zwischen seine Beine, macht mit seinen Baggys kurzen Prozess und nimmt ihn in den Mund. Tom keucht genießerisch auf, legt sich flach auf den Rücken und tastet blind nach mir. „So gut“, brabbelt er, als er mein T-Shirt zu fassen bekommt, an dem er mich zu sich nach unten zu ziehen versucht.
Ich wehre mich, indem ich aufstehe, mir die Schampusflasche schnappe und sie auf dem Weg zum Balkon in einem Zug leer trinke. Die Balkontür hat eine dieser Kindersicherungen, mit der nur Erwachsene Probleme haben und die mich erst nach einem kurzen Kampf voller Flüche und der völlig abwegigen Scham, mich vor der Schwanzlutscherin zum Affen zu machen, in die kühle Nachtluft entlässt.
Draußen glitzern die Sterne, von der Straße steigt beruhigender Verkehrslärm auf und im Zimmer tropft das fiepende Stöhnen von Toms rauen Lippen, das von meinen Ohren direkt in meinen Schwanz rauscht. Romantischer geht es kaum.
Ich stelle die Flasche vorsichtig auf das schmale Geländer und begutachte sie lange aus jedem möglichen Winkel und Abstand, bevor ich ihr die Winzigkeit eines Stups verpasse und mich weit vom Balkon lehne, um sie in die Tiefe fallen zu sehen und die Sekunden zu zählen, bis sie klirrend auf dem Gehweg zerspringt. Ich bin etwas enttäuscht, als kein Schrei ertönt. Ob vor Schreck oder vor Schmerzen wäre mir ganz egal gewesen, aber offensichtlich küsst die Flasche ohne weitere Folgen den Asphalt und das Geräusch von berstendem Glas verhallt genauso ohne Widerhall wie meine Frage, ob sie sich nicht auch gerne jeden Tag mit Champagner betrinken würde.
Trotz Toms Gesangseinlage beginne ich zu frösteln, aber zurück ins Zimmer will ich nicht. Auch wenn ich friere, ich fühle mich gut hier draußen. Mein Kopf ist klarer, ich kann tief ein- und ausatmen und ich muss das Mädchen nicht sehen, dass mein Leben nicht haben möchte.
Ich setzte mich im Schneidersitz auf den kalten Boden, lehne mich gegen die Fassade und bemühe mich krampfhaft, eine Kritikpunkt zu finden, an dem ich meinen Meißen ansetzen und sie nach allen Regeln der Kunst auseinandernehmen kann. Es muss etwas geben, da bin ich mir sicher, aber die Geräusche, die sie meinem Bruder entlockt, vernebeln mir die Sicht. Sie lässt ihn in Ekstase schwimmen, ich kann ihr nicht böse sein. Später vielleicht, wenn er abgespritzt und sie nicht geschluckt hat - zumindest hoffe ich das.
Bis dahin werde ich hier hocken bleiben und mir ausmalen, was passiert wäre, wenn die Flasche einem unschuldigen Zivilisten den Schädel zertrümmert hätte.
unverdorben - tokio hotel - bill&tom