Titel: Avaritia
Fandom: Tokio Hotel
Charaktere: Bill und Tom Kaulitz
Sünde: Avaritia/ Habsucht
Word Count: 2153
Rating/Warnings: P16/ Melodrama!
Summary: Vier Cometen und die Welt zu Füßen. Das Leben war nie schrecklicher.
Disclaimer: Toms Nuckel ist endlich wieder aufgetaucht und wir konnten seine Tränn trocknen. Bill hat die Kiste mit meinen alten Barbie-Sachen in der Garage gefunden und ist dementsprechend selig. Und Jimi Blue ist ein Pop-Rapper. Ich lach mich tot.// An dieser Sünde waren drei Damen maßgeblich beteiligt: schokoko hat das Setting und die Hintergrundinfo gestellt, lieselotte pulver den Rotlichtberzirk in meinem Kopf gefördert und restless für den Soundtrack gesorgt. Ich bitte erstens um Anerkennung und zweitens um einen Klick
hierauf.// Das Zitat stammt von Johann Gottfried von herder (1744 - 1803).
A/N: für schokoko (Auch wenn ich nicht weiß, ob du es so haben wolltest und willst.)
Weißt du, was nie zu ersättigen ist?
Das Auge der Habsucht. Alle Güter der Welt füllen die Höhle nicht aus..
„Jimi wird sich in die Hosen machen“, grinst Bill, während er an seiner Gürtelschnalle nestelt und seinen Reißverschluss herunterzieht.
„Hm“, nicke ich, lehne mich mit verschränkten Armen an die Wand und verfolge jedes noch so schwache Aufblitzen seiner Ringe in der schummrigen Beleuchtung. Ich starre mehr als plump, ich weiß das, aber warum sollte ich auch so tun, als fände ich seinen Anblick nicht interessant. Stellt euch das vor, Ladies: Bill Kaulitz, der wunderschöne Engel, in seinem keuschen Rollkragenkaschmirpullover, behangen mit Sadomasoschmuck und fließend glatten Seidenhaaren, rein und weit erhaben über jeder niederen Sexualität - und mit dem Schwanz in seiner Hand, den er eigentlich gar nicht haben dürfte. Ihr würdet genauso glotzen, glaubt mir.
Besonders, wenn der Engel vor einer Hintergrundkulisse wie dieser steht.Der Veranstalter ist offensichtlich davon ausgegangen, dass seine Herrentoilette am heutigen Abend der Schauplatz für eine ganzen Serie von unanständigen Szenen sein wird - warum sonst hätte er einem Klo mit warmen, gedämpften Licht und einem halben Urwald an Grünzeug so viel Atmosphäre verleihen sollen. Der ganze Raum schreit geradezu danach, neben den Pissoiren ein beschwipstes Mädel gegen die Wand zu drücken und zwischen ihren Schenkeln auf Expedition zu gehen.
„Bespannst du mich jetzt beim Pissen, du perverse Sau?“, beschwert sich der Engel. Er bemüht sich, motzig zu klingen, aber seine Mundwinkel wollten einfach nicht unten bleiben. Süß, wie er den peinlich Berührten spielt, nicht wahr?
„Wer weiß“, gurre ich, senke den Kopf und kicke mein Piercing hin und her. Es regt ihn maßlos auf, wenn ich mit ihm flirte wie mit Gülcan und Konsorten, und trotzdem hat es immer diese gewisse Wirkung auf ihn.
„Du bist so lahm“, schnauft er.
Und was für eine Wirkung. Als ob ich nicht gesehen hätte, wie er seinem kleinen Freund da unten ein paar nachlässige Streicheleinheiten verpasst hat. Es macht ihn an. Und was noch besser ist: er kann nichts dagegen tun.
„Wenn er hart wird, kannst du das mit dem Pissen eh vergessen.“
Er knurrt. Ja, ich gebe es ja zu, ich bin ein dekadentes Arschloch. Aber seien wir doch einmal ehrlich, meine treuherzigen Teddyaugen und das Filmchen, dass sich dank seiner Offenherzigkeit gerade dahinter abspielt, passen perfekt in diesen als Toilette deklarierten Darkroom. Gegenüber den Waschbecken, gegenüber den Spiegeln, steht sogar eine Couch, ein Ungetüm aus rotem Samt, protzig, teuer und einladend.
„Wenn er hart wird, wirst du ihn runterwichsen“, antwortet er schnippisch und wirft einen unwilligen Blick nach unten. Es ist wie in den Zeitlupefilmen bei der Sendung mit der Maus, die wir uns als Kinder angeschaut haben. Man kann sehen, wie das Blut langsam, aber unaufhaltsam in seine Hand pulst. Klingt komisch, ist aber so.
„Ist das ne Einladung?“
„Nein. Du hast deinen eigenen. Geh damit spielen und lass mich in Ruhe.“
Der Aufforderung kommt mann doch nur zu gerne nach.
„In `ner Kabine, Tom!“
Zu spät, jetzt hängt mir mein Gürtel schon in den Kniekehlen, jetzt kann ich nicht mehr laufen.
Bill fährt sich mit beiden Händen durch die Haare und bemüht sich offensichtlich um ein paar kühle Gedanken. Wahrscheinlich denkt er an Georgs nackten Oberkörper. Oder Gustavs nackte Eier. Gott, wir hätten mit diesen Idioten niemals Kekse vergewaltigen dürfen. Solche Bilder wird man nicht mehr los.
Aber es scheint ihm zu helfen. Zumindest solange, bis ich so nett bin und ihn daran erinnere, wie es klingt, wenn ein Tom seine Hand in der Hose hat und seine Unterlippe zwischen den Zähnen, um sein Stöhnen zu unterdrücken.
Bill will nicht zur Seite schielen, sein Sträuben ist beinahe greifbar, aber er schaut natürlich trotzdem und jagt mir mit seinen schwarzen Augen einen Schauer über den Rücken und direkt zwischen die Beine. Ich revanchiere mich, indem ich meine Zungespitze mit meinem Piercing einen kleinen Tanz aufführen lasse, bis es den nassen Glanz hat, auf den Bill fliegt wie eine Elster auf ein Stück Alufolie.
Es ist nicht so, dass er nicht wüsste, dass ich eine Show für ihn abziehe und besonders genießerisch keuche. Es nicht so, dass er nicht wüsste, was passiert, wenn er mich nicht von Anfang an eiskalt ignoriert. Es ist nur so, dass er es darauf anlegt. Bill will den anständigen Jüngling geben, er will von seinem notgeilen Zwilling verführt werden, es ist ein abgekartetes Spiel und sein Ablauf ist im Lauf der Jahre zu einem ritualisierten Zeremoniell geworden.
„Wir haben keine Zeit für so was.“
Hört ihr´s? Vernunft. Moral. Ein Engel.
„Wenn du ihn bläst, geht’s schneller“, sagte der Teufel.
„Tom, da draußen stehen vier Bodyguards. Was meinst du, was passiert, wenn einer von denen nachsehen geht, wo wir so lange bleiben?“
Diese Rationalität. So professionell. So jungfräulich verklemmt. Und ich habe natürlich nichts Besseres zu tun, als kehlig zu stöhnen und mich an der Erfindung des Daumens zu erfreuen. Man kann damit so viele tolle Dinge tun. Sich die ersten Lusttropfen von der Spitze zu wischen und ihn quälend langsam sauber zu lecken, zum Beispiel.
„Ich wollte nicht mit dir zusammen auf Klo, um… für so was.“
Ich ziehe meinen Daumen mit einem schmatzenden Geräusch aus meinem Mund und sehe ihn unschlüssig an. Sein Tonfall gefällt mir nicht. Er passt nicht zum Spiel.
„Weswegen dann?“
Er windet sich. Er presst Zeige- und Mittelfinger links und rechts gegen sein Nasenbein, als könnte er was auch immer in seinem Kopf ausdrücken wie einen Pickel.
„Bill?“
„Ich…“
„Bill.“
Ich verstaue mein Heiligstes notdürftig, angle meine Hose wieder auf die richtige Höhe und schlurfe zu ihm hinüber. „Bill“, sage ich noch einmal und lege meine Hand auf seine harten Schultern. Er ist steif wie eine Porzellanfigur. „Wir haben heute vier Cometen abgeräumt. Vier. Wir haben es allen gezeigt und weg kriegen die uns nicht mehr. Wir haben es geschafft. Das ist unsere Party. Wir…“
„Das ist es ja“, wispert er mit gesenktem Kopf.
„Was ist es ja?“, frage ich und komme mir dabei sehr begriffsstutzig vor. Seine Muskeln verkrampfen sich unter meinen Fingern noch mehr.
„Ich fühl es nicht.“
Es gibt Situationen im Leben, die nur einfach nur noch absurd sind. Man kann es nicht glauben, man schaut sich an und man muss lachen.
Es gibt Momente, die über jeder Absurdität erhaben sind. Auf einem aufgemotzten Scheißhaus hinter seinem Zwilling zu stehen, an dem alles bekleidet ist außer dem einzig wichtigen Teil, und zu spüren, wie einem die eigene Hose mit einem sachte schabenden Geräusch die Beine hinunterrutscht, ist einer davon. Es wäre absurd, es wäre lustig, aber Bill hat Schmerzen. Ich kann sie spüren, in der Luft. Er atmet sie aus und ich atme sie ein.
„Ich war so high während der Verleihung. Ich hab gedacht, ich explodier. Und dann haben wir auch noch den Super-Cometen bekommen und dann sind wir runter und jetzt sind wir hier und ich fühl es nicht, Tom.“ Seine Stimme wird mit jedem Wort gehetzter, leiser und rauer, wie vor ein paar Monaten, als er dank der Zyste an seinen Stimmbändern kaum noch einen Ton heraus bekommen hat.
„Ich hab mich so auf die Verleihung gefreut. Ich hab mich auch total gefreut, als wir da vor gelaufen sind. Aber jetzt haben wir die Dinger und...“ Er seufzt und beugt sich nach vorn, weg von meiner Hand. „Warum freu ich mich nicht?“
„Das muss erst sacken. Das war so viel auf einmal, das muss sich erst setzen. Und du hast nicht grad wenig getrunken.“ Es ist gequirlte Scheiße, die ich runterrattere, aber ich kann jetzt unmöglich schweigen und uns eingestehen, dass ich sprachlos bin. Ich fülle den leeren Raum mit leeren Worten und es hilft natürlich nichts, aber ich kann mir wenigstens einbilden, ich könnte ihm den Rücken stärken.
Bill lässt meine Hilflosigkeit gegen seine Schultern klatschen. Er lehnt sich so weit vor, wie er kann, ohne das Gleichgewicht zu verlieren. Es ist nicht das erste Mal, dass ich ihn so erlebe, aber bisher ist er immer stumm geblieben und hat sich mit Zigarettenqualm eingenebelt. Es hat wehgetan, ihn anzusehen, und er hat mich aus dem Zimmer geschickt, in den hinteren Teil des Tourbusses, oder wohin er mich gerade am besten verbannen konnte.
Irgendwann gehen sie mir aus, die Worthülsen. Ich atme schwer, während von Bill kein Laut mehr kommt. Als würde er die Luft anhalten.
Ich wage es nicht, ihn zu berühren. Ich wage es nicht, mich von ihm zu entfernen. Ich wage es nicht, ihm vorzuwerfen, dass er diese Leere die ganze Zeit an seinen Eingeweiden hat fressen lassen, ohne ihre Existenz mir gegenüber zuzugeben. Dass er mich wie ein Kind behandelt hat, dem man nicht sagt, dass die Mama mit Krebs ins Krankenhaus eingeliefert wurde, damit es nachts gut schlafen kann. Ich wage es nicht, darüber nachzudenken, ob ich wütender auf ihn bin, weil er mich beschützt hat oder weil er den Schutz eben aufgehoben hat. Aber ich bin wütend, so viel steht fest.
Wir haben hart gearbeitet, wir haben uns verbogen und gebückt und jetzt sind wir endlich da angekommen, wo nach unserer Pfeife getanzt wird - nach seiner Pfeife - und er hat sich verdammt noch mal dumm und dämlich darüber zu freuen und die Arschlöcher draußen im Saal mit seinem strahlenden Lächeln zu blenden, bis ihnen die raffgierigen Glotzaugen verschmoren.
Er ist ein strahlender Held, er ist mein strahlender Held, und ich kenne seine Schwächen. Aber das hier ist keine Schwäche. Das hier ist ein Totalschaden und am liebsten würde ich diese Hässlichkeit aus ihm herausprügeln.
Wäre ich jemand anders, würde ich es sicherlich tun. Ich würde ihn herumschleudern und ihm nach allen Regeln der Kunst die Fresse polieren, bis er vor lauter Adrenalin und Endorphinen im Kreis grinst.
„Du bist mein Bruder“, krächzt Bill, als hätte er meine Gedanken gelesen. Als wäre ich durch diese Tatsache dazu verpflichtet, ihn in den Arm zu nehmen und zu trösten. Als hätte er damit das Recht, mir sein Herz offen zu legen mit all den schwärzlich kranken Gefäßen darum. Das Schlimme ist: er hat es wirklich. Und ich muss ihn halten, wenn ich nicht unter seinem Gewicht begraben werden will.
Ich trotze vor Leben und Siegestaumel, er stirbt ab. Es ist himmelschreiend ungerecht. Für uns beide.
Meine Hand schwebt über seinem Nacken, bereit, ihn im Genick zu packen, bereit, die Gänsehaut darauf wegzustreicheln, bis ich mich umdrehe und beinahe anfange zu rennen, als ich mich zu den Waschbecken flüchte.
Bill zieht zischend Luft ein. Es fühlt sich an wie ein Schnitt, ich fühle mich taub. Es ist immer noch lächerlich, meine Jeans schwappt immer noch um meine Knöchel wie eine Pfütze und Bills Schwanz ist immer noch draußen. Ich versuche zu lachen, aber mein Spiegelbild verzieht sein Gesicht nur zu einer maskenhaften Fratze.
Wir schweigen und mir wird klar, warum er mich immer außer Reichweite haben wollte, wenn er zu viel geraucht hat. Die Stille zwischen uns ist dick und bleibt in schleimigen Klümpchen in meiner Lunge stecken. Das System ist krank. Bill hat Metastasen im Herzen.
„Es tut mir Leid“, sagt er. Man hört nur die Konsonanten, trocken und emotionslos.
Ich denke daran, dass die Security sich inzwischen wahrscheinlich wirklich fragt, ob wir nicht ins Klo gefallen sind. Ich stelle mir Jimi vor, das Schlauchbootlippenwunder, wie er die Beine zusammenpresst, um sich nicht nass zu machen. Ich lasse den Applaus noch einmal durch meine Ohren rauschen. Es könnte alles so schön sein. Es müsste. Haben wir es nicht verdient? Hat er es nicht verdient?
Und wann ist es gekippt? Wann hat irgendein grausamer Gott entschieden, dass ich nicht mehr tun kann als seine Hand zu halten und ihm ins Ohr zu flüstern, dass er nicht allein ist? Wann bin ich so schwach geworden, dass ich uns nicht beide auf den Beinen halten kann? Oder war ich etwa nie stark genug und er schon immer korrupt genug, um sich aushöhlen zu lassen?
Hohlräume machen Wände und Gebäude stabil. Eine Fassade allein kann offensichtlich aber auch nicht sicher stehen.
Es ist so gottverdammt absurd, dass ich heulen möchte. Ich hasse ihn.
Und es geht nicht weiter. Sackgasse.
Draußen findet eine hitzige Diskussion statt, die sich dumpf in unsere Stille presst. Jemand scharrt mit dem Fuß und schlägt ihn versehentlich gegen die Tür. Bill zuckt zusammen, seine Hosenträger kollidieren mit einem sanften Klicken mit seiner Kette.
Ich bin so lächerlich, dass es absurd ist.
Saki klopft zwei Mal. „Jungs?“ Sein Bass klingt durch die Tür noch sonorer, als er es sowieso schon ist. Das Leben ist da draußen und es wartet auf uns.
Ich raffe meine Hose hoch, streiche mein Shirt glatt und gehe zu Bill. Er rührt sich nicht, als ich ihn wieder verpacke und seine Gürtelschnalle schließe. „Fighter“ steht darauf.
Ich schiebe meine Fingerspitzen unter seine Hände, drücke ihm einen flüchtigen Kuss auf den Mundwinkel und ziehe ihn zum Ausgang. Noch während der ersten Schritte entzieht er mir langsam seine Finger und als ich die Klinke herunterdrücke und mich mit einem Blick über die Schulter absichere, sehe ich in ein lächelndes Gesicht.