Team: Novalis
Challenges: Romantik/Intimität: Regen
Fandom: Original
Wörter: ~650
Anmerkung: Vergessene Schlüssel und so weiter.
Die Scheibenwischer quietschen hin und her, schieben Wasserfronten. Einer von ihnen, der Linke, ist kaputt, stottert manchmal.
„Gut, dann...“, sie lächelt, zieht ihren Mantel enger, will die Beifahrertür öffnen. Für den Bruchteil einer Sekunde hält sie inne, wartet, dass er sie festhält, aufhält.
„Bei dem Wetter kann ich dich doch nicht raus lassen“, könnte er sagen, oder etwas ähnliches. Aber er schweigt. Sein Blick starr nach Vorne gerichtet. Das Licht der Straßenlaternen verfängt sich in dem Ring an seinem Finger.
„Danke fürs Mitnehmen“, sagt sie also und „Bis Morgen.“
Dann ist sie auf der Straße, läuft im strömenden Regen den Weg zu ihrem Haus hinunter. Er hätte sie bis zu ihrer Tür gebracht. Wenn man mit einem Auto bis zu ihrer Tür fahren könnte.
Als sie den schützenden Hauseingang erreicht ist sie bereit bis auf die Haut nass. Sie gräbt in ihrer Handtasche, tief und tiefer.
Die regennasse Kälte wird mit einem Mal noch so viel kälter, die Nacht um sie herum dunkler.
„Verdammt!“, sie möchte schreien. Fluchen. Aber ihre Zähne klappern viel zu sehr um irgend einen Laut von sich zu geben.
Geschlagen lässt sie sich auf die Stufe vor der Tür fallen. Vergräbt ihre Gesicht in ihren Hände. Sie sucht ihr Mobiltelefon, hat eben den Namen ihrer besten Freundin im Adressbuch gefunden - ein Piepen, rotes Blinken am oberen, rechten Bildschirmrand. Dann wird der Bildschirm schwarz, der Umriss einer Batterie erscheint, und darunter die freundliche Aufforderung: „Akku laden!“
Weil Pech an Pech klebt wie Federn an Teer.
Sie schnieft. Zum ersten Mal wünscht sie sich, sie hätte sich irgendwann die Mühe gemacht ihre Nachbarn kennenzulernen. Sie weiß, es wohnen ein paar freundliche Gesichter in dem Haus, in manchen Fenstern sieht sie noch Licht brennen, aber woher sollte sie wissen, welche Klingel sie drücken müsste um Hilfe zu bekommen.
Nach ein paar Minuten, die ihr wie Stunden vorkommen, steht sie auf. Zwei Straßen weiter ist eine Kneipe, ein Treffpunkt für gescheiterte Gestalten, ein fürchterlicher Ort, aber der einzige Laden in ihrer Nähe, der um diese Uhrzeit noch geöffnet hat.
Sie ist noch nicht weit gekommen, als ein Auto neben ihr anhält. Ihr erster Impuls ist Weglaufen, aber dann erkennt sie seinen Wagen. Im nächsten Moment springt die Beifahrertür neben ihr auf.
Wortlos steigt sie ein. In dem vagen Bewusstsein, dass sie viel zu nass ist um sich einfach so in ein Auto zu setzen.
„Rahel hat mich angerufen“, erklärt er, als er an der nächsten Ampel anhält.
„Sie hat dich nicht erreicht. Dein Schlüssel liegt noch auf der Probebühne“, sagt er. Mit keinem Blick sieht er sie an.
„Danke...“, bringt sie zwischen klappernden Zähnen hervor.
Sie fragt sich, was seine Frau sagen wird, wenn er sie mit nach Hause bringt. Es gäbe nichts was sie sagen könnte, selbst sie könnte nichts dagegen sagen, wenn er seine Kollegin nicht im Regen erfrieren lässt.
Die restliche Fahrt über schweigen sie. Erst als er sich am Hauptbahnhof auf der Linksabbiegerspur einordnet merkt sie, dass etwas nicht stimmt, dass sie in die falsche Richtung fahren.
Vor Rahels Haustür bringt er sein Auto zum stehen. Er sieht sie an, ein halbes Lächeln auf den Lippen.
„Du dachtest nicht wirklich, dass ich ich mit nach Hause nehme?“, fragt er. Sie möchte sich einbilden, in seiner Stimme etwas zu hören, etwas, ein versteckter Wunsch.
„Natürlich nicht“, antwortet sie und lacht.
„Gut...“
„Ja.“
„Dann“
„Danke... fürs Retten“
„Gerne.“
Jetzt! Aussteigen!, denkt sie. Aber sie sitzt still.
„Ich würde gerne losfahren“, sagt er schließlich und so freundlich, wie er es eben sagen kann.
„Ja“, sie zwingt sich noch einmal zu lächeln, macht Anstalten seine Hand zu berühren, aber greift dann doch in die andere Richtung und nach dem Türgriff.
„Bis Morgen.“
Mit einem Knall schnappt die Autotür hinter ihr zu. Rahels Haus ist nur zwei Schritte entfernt. Aber sie bleibt stehen, im Regen, und sieht ihm nach, hängt an den Rücklichtern seines Wagen, bis die um eine Kurve verschwunden sind.